Die Partnerversammlung der renommierten Bostoner Anwaltskanzlei Bingham McCutchen hat Anfang dieser Woche einer Fusion mit der international tätigen Sozietät Morgan Lewis & Bockius zugestimmt. Am Freitag bestätigten die dortigen Partner den Zusammenschluss mit Wirkung zum Monatsende*. Der fühlt sich eher an wie eine Rettungsaktion für die strauchelnden Bostoner von Bingham als wie ein "Merger of Equals", meint Robert Peres.
Morgan Lews erklärte, dass nur 227 der insgesamt 300 Bingham-Partner mit an Bord genommen werden. Die Hinzunahme dieser Partner und der dazu gehörenden Associates bringt die aus Philadelphia stammende Kanzlei weltweit von 1.400 auf nun knapp 2.000 Rechtsanwälte. Auch wurde bestätigt, dass der altehrwürdige Name Bingham McCutchen verschwinden werde: "Nicht schön für Bingham, aber auch nicht für die Stadt Boston," findet Brion Bickerton von der dortigen Personalberatung Lucas Group.*
Ungeklärt ist bislang, was aus den nicht übernommenen Partnern wird und ob und in welcher Höhe Morgan Lewis für bestehende Schulden von Bingham gerade stehen wird.*
Bereinigungsprozess fordert weitere Opfer
Seit der Finanzkrise von 2008 hat sich die Anwaltsbranche in den USA insgesamt gut erholt und manche Firms machen wieder zweistellige Gewinne. Dennoch hatte der Bereinigungsprozess einige prominente Opfer gefordert, wie zum Beispiel die New Yorker Sozietät Dewey & LeBoeuf.
Andere sind der Auflösung entgangen, indem sie sich mit anderen, größeren Kanzleien verbunden haben, wie etwa die Washingtoner Kanzlei Patton Boggs. Diese hatten sich dieses Jahr mit Squire, Sanders & Dempsey unter der derzeit beliebten Rechtsform als Schweizer Verein unter dem Namen Squire Patton Boggs zusammen getan.
Beobachter glauben, dass die Verschmelzung von Bingham und Morgan Lewis ebenfalls diesem Zweck dient.* Nach Auffassung des Branchenblogs "Above the Law" bereitet sich Bingham seit einiger Zeit durch Verschlankungsmaßnahmen darauf vor, in ihr "Hochzeitskleid" zu passen. In den vergangenen zwei Jahren wurden zahlreiche Associates verabschiedet und sogar Equity-Partner aus der Sozietät ausgeschlossen. Zu diesem Hintergrund passt auch, dass Bingham im September dieses Jahres ihr relativ neues, erst im Jahr 2010 eröffnetes Büro in Frankfurt komplett an Akin Gump abgegeben und sich somit aus Deutschland zurückgezogen hat.
Massive Abgänge, exzessive Expansion, unzureichende Integration
Noch schwerer wiegt der Verlust von 18 Londoner Partnern, in der Hauptsache Restrukturierungsexperten, ebenfalls an Akin Gump. Der Abgang des hoch angesehenen Teams soll laut dem Branchenmagazin "The Lawyer" eng mit den fortlaufenden Fusionsgesprächen zusammenhängen.
Angefangen hatte die Krise mit einem deutlichen Umsatzrückgang im Jahr 2013, in dem Bingham McCutchen mit umgerechnet knapp 590 Millionen Euro 12,6 Prozent weniger einnahm als im Jahr davor.
Was brachte Bingham an den Rand des Untergangs? Nach Meinung des ehemaligen Bingham-Partners Marshall Grossman war es eine schlecht durchgeführte Integration übernommener Kanzleien, neuer Teams und Partner, die während einer forcierten Wachstumsphase zu Bingham dazu gekommen waren.
"Damit eine Anwaltskanzlei gesund und erfolgreich wachsen kann, müssen die akquirierten Talente integriert, respektiert und nachhaltig in die Kanzleikultur eingebunden werden", so Grossman, dessen Kanzlei Alschuler Grossman aus Los Angeles in 2007 von Bingham übernommen wurde. Die schädliche Kombination von exzessiver Expansion und unzureichender Integration hat man exakt so auch bei Dewey & LeBoeuf gesehen.
Weitgehende Gewinngarantien und jeder kann jederzeit gehen
Wie dort hat Bingham McCutchen neuen Partnern nach der Übernahme von McKee Nelson weitgehende Gewinngarantien gegeben und sich dafür umfangreiche Kredite von Citigroup und Bank of America besorgt. Man spricht von jährlichen Garantienentnahmen von vier bis fünf Millionen US-Dollar.
Was bei Bingham aber noch mehr zu Buche schlägt, ist die Tatsache, dass Partner keinen Eigenkapitalanteil einzahlen mussten. Dadurch sind diese frei, sich jederzeit anderen Sozietäten anzuschließen, ohne sich um die Rückgewinnung der Gelder kümmern zu müssen. Was passiert, wenn die geplante Fusion mit Morgan Lewis & Bockius nicht klappt, kann heute keiner mit Gewissheit sagen.
Somit wiederholt sich im Falle Binghams leider wieder mal die Geschichte. Partner fliehen, Associates und Mitarbeiter werden freigestellt, Gehälter gekürzt, Boni werden verschoben. Alles bei Dewey schon mal gesehen. Ob die faktische Übernahme von Bingham McCutchen durch Morgan Lewis den gewünschten Erfolg bringt, wird man sehen.* Ein weiteres Lehrbeispiel für schlechtes Kanzleimanagement und Wachstumswahn in der US Anwaltsbranche ist die Geschichte allemal.
Der Autor Robert Peres ist Rechtsanwalt und Kanzleiberater. Er arbeitete viele Jahre für große US-Sozietäten in Deutschland und den USA.
*Anm. d. Redaktion: Der am Freitag, 14.11. veröffentlichte Text wurde nach am späten Freitag deutscher Zeit erfolgten Bestätigung der Fusion durch Morgan Lewis am Samstag, 13:41 Uhr an mehreren, jeweils .durch Sternchen-Hinweise gekennzeichneten Stellen angepasst (pl).
Robert Peres, Fusion von US-Kanzleien: . In: Legal Tribune Online, 14.11.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/13819 (abgerufen am: 13.12.2024 )
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