Die Länderfinanzminister haben einen Gesetzentwurf vorgelegt, um Share Deals bei Immobilientransaktionen zu erschweren. An einigen der geplanten Regelungen gebe es aber verfassungsrechtliche Zweifel, meint Jan Evers.
Die Finanzminister der Länder haben Ende November über einen Gesetzentwurf beraten, mit denen sie sogenannte Share Deals eindämmen wollen. Bei diesen Transaktionen wird nicht die Immobilie selbst verkauft, sondern die Gesellschaft, die sie hält. Sind Share Deals geschickt gestaltet, kann die Grunderwerbsteuer vermieden werden.
Der genaue Wortlaut des Gesetzesentwurfs ist zwar bislang nicht bekannt. Einer Pressemitteilung des Hessischen Ministeriums der Finanzen vom 29. November 2018 ist aber zu entnehmen, dass er die bereits aus dem Eckpunktepapier vom Sommer bekannten Maßnahme vorsieht. Nach dem Entwurf sollen die Neuregelungen erstmals auf Erwerbsvorgänge anzuwenden sein, die nach dem 31. Dezember 2018 verwirklicht werden. Das Bundesfinanzministerium prüft den Gesetzesvorschlag gegenwärtig und soll diesen dann in ein Gesetzgebungsverfahren einbringen.
Längere Haltefristen und niedrigere Beteiligungshöhe
Die Neuregelungen umfassen im Wesentlichen drei Punkte: Zunächst soll die Vorschrift des § 1 Abs. 2a im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) durch einen neuen § 1 Abs. 2b GrEStG auf Kapitalgesellschaften ausgedehnt werden. Diese Regelung erfasst bislang die unmittelbare oder mittelbare Änderung im Gesellschafterbestand einer Personengesellschaft dergestalt, dass innerhalb von fünf Jahren mindestens 95 Prozent der Anteile am Vermögen der Gesellschaft auf neue Gesellschafter übergehen.
Zweitens soll die derzeitige Fünf-Jahresfrist, die in § 1 Abs. 2a GrEStG geregelt ist, auf zehn Jahre verlängert werden, die Fünf-Jahresfrist in §§ 5, 6 GrEStG auf bis zu 15 Jahren. Drittens soll die relevante Beteiligungshöhe bei sämtlichen Ergänzungstatbeständen von mindestens 95 Prozent auf mindestens 90 Prozent der Anteile abgesenkt.
Co-Investor-Strukturen künftig nicht mehr möglich
Die Ausdehnung des § 1 Abs. 2a GrEStG auf Kapitalgesellschaften durch Schaffung eines neuen § 1 Abs. 2b GrEStG hat zur Folge, dass es künftig nicht mehr möglich sein wird, durch Nutzung sogenannter Co-Investor-Strukturen 100 Prozent der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft sofort grunderwerbsteuerfrei zu übertragen.
Eine bisher gängige Gestaltung zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer bestand nämlich darin, dass zwei rechtlich und wirtschaftlich voneinander unabhängige Investoren sämtliche Anteile an einer solchen Gesellschaft erwerben, wobei jeder mehr als fünf Prozent übernimmt – beispielsweise der eine Investor 94,9 Prozent und der andere 5,1 Prozent. Künftig wird zur Vermeidung der Grunderwerbsteuer auch bei Kapitalgesellschaften stets mindestens ein sogenannter Altgesellschafter mit mehr als zehn Prozent an der Gesellschaft beteiligt bleiben müssen.
Die geplante Änderung betrifft auch grundbesitzende Kapitalgesellschaften, deren primärer Zweck nicht im Halten oder Veräußern von Grundstücken liegt. Diese werden künftig das Transaktionsvolumen der an ihnen gehandelten Geschäftsanteile bzw. Aktien genau im Auge behalten müssen.
Altgesellschafter muss mindestens doppelt so lange beteiligt bleiben
Die Verlängerung der Haltefrist auf zehn Jahre bedeutet letztlich, dass zur Vermeidung von Grunderwerbsteuer der Altgesellschafter nicht wie bislang für mindestens fünf, sondern für mindestens zehn Jahre an der Gesellschaft beteiligt bleiben muss. Dies betrifft grundbesitzende Personen- und Kapitalgesellschaften gleichermaßen. Ferner wird ein neuer Gesellschafter grundsätzlich erst nach Ablauf von zehn Jahren zum Altgesellschafter.
Betroffen von der Absenkung der relevanten Beteiligungshöhe von 95 auf 90 Prozent sind auch die Vorschriften über die sogenannte rechtliche oder wirtschaftliche Anteilsvereinigung (§ 1 Abs. 3, Abs. 3a GrEStG). Soll eine solche Anteilsvereinigung vermieden werden, ist künftig darauf zu achten, dass kein Gesellschafter einer grundbesitzenden Personen- oder Kapitalgesellschaft unmittelbar und/oder mittelbar in Höhe von mindestens 90 Prozent rechtlich oder wirtschaftlich an dieser beteiligt ist.
Durch die vorgesehene Verlängerung der Fristen in den §§ 5,6 GrEStG von fünf auf sogar fünfzehn Jahre werden auch Grundstücksübertragungen von einem Gesellschafter auf eine Personengesellschaft oder umgekehrt sowie zwischen Personengesellschaften erschwert. Nach diesen Vorschriften wird die Grunderwerbsteuer in Höhe der deckungsgleichen vermögenmäßigen Beteiligung des Gesellschafters an dem Grundstück vor und nach der Übertragung nicht erhoben. Voraussetzung ist allerdings, dass Vor- und Nachbehaltensfristen eingehalten werden, die auf fünfzehn Jahre verlängert werden sollen.
Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz?
Die geplanten Änderungen werfen zahlreiche (verfassungs-)rechtliche Zweifelsfragen auf. Fraglich ist zum Beispiel, ob insbesondere der § 1 Abs. 2b GrEStG ein "strukturelles Vollzugsdefizit" aufweist. Namentlich für börsennotierte Aktiengesellschaften dürfte es nämlich nahezu unmöglich sein, nachzuverfolgen, ob sich innerhalb von zehn Jahren der unmittelbare und/oder mittelbare Bestand an Gesellschaftern in dem schädlichen Umfang geändert hat. Da damit eine gleichmäßige Erhebung der Steuer nicht gewährleistet ist, könnte ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vorliegen.
Darüber hinaus ist zweifelhaft, ob die Absenkung der Quote auf 90 Prozent und die Verlängerung der Frist auf zehn Jahre mit dem Charakter des § 1 Abs. 2a, Abs. 2b (neu) GrEStG als sogenannte typisierende Missbrauchsverhinderungsvorschriften in Einklang zu bringen ist. Der Gesetzgeber ist bei derartigen Vorschriften verpflichtet, sich am typischen und nicht am atypischen Fall zu orientieren.
Ungeachtet dieser verfassungsrechtlichen Bedenken dürften die Neuregelungen – sollten sie mit dem vorgeschlagenen Inhalt in Kraft treten – zu erheblichen grunderwerbsteuerlichen Mehrbelastungen bei Share Deals führen. Insbesondere das Erfordernis, dass stets ein Altgesellschafter mit mehr als zehn Prozent an der grundbesitzenden Gesellschaft beteiligt sein muss und neue Gesellschafter erst nach Ablauf von zehn Jahren zu Altgesellschaftern werden, dürfte grunderwerbsteuerlich motivierte Gestaltungen künftig regelmäßig verhindern.
Abzuwarten bleibt, ab wann die geplanten Neuregelungen in Kraft treten werden. Zu hoffen ist, dass der Gesetzgeber mit Rücksicht auf das verfassungsrechtlich verankerte Rückwirkungsverbot mit Augenmaß vorgehen und nicht bereits vor der Verkündigung des Gesetzes abgeschlossene Sachverhalte besteuern wird.
Jan Evers ist Fachanwalt für Steuerrecht und Partner bei der Berliner Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft Trinavis. Er berät in allen Fragen des Unternehmens- und Immobiliensteuerrechts.
Grunderwerbsteuerreform: . In: Legal Tribune Online, 17.12.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/32769 (abgerufen am: 13.10.2024 )
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