Sustainable Development in Kanzleien: "Gewonnen hat man, wenn der Wunsch nach mehr auf­kommt"

Interview von Dr. Franziska Kring und Stefan Schmidbauer

05.11.2021

Seit wenigen Wochen kümmert sich Senior Associate Lisa Duwald um die Umsetzung der UN-Nachhaltigkeitsziele bei Schalast. Im Interview erzählt sie, dass es in ihren Augen nicht mehr um das "Ob" geht, sondern um das "Wie".

LTO: Schalast ist – soweit ersichtlich – die erste deutsche Kanzlei, die eine "Sustainable Development Goals (SDG)-Beauftragte" ernennt. Wie kam es dazu?

Lisa Duwald: Die Bereiche "Environment, Social, Governance" (ESG) und SDG, also Nachhaltigkeitsthemen, sind für die Mandantinnen und Mandanten immer wichtiger und in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Aus diesem Grund müssen auch Kanzleien nachhaltiger werden.

Zum einen fungiert jede Kanzlei als Intermediär in der Beratung der Mandantinnen und Mandanten. Sie muss sich fragen, wie eine nachhaltige Beratung aussehen kann und welche regulatorischen Themen berücksichtigt werden sollten.

Zum anderen haben wir überlegt, welche internen Schritte wir als Unternehmen ergreifen können. Deshalb haben wir das Amt der SDG-Beauftragten als zentrale Ansprechperson geschaffen. So wollen wir das Thema intern präsent machen und Werte festschreiben, für die wir einstehen wollen. 

Gab es für Sie in Sachen SDG eine Art Erweckungsmoment? Wann kam Ihr Gedanke, das Thema auch in die berufliche Karriere einzubringen? 

Einen Schlüsselmoment gab es nicht. Das Thema hat privat und beruflich in den vergangenen Jahren nach und nach an Bedeutung gewonnen. Man macht sich Gedanken, wie man lebt und konsumiert. Auch beruflich sind die einschlägigen Themen immer präsenter geworden.  

Seit August sind Sie SDG-Beauftragte bei Schalast. Wie verlief der Auswahlprozess? 

Ich wurde angesprochen, ob ich die Rolle übernehmen möchte. Ich habe vorher schon Management-Aufgaben wahrgenommen, vor allem im Bereich der Betreuung der Referendarinnen und Referendare. 

Wahrscheinlich hat auch mein Interesse für das Thema Nachhaltigkeit eine Rolle gespielt. Zusammen mit dem Deputy Managing Partner Prof. Dr. Andreas Walter habe ich mich von Anfang an mit SDG-Themen beschäftigt. 

Außerdem habe ich für die Kanzlei in einem aufwändigen Prozess die Genehmigung zur Verwendung der SDG-Logos auf unserer Homepage eingeholt.

(c) Schalast

SDG-Logo für nachweisbar nachhaltige Unternehmen

Welche Kriterien müssen Kanzleien erfüllen, um das SDG-Logo verwenden zu dürfen? Wie läuft der Genehmigungsprozess ab? 

Es ist ein schriftliches Verfahren. Es gibt keine Checkliste mit strengen Voraussetzungen – viele Kriterien im Bereich der Nachhaltigkeit sind eher weich. Man muss Fragen wie "Wie sieht Ihr Engagement im Bereich Nachhaltigkeit aus?" beantworten und eine entsprechende Strategie nachweisen. Insgesamt soll ein Unternehmen sich als Botschafter verstehen, um Nachhaltigkeitsziele intern und extern voranzubringen. 

Man muss analysieren, inwieweit das eigene Unternehmen die SDGs und weitere Regularien umsetzen kann. Die meisten Regeln finden eher auf die Industrie Anwendung. Als Kanzlei müssen wir schauen, welche Maßnahmen für uns passen.  

Wir sind als klimaneutrales Unternehmen zertifiziert. Unter anderem haben wir den Fuhrpark umgestellt, weg von Verbrennungsmotoren. Durch die zentrale Lage unserer Kanzlei in Frankfurt kommen ohnehin viele Mitarbeitende mit dem Fahrrad oder zu Fuß zur Arbeit, auch das spielt eine Rolle. 

Schalast hat fünf Niederlassungen in Deutschland und beschäftigt 75 Rechtsanwältinnen und -anwälte. Wie reagieren Ihre Kollegen und Kolleginnen von anderen Standorten, wenn ihnen aus der Ferne nahegebracht wird, was man besser machen könnte? 

Das wird gut angenommen. Ich hatte bereits Kolleginnen und Kollegen aus Hamburg und Stuttgart, die neben Glückwünschen auch Support und Ideen angeboten haben. Natürlich ist es vor Ort leichter, wenn man sich am Kaffeeautomaten trifft, aber auch an anderen Standorten konnten wir bereits Einiges anstoßen.  

Sonderurlaub für ehrenamtliches Engagement 

Sie sind schon ein paar Wochen im Amt – wie sind Ihre Erfahrungen? Welche Herausforderungen hatten Sie und welche Aufgaben haben Ihnen besondere Freude bereitet? 

Es hat am meisten Spaß gemacht – und war gleichzeitig am anstrengendsten –, sich alle Regularien und Standards anzuschauen und zu überlegen, welche Maßnahmen wir umsetzen können. Es gibt kein Handbuch "Wie werde ich als Kanzlei nachhaltig?", sondern jede Kanzlei muss sich ihren Weg selbst überlegen. Das ist meine Aufgabe, auch im Austausch mit anderen. 

Einzelne Maßnahmen haben wir bereits ergriffen. Durch die neuen Compliance-Standards haben wir eine Verbindlichkeit geschaffen. Es ist wichtig, sich nicht nur das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne zu schreiben, sondern konkret zu handeln. Das fängt bei kleinen Dingen im Arbeitsalltag an, etwa nicht jedes Dokument einzeln farbig auszudrucken oder keinen Kapselkaffee mehr zu trinken. 

Zudem erhalten alle Beschäftigten bei uns bis zu zwei Tage Sonderurlaub pro Jahr, um sich ehrenamtlich zu engagieren. 

Das klingt nach einer ganzen Menge Arbeit – welchen Teil Ihrer Arbeitszeit widmen Sie Ihrer neuen Tätigkeit als SDG Officer? 

Es gibt kein starres Kontingent. Am Anfang fiel sehr viel Arbeit an, da wurde ich aber bei meinen anderen Aufgaben entlastet. In Zukunft werde ich laufend schauen, wie ich meine Zeit einteile. Bei der reinen Beratungstätigkeit – wo ESG Themen eine immer größere Rolle einnehmen – sind die natürlich die Kolleginnen und Kollegen aus den einzelnen Praxisgruppen mit ihrer Industrie- und Fachexpertise gefragt.  

Die SDG der Vereinten Nationen decken einen sehr weiten Bereich ab, u.a. Bildung, Geschlechtergleichheit und Maßnahmen zum Klimaschutz. Welche Schwerpunkte wollen Sie setzen? 

Die Umsetzung von SDG ist für mich kein abgeschlossener, sondern ein fortlaufender Prozess. Wir stellen uns immer die Frage, was wir noch verbessern können. Gerade im Bereich der gesellschaftlichen Verantwortung, wie im genannten Beispiel des Sonderurlaubs für soziales Engagement, wollen wir gern noch mehr tun. Auch die Nachwuchsförderung ist für uns als Kanzlei ein wichtiges Thema, das man gut besetzen kann. 

"Im Zweifel muss man ein Mandat ablehnen" 

Wie wirkt sich die Nachhaltigkeitsstrategie auf die Rechtsberatung aus? 

Wir nehmen nicht jedes Mandat an. Natürlich haben wir das auch vorher nicht getan, aber ich finde es wichtig, eigene Standards festzuschreiben und Compliance-Strukturen zu schaffen. Wenn man bei einem potenziellen Mandat von diesen Vorgaben abweichen möchte, muss die Geschäftsführung zustimmen. Im Zweifel muss man ein Mandat ablehnen – das ist bis jetzt allerdings noch nicht vorgekommen. 

Kommen Mandantinnen und Mandanten gezielt auf Sie zu, weil sie gehört haben, dass Ihre Kanzlei viel Wert auf Nachhaltigkeit legt?  

Die SDG-Themen sind auch extern ein guter Anlass, um ins Gespräch zu kommen. Auf Mandantenseite spielt bei vielen das Thema Nachhaltigkeit ohnehin schon eine große Rolle, bei anderen nicht. Deshalb ist das Amt des SDG Officers auch wichtig, um Bewusstsein zu schaffen. 

Wie lässt sich das über allem schwebende Prinzip der Gewinnmaximierung mit den SDG in Einklang bringen und wie löst man zugehörige Konflikte auf? 

Ich sehe darin keinen Konflikt. Wenn man Mandantinnen und Mandanten berät, dann berät man sie im besten Sinne. Problematisch wird es wohl nur, wenn man sich entscheidet, ein Mandat gar nicht anzunehmen. Hier sehe ich eher ein potenzielles Risiko. Letztlich muss man sich aber fragen, für welche Werte und Überzeugungen man steht.  

"Das Thema Nachhaltigkeit ist keine Eintagsfliege" 

Wie läuft der Austausch mit anderen Kanzleien? Haben Sie inzwischen viele Nachahmer? 

Bei mir persönlich haben sich noch keine Kanzleien gemeldet, die unseren Ansatz nachahmen wollen. Über unser internationales Netzwerk "Multilaw" haben wir einen Austausch mit anderen Kanzleien – dort ist das Thema Nachhaltigkeit auch gerade sehr präsent. 

Stichwort Herausforderungen und Konflikte: Bei aller Euphorie und Freude an der guten Sache - bringt Ihre neue Aufgabe auch unangenehme Gespräche oder Situationen mit sich? 

Vis-à-vis gab es bislang noch kein unangenehmes Gespräch, aber mit Blick auf den Arbeitsalltag kann bei solchen neuen Ansprüchen vielleicht auch mal der Gedanke der Bevormundung aufkommen. Bei mir direkt hat sich noch keiner beschwert. Vielleicht kommt das, wenn weitere Maßnahmen umgesetzt werden. Wir versuchen aber, mit großer Transparenz alle mit an Bord zu holen.   

Ist der SDG Officer ein Experiment auf Zeit – oder gekommen, um zu bleiben? 

Wir stehen erst am Anfang. Um dieses Thema wird man wird nicht mehr herumkommen. Auch für Mandantinnen und Mandanten, die bereits in der Umsetzung der neuen Gesetze sind oder denen die Umsetzung noch bevorsteht, wird die Bedeutung immer größer. In meinen Augen geht es hier nicht um das "Ob", sondern um das "Wie?".  

Wenn wir uns in einem Jahr noch einmal unterhalten – von welchen Erfolgen würden Sie uns dann gerne erzählen? 

Man kann im Bereich SDG schlecht messen. Es gibt nicht die drei Ziele, die man umsetzen will, und dann zufrieden sein kann. Gewonnen hat man, wenn es gelingt, das Thema auf den Schirm zu holen, alle an einem Strang ziehen und der Wunsch nach “mehr” aufkommt. Eben keine Eintagsfliege.  

Vielen Dank für das Gespräch, Frau Duwald. 

Lisa Duwald ist Senior Associate und SDG Officer bei Schalast. Sie berät in den Bereichen Banking, Finanzierung und Finanzaufsichtsrecht. Als SDG Officer ist sie dafür verantwortlich, die Umsetzung der Ziele der Vereinigten Nationen für nachhaltige Entwicklung in der Kanzlei Schalast zu fördern und zu überwachen.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Sustainable Development in Kanzleien: "Gewonnen hat man, wenn der Wunsch nach mehr aufkommt" . In: Legal Tribune Online, 05.11.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46571/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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