VG Berlin sieht Berufsgeheimnis nicht verletzt: Bund muss Redeker-Honorar offen­legen

von Dr. Anja Hall

19.01.2018

Die Bundesregierung muss offenlegen, wie hoch die Rechnungen waren, die Redeker Sellner Dahs für ein Verfahren vor dem BVerfG gestellt hat. Das entschied das VG Berlin am Donnerstag. Die Höhe des Honorars unterliege nicht dem Berufsgeheimnis. 

Auf Auskunft nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) hat die Kletteraktivistin Cécile Lecomte geklagt. Sie hatte sich mit Verfassungsbeschwerden dagegen gewehrt, dass sie bei zwei Protestaktionen gegen Castortransporte zum Zwischenlager Lubmin in den Jahren 2010 und 2011 in Gewahrsam genommen worden war.

Die Atomkraftgegnerin hatte ihre Verfassungsbeschwerden selbst verfasst. Die Bundesregierung hatte dagegen Redeker Sellner Dahs mandatiert, die eine 55-seitige Stellungnahme verfasste. Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gab den Verfassungsbeschwerden der Aktivistin statt und hob Urteile des Landgerichts Stralsund auf (Beschl. v. 20.04.2017, Az. 2 BvR 1754/14 und 2 BvR 1900/14).

Daraufhin wollte Lecomte, wie sie in ihrem Blog schreibt, wissen "wie viel der Staat sich die Durchsetzung seiner Interessen gegen Bürger*innen kosten lässt". Sie stellte einen Antrag nach dem Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und bat das Bundesinnenministerium um Kopien der Anwaltsrechnungen. Den Schriftverkehr und den anschließenden Rechtsstreit dokumentiert sie auf der Plattform "Frag den Staat". 

Geschäftsgeheimnis und fiskalische Interessen?

Das Ministerium lehnte Lecomtes Antrag ab und berief sich dabei auf § 6 Satz 2 und § 3 Nr. 6 IFG. Das Honorar sei ein Geschäftsgeheimnis der Kanzlei, zudem würden "die fiskalischen Interessen des Bundes beeinträchtigt", wenn die Rechnungen offengelegt würden.

Denn aus den Rechnungen würden die Konditionen hervorgehen, zu denen Redeker als Prozessbevollmächtigte der Bundesregierung vor dem BVerfG tätig ist. Diese seien für die Kanzlei aber von wettbewerblicher Relevanz und könnten daher nicht offengelegt werden. Auch für den Bund hätte die Herausgabe der Informationen "Auswirkungen auf die Verhandlungsposition der Bundesregierung bei der Aushandlung von Honorarvereinbarungen mit Prozessbevollmächtigten insgesamt".

Lecomtes Widerspruch gegen diesen Bescheid blieb erfolglos und sie klagte vor dem Verwaltungsgericht (VG) Berlin. Sie wollte das Ministerium dazu verpflichten lassen, ihr teilgeschwärzte Rechnungen von Redeker zu übersenden, aus denen die Endsumme ersichtlich ist.

Damit war die Aktivistin erfolgreich: Das Gericht entschied am Donnerstag nach der mündlichen Verhandlung, dass der Bund ihr Kopien der beiden Rechnungen zusenden muss. Dabei darf das Ministerium zwar die jeweiligen Einzelposten schwärzen, aber eben nicht die Endsumme (VG Berlin, Urt. v. 18.01.2018; Az. VG 2 K 50.17).

Berufsrechtler: konkrete Abrechnung ist vertraulich

Der Kölner Medien- und Berufsrechtler Martin W. Huff hält die Entscheidung des Verwaltungsgerichts "insofern für falsch, als eine konkrete Abrechnung einer namentlich benannten Kanzlei veröffentlicht werden muss", sagt er gegenüber LTO. Dies fällt seiner Ansicht nach unter das Geschäftsgeheimnis der Kanzlei in der Absprache mit dem Mandanten.

Dass die Öffentlichkeit aber gar nicht informiert werden soll, findet er ebenfalls nicht: Er habe "keine Bedenken dagegen, dass zum Beispiel der konkrete Stundensatz für eine Beauftragung oder aber allgemeine Rechtsberatungskosten von einer Behörde offen gelegt werden müssen", so der Berufsrechtler.

Allerdings sei auch die Frage berechtigt, ob ein Verfassungsbeschwerdeverfahren nicht tatsächlich vom Bundesinnenministerium und seinen Juristen selber geführt werden kann. "Hier muss sich ein Bundesministerium wohl anders behandeln lassen als eine kleinere und nicht so fachkundige Behörde, die keine Erfahrung mit dem Verfassungsbeschwerdeverfahren hat", so Huff.
 
Das beklagte Bundesinnenministerium und Redeker als Beigeladene müssen sich die Kosten des IFG Verfahren teilen. Das VG Berlin hat die Berufung und Sprungrevision zugelassen.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Anja Hall, VG Berlin sieht Berufsgeheimnis nicht verletzt: . In: Legal Tribune Online, 19.01.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/26577 (abgerufen am: 09.11.2024 )

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