Wie schaffen wir es, dass der neue Mandant uns den Auftrag gibt und nicht dem Konkurrenten? Juristencoach Carmen Schön beschreibt einige Techniken, mit denen wir unser Gegenüber dazu bringen können, sich für uns zu entscheiden.
Wenn wir analysieren, wie sich Menschen in Verhandlungen oder in Akquise-Situationen entscheiden, landen wir schnell im Grenzbereich zwischen Beeinflussung und Manipulation. Der Unterschied zwischen Beeinflussen und Manipulieren liegt darin, dass wir bei einer Manipulation nur unsere Interessen durchsetzen wollen, bei einer Beeinflussung aber eine Win-win-Situation für beide Seiten schaffen möchten. Manipulativ wäre demnach, wenn wir einen potenziellen Mandanten dazu bringen wollen, uns mit einem Fall zu beauftragen, wir aber keine Ahnung von der Materie haben. Sind wir aber Experten in dem Fachbereich, spricht nichts dagegen, den Mandanten davon auch zu überzeugen.
Es gibt drei Faktoren, nach denen Menschen ihre Entscheidungen treffen: Sympathie, Gleichheit und soziale Bewährtheit.
"Was für ein freundlicher Anwalt"
Wir verhandeln besser und lieber, wenn uns der Andere sympathisch ist. Damit unser Gegenüber uns für einen angenehmen Anwalt oder eine sympathische Anwältin hält und sich in der Verhandlungssituation wohlfühlt, können wir unsere Wertschätzung ihm gegenüber ausdrücken. Das gelingt, indem wir auf ihn eingehen. Wir können etwa seinen jüngsten Vortrag oder Aufsatz loben, womöglich auch Komplimente über Krawatte, Uhr oder Handtasche machen. Wichtig ist jedoch, dass wir nicht lügen. Wenn wir behaupten, wir fanden einen Vortrag besonders inspirierend, sollten wir ihn auch gehört haben.
Auch ein Verhandlungspartner, der sich kooperativ gibt, wirkt auf das Gegenüber angenehm. Dazu sollten wir das Gemeinschaftliche in den Vordergrund stellen, etwa ein gemeinsames Lösen des Rechtsproblems. Sprachlich lässt sich das erreichen, indem wir häufiger "wir" und seltener "ich" sagen. Zuletzt finden wir Menschen sympathisch, die gute Laune haben. Aber auch hier gilt: Ein Lächeln sollte authentisch sein, nicht aufgesetzt sein.
"Sie ist wie ich, ihr kann ich vertrauen"
Wir verhandeln auch lieber mit Menschen, die uns gleich sind - weil wir glauben, dass wir ihnen vertrauen können. "Gleich" bedeutet beispielsweise, einen ähnlichen sozialen Hintergrund zu haben. Man hat etwa eine gemeinsame Historie – zum Beispiel an der gleichen Universität studiert -, den gleichen Familienstand oder auch gleiche Hobbies. Nicht zuletzt drücken Statussymbole und Kleidung Gleichheit aus.
Der Eindruck von Gleichheit und damit im zweiten Schritt Vertrauen lässt sich gut über Körpersprache aufbauen. Im Neurolinguistischen Programmieren (NLP) gibt es die Technik des "Pacing and Leading". Ziel ist es, eine Person zu führen, indem wir zunächst ihr Vertrauen gewinnen. Dazu gleichen wir unsere Körpersprache und Gestik bewusst an unser Gegenüber an. Sitzt er oder sie mit verschränkten Armen da, machen wir das auch. Gestikuliert er nur sehr sparsam, achten wir darauf, nicht wild herumzufuchteln.
Wenn wir nach einer Weile den Eindruck haben, dass wir mit unserem Verhandlungspartner auf diese Weise in Kontakt gekommen sind, machen wir die Probe: Wir ändern unsere Verhaltensweise und beobachten, ob er oder sie mitgeht. Besteht eine solche Verbindung, vertraut das Gegenüber uns - und die Zeit ist gekommen: Wir legen unsere Forderung auf den Tisch.
Dieses "Spiegeln" funktioniert nicht nur körpersprachlich, sondern auch über die Sprache. Wir können zum Beispiel die Keywords unseres Verhandlungspartners aufgreifen und in unsere Sätze einstreuen. So bekommt er den Eindruck, dass wir die "gleiche Sprache" sprechen.
"Die Kanzlei muss einfach gut sein"
Dinge, die sich bewährt haben, müssen gut sein, glauben wir. Viele Menschen greifen privat bei Kaufentscheidungen gerne auf Testberichte zurück, weil sie glauben, dass solche Berichte objektiv richtig sein müssen. Auch das Prinzip von Online-Plattformen für Hotelbuchungen basiert auf diesem Prinzip der sozialen Bewährtheit: Wenn wir eingeblendet bekommen, dass das Hotel, das wir gerade anschauen, in den letzten zwei Stunden zwölfmal gebucht wurde, denken wir unwillkürlich: Es muss wohl besonders gut sein, ich sollte es auch buchen!
Die Entsprechung dieser "Bewährtheit" im beruflichen Bereich sind Referenzen und Rankings. Indem wir einem potenziellen Mandanten Referenzen vorlegen oder eine gute Rankingposition betonen, wollen wir zeigen, dass uns andere, im Idealfall besonders namhafte Auftraggeber, auch schon beauftragt und für gut befunden haben. Das Gegenüber soll denken: "Wenn die Anwältin schon für solch bekannte Unternehmen gearbeitet hat, wird sie mir auch sicherlich weiterhelfen können."
Ob wir auf Sympathie, soziale Bewährtheit oder Gleichheit setzen - gemeinsam ist diesen Mitteln, dass sie ein Spiel mit der Psychologie sind. Mit diesen Techniken lassen sich Verhandlungspartner beeinflussen, um zu einem für beide Seiten guten Geschäft zu kommen. Würden wir damit nur unseren eigenen Vorteil verfolgen, wäre das ein Manipulationsversuch. Tatsache ist jedoch, dass wir im Alltag ständig Beeinflussungen ausgesetzt werden, gerade bei Kaufentscheidungen – und nichts anderes sind Verhandlungen und Akquise im Job ja.
Beobachten Sie doch beim nächsten Mal, wenn Sie in ein Geschäft gehen und einen Föhn oder Rasierapparat kaufen wollen, wie Sie sich für ein Produkt entscheiden. Was genau passiert da? Welche der hier erwähnten Tricks und Kniffe setzt der Verkäufer womöglich ein? Werden Sie sich bewusst, wie Sie selbst Beeinflussungen unterliegen, reflektieren Sie sie und probieren Sie es ihrerseits aus.
Die Volljuristin und ehemalige Rechtsabteilungsleiterin Carmen Schön berät und coacht Juristen, Führungskräfte und Anwaltskanzleien zu Themen wie Geschäftsaufbau, Führung, Auftritt und Wirkung.
Verhandlungstechnik: . In: Legal Tribune Online, 30.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31773 (abgerufen am: 09.10.2024 )
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