Änderungen im Grunderwerbsteuergesetz zum 1. Juli 2021: Bald keine Share Deals mehr

Gastbeitrag von Dr. Gunnar Knorr

09.06.2021

Grunderwerbssteuern ließen sich bisher einsparen, wenn die Erwerber anstelle der Immobilie Anteile an der immobilienhaltenden Gesellschaft erwarben. So leicht wird es mit der Änderung des GrEStG nicht mehr sein, schreibt Gunnar Knorr.

Zum 1. Juli 2021 treten umfassende Änderungen im Grunderwerbsteuergesetz (GrEStG) in Kraft. Ziel der Änderungen ist es, Share Deals zu verhindern. Dazu werden die Grunderwerbsteuertatbestände ausgeweitet: Sie erfassen nun auch die Veränderung im Anteilsbesitz grundbesitzender Kapitalgesellschaften. Zudem werden wesentliche Halte- und Beobachtungsfristen von derzeit fünf Jahren auf zehn bzw. fünfzehn Jahre erweitert. 

Bei sog. Share Deals wird ein Grundstück nicht als solches verkauft, sondern die Anteile an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft. Hier ließ sich in der Vergangenheit die Entstehung von Grunderwerbsteuer vermeiden, wenn der Verkäufer eine Restbeteiligung von 5,1% behielt. Mit den Änderungen im GrEStG wird das zukünftig nicht mehr ohne weiteres möglich sein. 

Den Kern der Neuregelung bildet eine neue Vorschrift, nach der Anteilsübertragungen grundbesitzender Kapitalgesellschaften weitergehend als bisher Grunderwerbsteuer auslösen. Sie ist einer bereits bestehenden Regelung zur Änderung des Anteilsbesitzes bei Personengesellschaften nachempfunden. Im Ergebnis entsteht danach künftig Grunderwerbsteuer, wenn innerhalb einer Frist von zehn Jahren mindestens 90% der Anteile an einer Kapitalgesellschaft auf einen neuen Eigentümer übergehen. Erfasst werden sowohl unmittelbare als auch mittelbare Anteilsübertragungen. Dabei müssen die Anteile nicht von einem einzigen Erwerber erworben werden. Auch die bisher üblichen, weitgehend grunderwerbsteuerfreien Club Deals lösen künftig diese Steuer aus. Bei diesen wird ein Minderheitsanteil von einem fremden Dritten erworben.

Ausweitung der Haltefristen

Die bestehenden Halte- und Beobachtungsfristen werden deutlich ausgeweitet. Bislang war der qualifizierte Wechsel im Bestand von Personengesellschaften nur innerhalb eines Zeitraums von fünf Jahren grunderwerbsteuerpflichtig. Künftig löst der Wechsel im Gesellschafterkreis einheitlich für Personen- und Kapitalgesellschaften über einen Zehnjahreszeitraum Grunderwerbsteuer aus, wenn mindestens 90% der Anteile bzw. Beteiligungen auf neue Gesellschafter übergehen. Hierbei sind auch mittelbare Beteiligungen zu berücksichtigen, so dass auch mehrstöckige Erwerbsstrukturen die Entstehung von Grunderwerbsteuer nicht verhindern. 

Die neuen Haltefristen für Personengesellschaften rechnen auch Erwerbe aus der Zeit vor dem 30. Juni 2021 mit ein. So können auch kleine Anteilsverschiebungen bei Personengesellschaften nach dem 30. Juni 2021 zusammen mit Transaktionen aus der Vorperiode Grunderwerbsteuer auslösen. Nur dort, wo ein Anteilseigner am 30. Juni 2021 bereits seit fünf Jahren Gesellschafter einer Personengesellschaft war, bleibt sein vorheriger Anteilserwerb unberücksichtigt und er gilt als sog. Altgesellschafter. 

Bei Kapitalgesellschaften wird diese Form der Besteuerung neu eingeführt wird. Anteilsübertragungen vor dem 1. Juli 2021 bleiben hier unberücksichtigt. Sie zählen nicht als Wechsel im Bestand der Gesellschafter der Kapitalgesellschaft. Hier wird erst ab dem 1. Juli 2021 gezählt. 

Nur noch langfristige Beteiligungen steuerbegünstigt

Gleichzeitig wird die Frist für eine Grunderwerbsteuerermäßigung aufgrund Vorbesitz bei Personengesellschaften von fünf auf fünfzehn Jahre erhöht. Bislang konnte der Gesellschafter einer Personengesellschaft bereits nach fünf Jahren eine Grunderwerbsteuerreduzierung erreichen. Die Reduzierung in Höhe der Altbeteiligung war möglich, wenn er das Grundstück unmittelbar erwarb oder andere Grunderwerbsteuertatbestände verwirklichte.

Diese Vorbehaltensfrist beträgt nach der neuen Rechtslage nun fünfzehn Jahre. So ist nur bei entsprechend langer Beteiligung eine Reduzierung der Grunderwerbsteuer möglich. Ist die Fünfjahresfrist am 30. Juni 2021 bereits abgelaufen, bleibt die Ermäßigung weiter möglich. In allen anderen Fällen gilt hingegen die längere Frist.

Aktuell beschleunigte Transaktionen 

Viele Transaktionen mit Anteilen an grundbesitzenden Gesellschaften werden deshalb aktuell beschleunigt durchgeführt. Das gilt insbesondere für Transaktionen zu grundbesitzenden Kapitalgesellschaften, bei denen einzelne Erwerber weniger als 95% der Anteile erwerben. Hier besteht bis zum 30. Juni 2021 noch die Möglichkeit, bis zu 94,9% der Anteile an einer grundbesitzenden Kapitalgesellschaft grunderwerbsteuerfrei zu erwerben. Auch ein verbleibender Anteil von 5,1% kann grunderwerbsteuerfrei gekauft werden, wenn der Erwerber dieses Anteils eine vom Erwerber der 94,9%-Beteiligung unabhängige dritte Person ist.

Für die 90%-Grenze des Anteilseignerwechsels sind alle Übertragungen an Kapitalgesellschaften vor dem Stichtag nicht zu berücksichtigen. Die Übertragung kleinerer Beteiligungen vor dem 1. Juli ist daher sinnvoll, wenn diese ohnehin in naher Zukunft beabsichtigt war. Auf diese Weise werden die Beteiligungen nicht für den Wechsel im Bestand der Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft gezählt.

Vorsicht ist bei allen nunmehr beschleunigt durchgeführten Übertragungen geboten, wo Transaktionen eine Kartellanmeldung erfordern. Durch die Kartellfreigabe verschiebt sich oft die Wirksamkeit des Vertrages. Erst zu diesem Zeitpunkt entsteht die Grunderwerbsteuer. Da ein Kartellverfahren oft einen Monat oder länger dauert, kommt man in diesen Fällen bereits bei Abschluss einer Transaktion im Juni in die neue Rechtslage, da erst nach dem 1. Juli 2021 mit einer Kartellfreigabe zu rechnen ist.

Reduzierte Grunderwerbsteuer auch weiterhin möglich

Nach dem 1. Juli führt jedoch nicht jede Transaktion zur Auslösung von Grunderwerbsteuern. Bei Personengesellschaften besteht die Möglichkeit, anfallende Grunderwerbsteuer weitgehend zu reduzieren: Dazu müssen zunächst 89,9% der Beteiligung auf den neuen Erwerber übertragen werden. Wird nach Ablauf von fünfzehn – anstatt bisher fünf – weiteren Jahren der restliche Anteil hinzuerworben, fällt die Grunderwerbsteuer nur auf die im zweiten Schritt übertragenen 10,1% an. 

Bei Kapitalgesellschaften sind grunderwerbsteuerlich günstige Strukturen deutlich aufwändiger: Hier entsteht keine Grunderwerbsteuer, wenn Club Deals mit mehreren potenziellen Erwerbern getätigt werden. Voraussetzung ist, dass von ihnen keiner eine Beteiligung von 90% an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft hält. Bereits vor der Transaktion müssen allerdings mehr-stufige Holding-Strukturen bestehen, die bereits einen Beteiligungssplit von weniger als 90% zu mehr als 10% aufweisen. In Einzelfällen können auch sog. Unit Deals, bei denen Immobilienfondsanteile anstelle von Grundstücksgesellschaftsanteilen übertragen werden, eine Steuerfrei-heit ermöglichen. 

Zudem wird bei börsennotierten Gesellschaften künftig nicht durch die einfache Marktaktivität und den fortlaufenden Handel mit Aktien Grunderwerbsteuer ausgelöst, da hierfür eine besondere Befreiung vorgesehen ist. 

Wer also ohnehin überlegt, Anteile an grundbesitzenden Kapitalgesellschaften zu transferieren, sollte damit nicht bis Juli warten, sondern eine vorgezogene Übertragung prüfen.

Dr. Gunnar Knorr ist Partner im Steuerrecht bei Oppenhoff.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Änderungen im Grunderwerbsteuergesetz zum 1. Juli 2021: Bald keine Share Deals mehr . In: Legal Tribune Online, 09.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45143/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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