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Reform der Screening-Verordnung: Auch FDI 2.0 bringt keine EU-weite Har­mo­ni­sie­rung

Gastbeitrag von Horst Henschen

26.09.2024

Symbolbild Investitionen

Bild: gopixa - stock.adobe.com

Die Prüfung ausländischer Direktinvestitionen ist aus dem M&A-Geschäft nicht wegzudenken. Die EU will den hierfür geltenden Rechtsrahmen neu regeln. Horst Henschen erläutert die Ideen.

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Der M&A-Markt mag im Moment nicht boomen, ausländische Investitionen in deutsche und europäische Unternehmen sind aber weiter allgegenwärtig. Gerade strategisch wichtige Sektoren, die auch als relevant für die nationale bzw. wirtschaftliche Sicherheit eingestuft werden können, stehen im Fokus ausländischer Investoren.

Die Prüfung sogenannter Foreign-Direct-Investments (FDI) ist daher in den vergangenen Jahren zum Standard bei Unternehmensbeteiligungen und -übernahmen geworden und die entsprechenden Genehmigungen sind oft Vollzugsvoraussetzungen. Künftig dürfte Die EU-Kommission einen größeren Einfluss auf die Verfahren haben.

Investitionsprüfungen in der EU und in Deutschland

Die Voraussetzungen der FDI-Prüfungen sind in der EU als nationales Recht geregelt, d.h. nur die Mitgliedstaaten führen entsprechende Prüfverfahren durch und können Investitionen freigeben, untersagen oder mit Auflagen versehen. Zwar soll durch die im Jahr 2019 erlassene EU-Screening-Verordnung ein Informationsaustausch zwischen der Kommission und Mitgliedstaaten erleichtert werden, um potenzielle Bedrohungen für die nationale Sicherheit und öffentliche Ordnung in mehreren Mitgliedsstaaten zu koordinieren; jedoch verleiht diese Verordnung der Kommission selbst keine Untersagungsrechte.

Im Januar 2024 hat die EU-Kommission einen Entwurf für die Erneuerung der Verordnung vorgelegt. Zur Debatte steht unter anderem ein stärker von der EU vorgegebener Mindeststandard in der Investitionskontrolle, der sich sowohl auf das Prüfungsverfahren als auch auf den Katalog der als sensitiv eingeschätzten Tätigkeiten der Zielgesellschaft bezieht. Der Entwurf wird derzeit intensiv diskutiert. Dabei kommt es erstmals zu einer systematischen EU-weiten Beratung zwischen den Mitgliedstaaten und der EU-Kommission über die erforderlichen Mindeststandards.

Einmal verabschiedet, werden alle Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen an die neuen Vorgaben der EU-Screening-Verordnung anpassen müssen. Dies wird weitreichende Überarbeitungen der bestehenden nationalen Vorschriften nach sich ziehen – die gegenwärtigen Beratungen schreiben ein neues FDI-Kapitel in der Europäischen Union.

Ausweitung der Investitionsprüfungsregime

Grundsätzlich sind Auslandsinvestitionen in der gesamten EU erwünscht. Zu bedenken ist jedoch, dass ausländische Investoren nicht nur wirtschaftliche, sondern auch geopolitische Interessen verfolgen können. Treibend ist dabei die Sorge um die nationale Sicherheit und den Verlust wirtschaftlicher Souveränität. Die Risikoeinschätzung der möglichen Gefahren durch die Beteiligung ausländischer Investoren an bestimmten Zielgesellschaften, abhängig von deren spezifischen Tätigkeiten, bestimmt letztlich, wie rigoros FDI-Regime sein sollten.

Insbesondere mit der Globalisierung sind erhebliche Abhängigkeiten in den Lieferketten entstanden. Zudem gibt es mit China einen "Systemrivalen", der im Bereich der Hochtechnologien wie Computerchips, Quantum-Technologie, Künstliche Intelligenz etc. vor allem von den USA mit Argusaugen betrachtet wird. Know-how-Abflüsse im Verteidigungssektor oder im Bereich von Hochtechnologien sowie Resilienz in der Versorgung und in den Lieferketten sind daher die Schlagworte, um die herum die FDI-Regime ausgerichtet sind.

Blick in die deutsche Praxis

Auch in Deutschland gibt es kein Vorbei am Thema: Anfang Juli 2024 wurde der Erwerb der VW-Tochter MAN Energy Solutions durch eine Tochtergesellschaft des chinesischen Werftkonzerns China State Shipbuilding Corp untersagt. Für große Diskussionen hatte zuvor auch der Einstieg der chinesischen Reederei Cosco bei einem Containerterminal des Hamburger Hafens gesorgt. Hier hatte die Bundesregierung nach erheblichen internen Debatten die Cosco-Beteiligung zwar nicht vollständig untersagt, aber auf unter 25 % limitiert.

Unternehmensübernahmen oder -beteiligungen können nach der deutschen Außenwirtschaftsverordnung (AWV) bereits ab dem Erwerb von 10 % der Stimmrechte einer Meldepflicht unterliegen. Sensitiv sind Investitionen in den Bereichen Verteidigung, Kritische Infrastruktur, Gesundheitswesen sowie in zahlreiche Technologietätigkeiten. Kontrovers diskutiert wird, inwieweit in Zukunft einige dieser definierten sensitiven Tätigkeiten verschärft oder abgemildert werden sollten. Diese Definitionen dienen als "Filter", denn sie bestimmen wie viele Transaktionen tatsächlich angemeldet werden.

Anpassungen erscheinen notwendig und werden erfolgen – fraglich ist nur das Wie und Wann. In Bezug auf das Wie steht im Raum, die bisher im Außenwirtschaftsgesetz (AWG) bzw. in der AWV verstreuten Regelungen in ein neues und eigenständiges Investitionsprüfungsgesetz (IPG) zu überführen. Hierfür machen sich viele Praktiker stark. Für den Inhalt der Reform bedeutet dies noch nichts. Das Wann hängt von der Einigung über die neue EU-Screening-Verordnung ab.

Inhaltlich wird eine Reform neben der Neubewertung der zurzeit definierten sensitiven Tätigkeiten weitere Fragen klären müssen, zum Beispiel ob künftig auch sogenannte Greenfield-Investitionen erfasst werden. Dabei handelt es sich um Investitionen, bei denen ein Unternehmen neue Produktionsanlagen oder Infrastruktur von Grund auf errichtet, anstatt bestehende Vermögenswerte zu erwerben. Überlegt wird auch, inwieweit Technologieabflüsse durch Vergabe von Lizenzen in den Anwendungsbereich der AWV einbezogen werden sollten.

Schließlich sind Investitionen in Deutschland außerhalb des Verteidigungsbereichs bislang nur dann prüfbar, wenn die Investorengruppe von außerhalb der EU bzw. der Europäischen Freihandelsassoziation (EFTA) stammt. Andere Mitgliedstaaten beziehen auch Investoren aus der EU in die Anmeldepflichten mit ein oder – wie die Niederlande und Rumänien – prüfen sogar rein nationale Erwerbe. So wurde innerhalb der EU kürzlich einem ungarischen Unternehmen untersagt, den spanischen Zughersteller Talgo zu übernehmen.

Ergänzung des Schutzsystems – Outbound-Investments

Besonders auf Druck aus den USA wird in der EU und in Deutschland außerdem eine Regelung zur Limitierung sog. Outbound-Investitionen diskutiert. Darunter werden Investition von europäischen Unternehmen in Ländern außerhalb der EU verstanden.

Auch die Bewertung solcher Outbond-Investments hängt vom Gefährdungspotential ab, dass man solchen Investitionen beimisst. Beispielhaft – wenn auch nicht aus der EU heraus – sind hier die gerade von Samsung und TSMC evaluierten Multi-Milliarden-Investitionen in Chipfabriken in den Vereinigten Arabischen Emiraten zu nennen. Dies ist eine Region, die geopolitisch als Bindeglied fungieren könnte; Kritiker befürchten eine mögliche Weitergabe von Know-how mit Blick auf die entsprechenden Hochtechnologien. Hierfür eine EU-weite Regelung zu finden, wird schwierig werden.

Weiterhin keine einheitliche Regelung in der EU

Der Schutz der nationalen Sicherheit und öffentlichen Ordnung durch die Kontrolle von Auslandsinvestitionen ist eine zusätzliche Bürde im Rahmen von M&A-Transaktionen. Ihre Rechtfertigung bezieht sie aus dem jeweils aktuellen geopolitischen Risikopotential konkreter Auslandsinvestitionen.

Derzeit sind die Mitgliedstaaten für die Regelung und Durchführung der FDI-Prüfungen zuständig. Trotz einer Koordinierungs-Verordnung der EU besteht daher eine Vielzahl unterschiedlicher Regelungen innerhalb der EU.

Die aktuellen Reformdiskussionen zur EU-Screening-Verordnung führen erstmals dazu, dass alle Mitgliedstaaten und die EU-Kommission gemeinsam wichtige Mindeststandards für die nächste Verordnung diskutieren und festzurren. Die dann vereinbarten Standards werden zu umfangreichen Anpassungen auf nationaler Ebene führen. Eine EU-weit einheitliche Regelung wird es jedoch auf absehbare Zeit nicht geben.

 

Horst HenschenLouisa KernDer Autor Horst Henschen ist als Of Counsel im Bereich FDI und im Kartellrecht bei Covington & Burling LLP in Frankfurt am Main tätig. Er ist Gründungsmitglied des Forum Investitionsprüfung e.V. Louisa Kern war bei der Erstellung des Beitrags behilflich.

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Reform der Screening-Verordnung: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55507 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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