Die Stimmung in den Wirtschaftsrechtskanzleien ist zum Jahreswechsel alles andere als rosig. Der Konkurrenzkampf wird härter, die Honorare fließen nicht mehr so üppig, und neue Anbieter mischen den Markt auf. Dass die Großkanzleien vernünftige Antworten auf diese Herausforderungen finden, glauben die wenigsten Anwälte.
Diese pessimistische Aussicht ergibt sich zumindest, wenn man eine aktuelle Studie der tangente betrachtet, einem Management-Magazin für den Rechtsmarkt, hinter dem das Beratungsunternehmen radius.1 steht. Das "tangente Trend-Barometer" will die Stimmung zur Veränderungsdynamik im deutschen Rechtsmarkt erfassen.
"Uns hat interessiert, wie die Anwälte die Veränderungsdynamik einschätzen und wie gut sie die Kanzleien auf die anstehenden Veränderungen vorbereitet sehen", erklärt Dr. Torsten Breden, Geschäftsführer von radius.1 und Herausgeber der tangente. Befragt wurden Berufsträger in 100 Wirtschaftskanzleien in Deutschland, 168 auswertbare Rückmeldungen hat das Magazin erhalten. Auch wenn es sich dabei nicht um eine repräsentative Umfrage handelt, lassen sich doch einige Trends ablesen.
Über die Hälfte der Befragten stuft demnach die Veränderungsdynamik im deutschen Rechtsmarkt als sehr hoch ein. 49 Prozent sind der Meinung, dass der Markt sehr starke Veränderungen durchläuft, die sich auch auf die Geschäftsmodelle der Kanzleien auswirken werden. Vier Prozent sehen den Markt sogar vor einem radikalen Umbruch mit disruptiven Veränderungen, welche die Spielregeln im Anwaltsmarkt völlig auf den Kopf stellen werden.
Meistern die Kanzleien die Herausforderungen?
Uneinigkeit herrscht unter den Befragten darüber, wie gut die großen Wirtschaftskanzleien in Deutschland auf solche künftigen Veränderungen im Rechtsmarkt vorbereitet sind.
41 Prozent der Studienteilnehmer sind der Meinung, die Kanzleien hätten sich bereits sehr gut angepasst oder seien auf einem guten Weg. 42 Prozent stimmten indes der Aussage zu, die Kanzleien hätten "noch keine vernünftigen Antworten auf die bevorstehenden Herausforderungen" gefunden. Zwei Prozent der Befragten halten die Wirtschaftskanzleien für "überhaupt nicht vorbereitet" und sind der Überzeugung, dass sie von den anstehenden Veränderungen "kalt erwischt werden". 14 Prozent glauben sogar, dass sich die Kanzleien der Veränderungsdynamik gar nicht bewusst seien.
18 Prozent der Teilnehmer gehen davon aus, dass der Erfolg einer Kanzlei künftig von der Innovationskraft des zugrundeliegenden Geschäftsmodells abhängig sein wird. 19 Prozent nehmen wahr, dass das klassische Geschäftsmodell vereinzelt den Rahmenbedingungen angepasst wird.
Dass die Umbrüche so gravierend sein werden, dass es in den nächsten Jahren eine Konsolidierungswelle unter den großen Wirtschaftskanzleien in Deutschland geben wird, glaubt aber nicht einmal ein Drittel der Befragten (30 Prozent).
Alternative Anbieter sind keine Bedrohung
Mehr als die Hälfte der Befragten (56 Prozent) ist sich sicher, dass sich künftig vermehrt Unternehmen im Rechtsmarkt etablieren werden, die juristische Dienstleistungen nicht als Rechtsanwaltskanzlei im klassischen Sinne anbieten werden.
Eine ernsthafte Bedrohung durch solche alternativen Rechtsdienstleistungsanbieter sehen die Anwälte der klassischen Großkanzleien in Deutschland aber nicht. Auf die Frage, ob etwa Anbieter von Legal-Process-Outsourcing-Dienstleistungen (LPO) oder andere Plattformen den Großkanzleien die Arbeit wegnehmen, haben mehr als die Hälfte (52 Proezt) geantwortet, dass dies zwar bereits vereinzelt auftrete, aber kein ernstzunehmendes Problem für die Kanzleien darstelle. Nur fünf Prozent der Befragten räumen den alternativen Rechtsdienstleistern das Potential ein, den Markt komplett zu verändern.
"Wenn man die Ergebnisse der Studie als Pulsmessung betrachtet, dann scheint der Blutdruck des deutschen Rechtsmarktes zu steigen", sagt Breden. Insgesamt wird die Veränderungsdynamik von den befragten Juristen der Wirtschaftskanzleien als sehr hoch eingeschätzt. Zugleich aber glauben viele, bereits auf einem guten Weg zu sein und sehen deshalb keinen ernsten Handlungsbedarf.
"Dies scheint zum Teil ein Widerspruch – kann aber auch Ausdruck der derzeitigen Ambivalenz sein, die zumindest den deutschen Rechtsmarkt zu charakterisieren scheint", so Breden. "Für die meisten Marktteilnehmerinnen und Markteilnehmer ist inzwischen sicher, dass grundlegende Umwälzungen stattfinden werden – unklar ist den Betroffenen nur, wie man damit umgehen soll."
Anja Hall, Großkanzleiszene vor dem Umbruch: . In: Legal Tribune Online, 29.12.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14212 (abgerufen am: 08.12.2024 )
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