Das BKartA verhängt eine Geldbuße in Millionenhöhe gegen eine GmbH. Das Unternehmen will dafür einen ehemaligen Geschäftsführer in Regress nehmen. Der BGH fragt vor einer Entscheidung erst beim EuGH nach.
Im Jahr 2018 verhängte das Bundeskartellamt (BKartA) Bußgelder gegen mehrere Unternehmen aus der Stahlbranche, die zwischen 2022 und 2015 Preissysteme und Leistungszuschläge abgesprochen hatten. Einer der Teilnehmer des sogenannten Edelstahl-Kartells musste 4,1 Millionen Euro bezahlen und hätte diese Summe plus nachfolgend entstandene Kosten gerne von einem ehemaligen Geschäftsführer zurückerstattet.
Das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf verneinte eine Regressmöglichkeit, nun soll der Bundesgerichtshof (BGH) die bislang höchstrichterlich nicht geklärte Frage, ob Geschäftsführer für Kartellbußgelder haften, beantworten. Am Dienstag wurde verhandelt – Zwischenergebnis: Der BGH will zunächst vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) wissen, ob Art. 101 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union einer nationalen Regelung zur Geschäftsführerhaftung bei Kartellrechtsverstößen entgegensteht (Beschl. v. 11.02.2025, Az. KZR 74/23).
Der Vorsitzende Richter Wolfgang Kirchhoff hatte das Vorabentscheidungsersuchen in der Verhandlung schon angeteasert: "Auch wenn eine Haftung der Führungsorgane für Kartellbußgelder nach deutschem Recht bejaht würde, könnte das nach europäischem Recht anders aussehen."
Geschäftsführerhaftung könnte die Bußgeldidee konterkarieren
Ausgangspunkt des Verfahrens war die Klage zweier miteinander verbundener Edelstahlunternehmen. Der Beklagte war Geschäftsführer der klagenden GmbH und auch Vorstandsmitglied der klagenden AG. Neben dem bezahlten Bußgeld soll der ehemalige Geschäftsführer auch die Aufwendungen für die rechtliche Beratung und IT (insgesamt rund eine Million Euro) sowie zukünftig noch entstehende Kosten erstatten. Die klagenden Unternehmen argumentieren, dass durch die Mitwirkung an den kartellrechtswidrigen Absprachen Pflichtverletzungen begangen wurden, für die der Beklagte persönlich haften soll (§ 43 Abs. 2 GmbHG; § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG).
Das OLG Düsseldorf kam in der Vorinstanz zu einer anderen Einschätzung. Begründet hat der 6. Kartellsenat des Gerichts die Entscheidung damit, dass eine Haftung des Geschäftsführers in diesem Fall den beabsichtigten Zweck des Bußgelds vereiteln würde. Die Strafe ziele darauf ab, das Vermögen der Gesellschaft nachhaltig zu treffen (Urt. v. 27.07.2023, Az. VI-6 U 1722 (Kart)).
Zuvor hatte schon das Landgericht Düsseldorf die Klage mit Blick auf eine Erstattung des Bußgelds und der bislang entstandenen Kosten abgewiesen. Für zukünftige Schäden, die aus dem Wettbewerbsverstoß entstünden, müsse der Beklagte allerdings Schadensersatz leisten (Urt. v. 10.12.2021, Az. 37 O 66/20 (Kart)).
Existenzielle Risiken bei unzureichender Versicherung
Kommt der BGH zu einer anderen Einschätzung als die Vorinstanzen, hätte das für Entscheidungsträger in deutschen Unternehmen und auch für die Anbieter von Manager-Versicherungen erhebliche Konsequenzen. "Sollte der BGH eine Regressmöglichkeit bejahen, wären Geschäftsführer und Vorstände existenziellen Haftungsrisiken ausgesetzt", so Rechtsanwalt Dr. Lorenz Jarass, Associated Partner der Kanzlei Noerr. "Die gegen Unternehmen verhängten Bußgelder liegen häufig im Millionen-, wenn nicht gar im Milliardenbereich und in vielen Fällen greift, jedenfalls der Höhe nach, nicht der D&O-Versicherungsschutz für Geschäftsführer und Vorstände."
Die sogenannte Directors-and-Officers(D&O)-Versicherung ist eine Haftpflichtversicherung, die von Unternehmen für Organmitglieder und leitende Angestellte abgeschlossen werden kann. Sie schützt bei Pflichtverletzungen vor privaten Vermögensschäden.
"Über Jahre hinweg wichtige Preisbestandteile abgesprochen"
Das BKartA schloss das Kartellverfahren im Juli 2021 ab. Insgesamt wurden Geldbußen in Höhe von rund 355 Millionen Euro gegen zehn Edelstahlunternehmen, zwei Branchenverbände und siebzehn verantwortliche Personen verhängt. Gegen den Beklagten wurde seinerzeit ein Bußgeld in Höhe von 126.000 Euro verhängt. Der klagenden AG blieb wegen der Strafe gegen die mit ihr verbundene GmbH ein Bußgeld erspart.
"Die Unternehmen haben über Jahre hinweg wichtige Preisbestandteile beim Vertrieb von Edelstahl abgesprochen", erklärte damals Kartellamts-Präsident Andreas Mundt. Durch die abgestimmte, brancheneinheitliche Berechnung und Anwendung von Schrott- und Legierungszuschlägen und durch einen weitreichenden Austausch wettbewerblich sensibler Informationen sei der Preiswettbewerb zwischen den Unternehmen erheblich beeinträchtigt worden.
mit Material der dpa
BGH ruft EuGH an: . In: Legal Tribune Online, 11.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56567 (abgerufen am: 18.03.2025 )
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