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Restrukturierung insolvenzbedrohter Unternehmen: StaRUG – Unwort oder Erfolgs­mo­dell?

Gastbeitrag von Dr. Frank Schäffler

22.01.2025

Ein Rettungsring im Wasser

Bild: pichitstocker - stock.adobe.com

Das StaRUG macht seit vier Jahren die Restrukturierung von Unternehmen möglich, die sonst in die Insolvenz müssten. Das Gesetz ist ein Gewinn für den Standort Deutschland, bilanziert Frank Schäffler.

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Von der Insolvenz bedrohte Aktiengesellschaften wie Eterna, Leoni, Endor oder Varta haben das Gesetz über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und Restrukturierungsgesetz - StaRUG) auch der breiten Öffentlichkeit bekannt gemacht. Aktionärsvertreter kritisieren das Gesetz als aktionärsfeindlich. Erst vor kurzem hat die Börse Düsseldorf "StaRUG" zum "Börsen-Unwort des Jahres" erklärt. Zurecht?

Betrachtet man das Gesetz und seine Auswirkungen nach vier Jahren genauer, ist die Kritik nicht nachvollziehbar. Im Gegenteil: Das Gesetz ist ein Gewinn für den Standort Deutschland, denn es ermöglicht präventive Restrukturierungen und damit große Vorteile für Unternehmen und ihre Geschäftspartner, Mitarbeiter und Finanzierer.

Das StaRUG ist seit dem 1. Januar 2021 in Kraft. Der Anwendungsbereich des Gesetzes wurde zunächst eher zurückhaltend beurteilt – auch bei Legal Tribune Online. Dabei waren die Veröffentlichungen zur praktischen Relevanz häufig spekulativ, denn eine StaRUG-Restrukturierung ist grundsätzlich nicht öffentlich und empirische Daten fehlen.

StaRUG zwingt zum Handeln

In vielen Fällen wirkt das StaRUG wie ein Verhandlungstool – tatsächlich führt bereits die Aussicht auf ein vorbereitetes Restrukturierungsverfahren häufig zu Bewegung in Verhandlungen. Ein Beispiel hierfür war die Sanierung eines schwäbischen Verkehrsunternehmens im Jahr 2021. Die öffentliche Hand als sanierungswilliger Mehrheitsgesellschafter hatte ihre Unterstützung von der Übertragung der Anteile der (privaten) sanierungsunwilligen Minderheitsgesellschafter abhängig gemacht. Die Minderheitsgesellschafter waren zur Übertragung ihrer Anteile erst bereit, als ihnen mit der Vorlage eines ausgearbeiteten StaRUG-Konzepts klar gemacht wurde, dass eine Entziehung der Anteile jetzt auch außerhalb eines Insolvenzverfahrens gegen ihren Willen möglich ist. In der Praxis kommen derartige Fälle recht häufig vor; aufgrund des vertraulichen Charakters werden sie aber nur selten publik und können deshalb statistisch kaum erfasst werden. 

Das StaRUG hat sich aber auch als Restrukturierungsinstrument für kleine und mittlere Unternehmen bewährt. Ein Beispiel ist die Sanierung eines Unternehmens aus der Medizintechnikbranche in Nordbaden: Nach der COVID19-Pandemie und einer gescheiterten Expansionsstrategie geriet es in eine existenzbedrohende Krise. Neben operativen Sanierungsmaßnahmen sah das Sanierungsgutachten nach Standard IDW S 6 vor, die Verschuldung (Gesellschafterdarlehen und Corona-Darlehen) durch ein Restrukturierungsverfahren abzubauen.

In enger Abstimmung mit der Mehrheit der Finanzierer konnte auch dieses Unternehmen schnell und effizient durch ein StaRUG-Verfahren saniert werden. Eine außergerichtliche Sanierung ohne StaRUG wäre dagegen aufgrund unterschiedlicher Ansichten im Gesellschafter- und Finanziererkreis und des komplexen Entscheidungsprozesses einer öffentlichen Förderbank jedenfalls in der gegebenen kurzen Zeit nicht möglich gewesen. Durch die geringe Komplexität des Falles und die mittlerweile vorhandene Standardisierung blieben auch die Kosten des Verfahrens in einem vertretbaren Rahmen und waren auch hier deutlich geringer als in der Insolvenz.

Fünf Fallgruppen im Fokus

In meiner Beratungspraxis haben sich fünf Anwendungsbereiche des StaRUG herauskristallisiert:

In der ersten Fallgruppe sind zwangsweise Eingriffe in Gesellschafterrechte zur Restrukturierung erforderlich. Beispiele sind der beschriebene Fall des schwäbischen Verkehrsunternehmens oder die Verfahren bei börsennotierten Aktiengesellschaften.

Relevant ist das StaRUG weiter in Single-Asset-Konstellationen. Ist hier z. B. eine zu hohe Verschuldung eingetreten, sind operative Restrukturierungsmaßnahmen und damit ein Insolvenzverfahren regelmäßig nicht erforderlich, ein schlankes StaRUG-Verfahren reicht aus.

Auch bei einer Uneinigkeit im Finanziererkreis liegt eine typische StaRUG-Konstellation vor. Ist eine Summenmehrheit von 75% der Finanzierer beispielsweise mit einer Stundung einverstanden, kann die Restrukturierung auch gegen den Willen der restrukturierungsunwilligen Finanzierer umgesetzt werden. Vor Einführung des StaRUG hat diese Konstellation regelmäßig zu insolvenzrechtlichen Problemen geführt.

StaRUG kann auch ein Lösungsbaustein sein, wenn bei einem operativ gesunden Unternehmen ungeplante Verbindlichkeiten auftreten, die zur Zahlungsunfähigkeit führen könnten. Beispielsweise waren bei einem Onlinehändler aus Baden Fehler bei der Umsatzsteuerdeklaration im Ausland gemacht worden. Nach einem Wechsel des Steuerberaters wurde eine Nachforderung der ausländischen Steuerbehörden in Millionenhöhe erwartet. Ohne StaRUG wäre eine Insolvenz unvermeidbar gewesen. Ein weiteres Beispiel in dieser Fallgruppe kann beispielsweise ein Produkthaftungsfall sein.

Ein Restrukturierungsverfahren kann auch bei Haftungsverflechtungen im Konzern helfen. Ist z. B. eine Muttergesellschaft über einen Ergebnisabführungsvertrag mit einer defizitären Tochtergesellschaft verbunden, so hatte vor Einführung des StaRUG die Insolvenz der Tochtergesellschaft regelmäßig auch die Insolvenz der Muttergesellschaft zur Folge. Das Problem kann nunmehr über ein Restrukturierungsverfahren bei der Muttergesellschaft gelöst werden, da die Krise der Muttergesellschaft allein durch Verbindlichkeiten aus dem Ergebnisabführungsvertrag verursacht wird.

Vorteile des StaRUG

Das StaRUG ermöglicht in geeigneten Fällen eine maßgeschneiderte, präventive Restrukturierung. Schäden für den Geschäftsbetrieb des Unternehmens, für seine Mitarbeiter, Lieferanten, Kunden und übrigen Vertragspartner, die sonst bei einer Insolvenz auftreten können, werden damit vermieden – aber auch die Finanzierer erzielen unter StaRUG bessere Ergebnisse als in einem Regelinsolvenzverfahren.

Anders als die Insolvenz ist das StaRUG ein teilkollektives Verfahren: Eingriffe können auf Eigen- und Fremdkapitalgeber beschränkt werden, wobei erfolgreiche Restrukturierungen regelmäßig den Konsens mit der Mehrheit der Finanzierungspartner voraussetzen.

Dieses aus Sicht des Restrukturierungspraktikers erforderliche und für die große Mehrheit der Stakeholder hilfreiche Instrument ist Aktionärsvertretern ein Dorn im Auge. Sie sprechen von Enteignung und fordern Änderungen, nach denen ein Kapitalschnitt im bisherigen Umfang nicht mehr möglich sein soll.

Diese Änderungen wären jedoch weder erforderlich noch interessengerecht. Vielmehr sind Aktionäre durch die bestehenden Regelungen hinreichend geschützt. Weiter würden Änderungen im Sinne der Aktionärsvertreter sinnvolle außergerichtliche Restrukturierungen torpedieren und zu Schäden für Unternehmen, ihre Mitarbeiter und Geschäftspartner führen:

Ein Eingriff in Gesellschafterrechte ist gem. § 26 Abs. 1 Nr. 1 StaRUG nur dann möglich, wenn die Gesellschafter durch den Plan nicht schlechter gestellt werden, als sie ohne einen Restrukturierungsplan stünden. Ein kompensationsloser Entzug von Gesellschaftsanteilen ist also nur möglich, wenn die Anteile auch ohne ein StaRUG-Verfahren wertlos wären. Sind die Anteile aber wertlos, so sind die Anteilsinhaber auch nicht schützenswert.

Es wäre auch nicht einzusehen, weshalb Gesellschaftern mit wertlosen Anteilen eine Entschädigung zustehen sollte, während Fremdkapitalgeber ganz oder teilweise auf ihre Forderungen verzichten müssten. Die Befriedigungsreihenfolge "Fremdkapital vor Eigenkapital" ist nicht nur gesetzlich vorgesehen, sondern ein Grundprinzip der Unternehmenssanierung!

In typischen StaRUG-Fällen ist das Alternativszenario die Insolvenz. Regelmäßig werden in einem StaRUG-Verfahren das Unternehmen, Fremdkapitalgeber und weitere Vertragspartner wie Lieferanten gegenüber einer Insolvenz deutlich bessergestellt. Die Gesellschafterseite gewinnt durch ein Insolvenzverfahren nichts, da auch hier die Anteile regelmäßig wertlos sind.

Ein effektives Restrukturierungsgesetz muss daher sicherstellen, dass eine nachhaltig wirkende Restrukturierung auch gegen den Willen der Inhaber wertloser Anteile ohne Entschädigung durchgesetzt werden kann. Eine Änderung des StaRUG zugunsten der Eigenkapitalseite ist nicht nur nicht erforderlich, sondern würde im Gegenteil sinnvolle Restrukturierungen ver- bzw. behindern, damit die Insolvenz von Unternehmen auslösen und deren Geschäftspartner schädigen. Dies wäre ein klarer Rückschritt!

Frank SchäfflerDr. Frank Schäffler ist Partner bei der Kanzlei Grub Brugger. Er hat zahlreiche Unternehmen bei der Restrukturierung nach StaRUG beraten, zuletzt etwa die Endor AG oder die Varta AG.

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Restrukturierung insolvenzbedrohter Unternehmen: . In: Legal Tribune Online, 22.01.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56398 (abgerufen am: 21.05.2025 )

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