US-Gericht erkennt erstmals MAC-Klausel an: Ein Mei­len­stein für die M&A-Ver­trags­ge­stal­tung

Gastbeitrag von Dr. Gesine von der Groeben

10.12.2018

Ein US-Gericht erkennt im Verfahren Akorn gegen Fresenius Kabi erstmals eine MAC-Klausel als wirksame Möglichkeit zur Rückabwicklung eines Unternehmenskaufs an. Die Hintergründe dieser Entscheidung erläutert Gesine von der Groeben.

Sogenannte "Material-Adverse-Change"- oder auch MAC-Klauseln werden in komplexen Unternehmenstransaktionen eingesetzt. Sie sollen es dem Käufer erlauben, sich von dem noch nicht vollzogenen Kauvertrag zu lösen, falls besonders schwerwiegende Veränderung eintreten - beispielsweise der Verlust besonders wichtiger Kunden, erhebliche Umsatzrückgänge oder grobe Compliance-Verstöße. Eine Gerichtsentscheidung, die die wirksame Ausübung einer solchen Klausel bestätigt, lag bisher nicht vor.

Eine MAC-Klausel entspricht im deutschen Recht ungefähr einem vertraglichen Rücktrittsrecht und trägt der Tatsache Rechnung, dass bei komplexen M&A-Transaktionen häufig der Tag der Vertragsunterzeichnung ("Signing") und der Tag des tatsächlichen Anteilsübergangs ("Closing") weit auseinanderliegen: Durch die MAC-Klausel soll sich der Käufer im Fall einer schwerwiegenden Veränderung von Umständen zwischen Signing und Closing von dem Vertrag lösen können.

Genaue Ausgestaltung der MAC-Klausel hängt vom Einzelfall ab

Die genaue Ausgestaltung einer MAC-Klausel und insbesondere die Umstände, die dem Käufer erlauben, vom Vertrag zurückzutreten, sind dabei von Fall zu Fall unterschiedlich und hängen von den Vertragsparteien ab. Weitestgehende Einigkeit besteht jedoch insoweit, als sich eine MAC-Klausel nur auf Umstände beziehen darf, die außerhalb des Machtbereichs des Käufers liegen, da dieser sonst nicht schutzbedürftig wäre.

In der Praxis wird in der Regel darauf geachtet, sehr genau zu definieren, in welchem Fall von einem schwerwiegenden Ereignis auszugehen ist. So wird in der Regel auf eine nachteilige Auswirkung auf die Vermögens-, Finanz- oder Ertragslage abgestellt oder eine Kopplung an gesamtwirtschaftliche Kennzahlen vorgenommen. Auch gibt es häufig Rückausnahmen ("Carve-Outs"), die für bestimmte Umstände wiederum das Vorliegen des Rücktrittsrechts ausschließen. Meist werden die Klauseln in der Praxis eher jedoch als Anlass für Nachverhandlungen und nicht zum Rücktritt vom Vertrag genutzt.

Fresenius darf vom Kaufvertrag zurücktreten

Bislang sind nur einzelne Gerichtsentscheidungen zu MAC-Klauseln aus dem anglo-amerikanischen Rechtsraum bekannt, deutsche Gerichte haben sich bisher nicht mit MAC-Klauseln befasst. Und selbst die US-Gerichte haben das Vorliegen eines "material adverse effect" (MAE) im konkreten Fall stets abgelehnt. Am 1. Oktober 2018 ist nun aber durch den Delaware Court of Chancery erstmals ein Urteil ergangen, das die Wirksamkeit einer MAC-Klausel bestätigt hat.

In Jahr 2017 kündigte die deutsche Fresenius Kabi AG an, den US-amerikanischen Generikahersteller Akorn übernehmen zu wollen. Kurz nach der Vertragsunterzeichnung verschlechterten sich die Ertragszahlen von Akorn erheblich; es kam zu einem Umsatzrückgang von 25 Prozent und der operative Gewinn sank um 105 Prozent. Diese negative Entwicklung setzte sich bis ins erste Quartal 2018 fort. Außerdem erhielt Fresenius im Oktober 2017 Hinweise darauf, dass es bei Akorn zu schwerwiegenden Verstößen im Datenschutz und bezüglich Regularien der zuständigen US-Regulierungsbehörde FDA gekommen sei.

Am 22. April 2018 erklärte Fresenius, den Vertrag aufgrund der MAC-Klausel nicht vollziehen zu wollen. Hiergegen klagte Akorn am Folgetag vor dem Delaware Court of Chancery. Das Gericht kam zu der Entscheidung, dass Fresenius zum Rücktritt berechtigt ist, weil eine ausreichend schwerwiegende nachteilige Veränderung vorgelegen hat.

Hoher EBITDA-Rückgang ist schwerwiegend genug

Um festzustellen, wie erheblich diese nachteilige Veränderung war, analysierte das Gericht die sich am Gewinn orientierenden EBITDA-Zahlen und verglich sie mit denen des entsprechenden Vorjahresquartals. Dabei stellte es fest, dass ein Minus im Bereich von 55  bis 62 Prozent vorgelegen hat. Diese Schwankung sah das Gericht als ausreichend schwerwiegend an, um das Eingreifen der MAC-Klausel zu begründen.

Laut des Gerichts war das Rücktrittsrecht nicht ausgeschlossen. Denn gemäß der im Vertrag enthaltenen MAC-Klausel wäre ein Rücktritt dann nicht möglich, wenn sich die Branche insgesamt in einer schwierigen Lage befindet. Das Gericht stellte jedoch fest, dass die Probleme Akorns einerseits auf unternehmensspezifischen Gründen beruhten und dass anderseits Akorn im Vergleich zur Gesamtbranche besonders starke Rückgänge des EBITDA hinnehmen musste, sodass der MAE in diesem Fall nicht auf branchenspezifische Effekte zurückzuführen war.

Auch einen Ausschluss des Rücktrittsrechts, weil Fresenius im Rahmen der Due Diligence Kenntnis von den schwerwiegenden Umständen gewonnen hätte, verneinte das Gericht: Die Kenntnis des Käufers schlösse nur dann einen MAE aus, wenn dies explizit im Vertrag vermerkt sei. Dies war jedoch hier nicht der Fall.

Ein wichtiger Schritt für kommende Gerichtsverfahren

Die vorliegende Entscheidung trägt maßgeblich dazu bei, die Konturen der Anforderungen, die an MAC-Klauseln gestellt werden, zu schärfen. Auch wenn noch keine komplett trennscharfe Definition eines MAE möglich ist, da das Gericht bewusst auf feste Zahlen verzichtet, gibt das Urteil Aufschluss darüber, unter welchen konkreten Umständen von einem MAE auszugehen ist.

Für kommende Gerichtsverfahren ist die vorliegende Entscheidung ein wichtiger, wenn auch nicht revolutionärer Schritt. Die bisherige, strenge Rechtsprechung der US-Gerichte wurde fortgesetzt und hat erstmals in einem Fall zur Annahme eines Rücktrittsrechts aufgrund einer MAC-Klausel geführt. Die Rechtsprechung wurde somit nicht geändert, hat jedoch an Kontur gewonnen.

Auch zeigt die Entscheidung, dass sich die Gerichte genau an der Formulierung der MAC-Klauseln orientieren, sodass zu einer detaillierten Formulierung der MAC-Klauseln zu raten ist. Für den Käufer hat das Vorteile, da er bei konkreten Feststellungen, anhand derer sich das Vorliegen eines MAE bemisst, einfacher nachweisen kann, dass die Voraussetzungen der MAC-Klausel tatsächlich eingetreten sind. Für den Verkäufer wiederum ist es vorteilhaft, die Erfolgsaussichten einer Klage des Käufers zuverlässig einschätzen zu können, da er für die Dauer des Verfahrens in der etwas schlechteren Position ist.

Die Auswirkungen der Entscheidung auf das deutsche Recht dürften vorerst geringer sein, da die den MAC-Klauseln zugrunde liegende Situation im deutschen Recht bereits durch die Störung der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) gesetzlich geregelt ist. Jedoch ist in diesem Fall ebenso wie bei Verträgen nach US-Recht besonders auf die präzise Formulierung der standardmäßig in M&A-Verträgen enthaltenen MAC-Klauseln zu achten.

Die Autorin Dr. Gesine von der Groeben ist Partnerin im Frankfurter Büro der Wirtschaftsrechtskanzlei Beiten Burkhardt und berät ihre nationalen und internationalen Mandanten in den Bereichen M&A/Corporate sowie Venture Capital/Start-ups.

Zitiervorschlag

US-Gericht erkennt erstmals MAC-Klausel an: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32621 (abgerufen am: 13.12.2024 )

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