Verhängt die EU-Kommission eine Geldbuße, die später reduziert oder für nichtig erklärt wird, hat das betroffene Unternehmen Anspruch auf eine Zins-Entschädigung. Das EuGH-Urteil erfreut nicht nur die Telekom.
Vor knapp zehn Jahren hat die Europäische Kommission der Deutschen Telekom wegen des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung in der Slowakei ein Bußgeld auferlegt. Die aufgerufenen 31 Millionen Euro wurden zunächst in voller Höhe bezahlt. Parallel erhob das Unternehmen gegen den Kommissionsbeschluss Nichtigkeitsklage vor dem Gericht der Europäischen Union (EuG) und erreichte dort eine Herabsetzung der Strafe um rund 12 Millionen Euro (Urt. v. 13.12.2018, Rechtssache T-827/14).
Anfang 2019 erhielt die Telekom den Differenzbetrag zurück, wollte sich damit aber nicht zufrieden geben. Für die Zeit zwischen Zahlung und Rückerstattung, immerhin mehr als vier Jahre, forderte das Unternehmen Verzugszinsen. Die Kommission zeigte keine Zahlungsbereitschaft, woraufhin sich die Telekom erneut an das EuG wandte. Das Gericht verurteilte die Kommission schließlich zur Zahlung von rund 1,75 Millionen Euro (Urt. v. 19.01.2022, Rechtssache T-610/19). Nachdem die Kommission Rechtsmittel einlegte, beschäftigte sich der Europäische Gerichtshof (EuGH) mit dem Fall und bestätigte nun die Entscheidung des EuG (Urt. v. 11.06.2024, Rechtssache C-221/22 P).
Nutzungsvorenthaltungsentschädigung statt Verzugszins
Der EuGH sieht keinen Anlass die gefestigte Rechtsprechung zu ändern, wonach die Kommission bei einer nachträglichen Herabsetzung vorläufig bezahlter Geldbußen auch zur Zahlung von Zinsen verpflichtet ist. Nach Ansicht des EuGH ist die Zinszahlung nicht als Verzugszins zu verstehen, sondern als Entschädigung für die Vorenthaltung der Nutzung des zu viel bezahlten Betrags.
Die Pflicht zur Zahlung bestehe selbst dann, wenn die Anlage des entsprechenden Betrags der Kommission keinen oder sogar einen negativen Ertrag eingebracht habe. Auch an der Bemessung der Verzinsung – dem EZB-Refinanzierungssatz, der im Januar 2015 bei 0,05 Prozent lag, plus 3,5 Prozent – hat der EuGH nichts auszusetzen.
Das Urteil dürfte nicht nur bei der Deutschen Telekom, die von Dr. Christian von Köckritz, Philipp Lohs, Dr. Petra Linsmeier und Dr. Ulrich Soltész (alle Gleiss Lutz) vertreten wurde, sondern auch bei Intel für (Vor-)Freude sorgen. Eine Rekord-Geldbuße gegen den US-Konzern wurde Anfang 2022 durch das EuG für teilweise nichtig erklärt. Der Chiphersteller forderte daraufhin 593 Millionen Euro Zinsen von der Kommission.
sts/LTO-Redaktion
Entschädigung für zu Unrecht verhängte Geldbußen: . In: Legal Tribune Online, 11.06.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/54744 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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