Neigt sich die Zeit der Großkanzleien ihrem Ende zu? Die Marktforscher von Trendence kommen in ihrem aktuellen Absolventenbarometer jedenfalls zu diesem Ergebnis. Bewerber würden zunehmend kleinere und mittelgroße Kanzleien bevorzugen.
Die diesjährige Auflage der Umfrage für den juristischen Bereich beruht auf Angaben von 3.100 Jurastudenten, Referendaren und jungen Volljuristen. Dabei zeigt sich: Die Tendenz des Vorjahres setzt sich fort, in der Gunst der Bewerber verlieren die großen Kanzleien weiter an Boden. Davon profitieren die kleineren und mittelständischen Sozietäten, so das Fazit des Marktforschungs- und Beratungsunternehmen Trendence.
Das Ranking der Top-Arbeitgeber für Juristen untermauert diese These jedoch erst auf den zweiten Blick. Denn die Rangfolge der Top 5 hat sich im Vergleich zum Vorjahr nur leicht geändert. Nach wie vor wird die Liste vom Auswärtigen Amt angeführt. Auf Platz 2 folgt das Bundeskriminalamt als begehrtester Arbeitgeber, es verweist Freshfields Bruckhaus Deringer und die Europäische Kommission auf die Plätze 3 und 4. Auf Platz 5 liegt – wie schon im Vorjahr - Hengeler Mueller.
Allerdings zeigt sich, dass die großen Kanzleien in den Top 10 – darunter neben Freshfields und Hengeler auch Gleiss Lutz, CMS Hasche Sigle und Clifford Chance - dieses Jahr an Stimmen verloren haben. Diese Verluste sind allerdings minimal - und haben deshalb kaum Auswirkungen auf die Rangfolge. Innerhalb der zehn beliebtesten Arbeitgeber hat als Großkanzlei lediglich Linklaters dazu gewonnen. Die Kanzlei rückte dadurch von Platz 7 auf Platz 6 vor.
Jenseits der Top 10 ist das Bild uneinheitlich: Zwar legen besonders viele mittelgroße und mittelständisch ausgerichtete Kanzleien in der Bewerbergunst zu, etwa GvW Graf von Westphalen, Beiten Burkhardt und Görg. Doch auch einige internationale Großkanzleien wie Bird & Bird, Baker McKenzie oder Allen & Overy werden häufiger als im Vorjahr als Wunscharbeitgeber genannt.
Arbeit soll Spaß machen und Sinn stiften
Trendence stellt weiter fest, dass die Attraktivität der Produkte und Dienstleistungen sowie die Unternehmensethik an Bedeutung für die Bewerber gewinnen. Das Wechselspiel von Gewinnstreben und moralischen Idealen werde kritischer betrachtet, was zum allgemeinen Trend in der Gesellschaft passe, so die Marktforscher. Dieser Punkt sei insbesondere für die Frauen unter den Umfrageteilnehmern wichtig gewesen.
Geld und Karriere sind für Juristen der Umfrage zufolge nicht besonders wichtig. Gefragt nach der Definition des persönlichen Erfolges im Job nannten die meisten Befragten den "Spaß an der Arbeit". Auf den zweiten Platz ist "Schaffen von Sinnvollem" gestiegen, während die Punkte "hohes Einkommen" und "Karriere" auf die Plätze 5 und 6 gefallen sind.
Diese Erkenntnisse sollten nach Ansicht von Trendence-Geschäftsführer Robindroh Ullah zu einem Umdenken bei den Kanzleien führen: Mit Ansprachen auf dem Internauftritt, die verlässliche Karrieren in Aussicht stellen, fange man Juristen zukünftig wohl eher nicht. Gefragt sei vielmehr das Warum: "Warum sollte ich in Ihrer Kanzlei anfangen und was kann ich damit Sinnvolles bewirken?", so Ullah. Dies stelle vor allem für kleinere Kanzleien eine Chance dar, weil sie schneller auf Veränderungen am Arbeitsmarkt reagieren könnten.
Trendence hat für das Absolventenbarometer insgesamt 55.000 Studenten in Deutschland nach ihren Wunscharbeitgebern und Karriereplänen befragt. Die Daten werden dann nach Fächergruppen ausgewertet. Für das Ranking der beliebtesten Arbeitgeber im juristischen Bereich wurden Antworten von 3.100 Nachwuchsjuristen berücksichtigt, die in diesem Jahr an der Studie teilgenommen haben.
ah/LTO-Redaktion
Trendence-Umfrage: . In: Legal Tribune Online, 05.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38547 (abgerufen am: 12.12.2024 )
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