Möglichst oft im Web erwähnt werden und dabei einen guten Eindruck hinterlassen – welchen großen deutschen Wirtschaftskanzleien gelingt das? Eine Studie zeigt, dass die Law Firms Realität ausblenden. Und damit Akquise-Chancen verpassen.
Ausgerechnet Flick Gocke Schaumburg. Die Kanzlei ist bekannt für ihre Expertise in dem eigentlich als langweilig verschrienen Steuerrecht – und doch wird sie in deutschsprachigen sozialen Medien und Online-Nachrichten am häufigsten positiv erwähnt.
Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "Wirtschaftskanzleien", die von der Hamburger Kommunikationsberatung Faktenkontor und der Wirtschaftswoche erstellt wurde. Mit Hilfe eines Webmonitoring-Tools haben die Studienautoren zwischen Juli und November 2015 über eine Million Social-Media-Quellen und zehntausende Online-Nachrichten analysiert und nach den Kriterien Aufmerksamkeit, Ansehen, Akzeptanz und Präferenz bewertet. Die Studie beschränkt sich allerdings auf die 50 umsatzstärksten Wirtschaftskanzleien in Deutschland; maßgeblich war dabei das Umsatzranking 2014/2015 des Branchenverlags Juve.
Die Ergebnisse der Analyse wurden in einen Indexwert umgerechnet, der theoretisch maximal 400 Punkte betragen kann. Von dieser Höchstpunktzahl sind die deutschen Wirtschaftskanzleien aber ein gutes Stück entfernt: Im Durchschnitt kommen sie auf 32,7 Punkte. Gesamtsieger Flick Gocke Schaumburg erreicht mit 102,3 Punkten den mit Abstand höchsten Wert. Auf Platz zwei folgt Ebner Stolz Mönning Bachem mit 86 Punkten, und auf Platz drei Heuking Kühn Lüer Wojtek mit 84 Punkten. Graf von Westphalen (76,8) und Baker Tilly Roelfs (76,2) runden die Top 5 ab.
Komplexe Methodik...
Auf den ersten Blick verwundern diese Ergebnisse, denn man hätte wohl die Top-Kanzleien mit den großen PR-Abteilungen an der Spitze des Rankings vermutet. Doch sie erklären sich durch eine ausgeklügelte Methodik, welche die Studienautoren entwickelt haben. Gezählt wurde nicht nur, wie oft eine Kanzlei in den Online-Nachrichten und sozialen Medien erwähnt wird. Die Nennungen wurden auch nach den Kriterien Aufmerksamkeit, Ansehen, Akzeptanz und Präferenz gewichtet.
Hinter dem Wert der "Aufmerksamkeit" verbirgt sich eine Kombination aus der Anzahl der Nennungen und der Intensität, mit der die jeweilige Kanzlei erwähnt wird. "Intensiv" bedeutet in diesem Zusammenhang, in wie vielen Sätzen pro Diskussion die Law Firm durchschnittlich genannt wird. Spitzenwerte bei der medialen Aufmerksamkeit erreichen laut der Auswertung Freshfields Bruckhaus Deringer, CMS Hasche Sigle und Hogan Lovells.
...liefert überraschende Ergebnisse
Die Kategorie "Ansehen" bewertet, wie oft die Kanzlei in einem positiven Zusammenhang erwähnt wird. Der Wert ergibt sich aus der Häufigkeit der Nennungen und daraus, wie groß darunter der Anteil von Nennungen in positiver Tonalität ist. Hier liegen CMS, Hogan Lovells und Ebner Stolz Mönnig Bachem vorn.
Weil es ein Ziel von Kommunikationsstrategien ist, nicht nur möglichst häufig in positivem Zusammenhang genannt zu werden, sondern auch möglichst viel häufiger in positiver als in negativer Stimmung, haben die Studienautoren den Wert der "Akzeptanz" eingeführt. Er ergibt sich aus dem Anteil der positiv-tonalen Nennungen (Zustimmung) und dem Verhältnis von positiven zu negativen Nennungen. Die drei Kanzleien, denen dies am besten gelingt, sind Baker Tilly Roelfs, Flick Gocke Schaumburg und Dentons.
Unter dem Wert der "Präferenz" wird erfasst, ob die Kanzlei eine starke, positive emotionale Bindung erreicht. Die Intensität der Nennungen ist ein Indikator für die Stärke der Emotionen. Je besser das Verhältnis von positiven zu negativen Nennungen (Bevorzugung) ist, umso mehr liegen diese Emotionen im gewünschten Bereich. Deswegen ergeben die Intensität und das Verhältnis von positiv-tonalen zu negativ-tonalen Nennungen die Präferenz. Flick Gocke Schaumburg, Heuking Kühn Lüer Wojtek und Ebner Stolz Mönning Bachem führen dieses Teilranking an.
Freshfields: Viel Feind, wenig Ehr
Die in den Online-Medien meistgenannte Kanzlei - und damit Siegerin im Teilranking "Aufmerksamkeit" - ist Freshfields. Dennoch landet sie in der Gesamtschau mit 44,2 Indexpunkten bloß auf dem zwölften Rang. Verwunderlich, denn Freshfields fand sich in den letzten Monaten mit einem Prestige-Mandat regelmäßig prominent in der Presse wieder: Sie arbeitet für den Deutschen Fußballverband DFB die Vorgänge rund um die Vergabe der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 auf.
Wie Jörg Forthmann, bei Faktenkontor verantwortlich für die Studie, sagt, musste Freshfields aber wegen des Mandats in Online-Diskussionen viel Kritik einstecken – und das habe sich negativ auf die Gesamtrankingposition ausgewirkt. Damals war viel über die Nähe eines Partners der Kanzlei zu dem Fußballverband und die Mandatsvergabe an Freshfields spekuliert worden. In den Teilrankings "Präferenz" und "Akzeptanz" schafft es die Kanzlei daher - trotz der Vielzahl der Nennungen - nicht unter die Top 15.
Zu viel Print, zu wenig online
Ohnehin schneiden die umsatzstärksten Kanzleien in dem Ranking nicht besonders gut ab. CMS, nach Umsatz die Nr. 2 in Deutschland hinter Freshfields und Betreiberin eines hauseigenen Blogs, kommt in dem Web-Visibilitäts-Ranking nur auf Platz neun. Damit liegt CMS allerdings immerhin noch ein gutes Stück vor einer weiteren Top-Kanzlei, Hengeler Mueller. Sie ist gemessen am Umsatz zwar drittstärkste Kanzlei, landet aber bei der Webpräsenz nur auf Platz 28. Nur wenig besser rangieren Clifford Chance (Umsatzranking: 4; Webranking: 16) und Linklaters (Umsatzranking: 5; Webranking: 21).
Forthmann erklärt sich das schlechte Abschneiden dieser Law Firms vor allem durch deren mangelndes Engagement in den sozialen Medien. "Ausgerechnet die bislang größten Kanzleien sind noch nicht richtig im Social-Media-Zeitalter angekommen", meint er. Sie konzentrierten ihre PR-Anstrengungen auf herkömmliche Print-Veröffentlichungen und seien kaum in Fachforen, bei Twitter oder in sozialen Netzwerken aktiv. "Viele Anwälte wollen ihren Namen unbedingt auf bedrucktem Papier sehen, nur das scheint für sie zu zählen", sagt Forthmann. "Doch damit blenden sie einen großen Teil der Realität aus - und zwar ausgerechnet den, der heute für die Akquise entscheidend ist."
Anja Hall, Studie zur Sichtbarkeit im Web: Großer Nachholbedarf bei den großen Kanzleien . In: Legal Tribune Online, 24.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18881/ (abgerufen am: 19.04.2024 )
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