Götz Kaßmann, neuer Präsident des Berufsverbandes BUJ, hat sich viel vorgenommen. Er will das Syndikusrechtsanwaltsgesetz verbessern, Rechtsabteilungen für den War for Talents rüsten und die Digitalisierung der Rechtsberatung vorantreiben.
LTO: Herr Kaßmann, sie sind schon viele Jahre im Präsidium des Bundes der Unternehmensjuristen (BUJ), nun wurden Sie zum Präsidenten gewählt. Was ist der Grund für Ihr Engagement?
Götz Kaßmann: Nun, ich bin grundsätzlich ein großer Freund von Netzwerken. Als ich im Jahr 1998 zu Schüco nach Bielefeld gekommen bin, habe ich zusammen mit einigen anderen Kollegen einen Erfa-Kreis aus Unternehmensjuristen gegründet, dem inzwischen 35 Unternehmen aus der weiteren Region Ostwestfalen-Lippe/Münster angehören.
Als der BUJ im Jahre 2011 gegründet wurde, war es daher für mich nur konsequent, in diesen Verband der Unternehmensjuristen einzutreten – zumal ich mich mit seinen Zielen sofort identifiziert habe. Insofern habe ich mich auch gefreut, als ich im Jahre 2013 in das Präsidium gewählt wurde. Ich komme ja aus einer kleinen Rechtsabteilung und finde es wichtig, auch diesen eine Stimme im Präsidium zu geben. Dort sitzen ansonsten ja vor allem Vertreter aus Unternehmen mit großen Rechtsabteilungen.
LTO: In der Tat, die bisherigen BUJ-Präsidenten standen an der Spitze von großen Rechtsabteilungen, etwa Lufthansa oder Linde. Was wollen Sie anders machen?
Kaßmann: Was die rechtspolitische Arbeit meiner Vorgänger angeht, so will ich diese fortsetzen. Hier gibt es keinen Anlass, etwas besser oder anders machen zu wollen. Allerdings möchte ich den Vernetzungsgedanken weiter betonen.
Als Vertreter einer kleinen Rechtsabteilung spüre ich besonders, wie sehr man von einem starken Netzwerk profitieren kann. Oft haben Leiter von kleinen Rechtsabteilungen ja das Gefühl, mit ihren Problemen alleine dazustehen. Durch den Austausch mit Kollegen spürt man aber schnell: Dem ist nicht so, andere haben ganz ähnliche Schwierigkeiten.
Übrigens entsteht zwar nach außen hin oft der Eindruck, dass dem BUJ vor allem Unternehmensjuristen aus großen Unternehmen und Konzernen angehören. Das ist aber nicht richtig. Die Mehrheit unserer Mitglieder arbeitet in kleinen und mittelgroßen Rechtsabteilungen, also solchen, denen bis zu 15 Juristen angehören.
"Die Urteile vom April 2014 waren verheerend"
LTO: Wichtiges Ereignis für Unternehmensjuristen war die Einführung des Syndikusrechtsanwaltsgesetzes (SRA-Gesetz) Anfang 2016. Wie haben Sie das erlebt?
Kaßmann: Wir waren sehr froh. Froh darüber, dass die Anstrengungen gelungen sind, das SRA-Gesetz erreicht zu haben. Das war eine große Erleichterung für uns, denn die Urteile vom April 2014 waren verheerend, ein großer Schock für uns Unternehmensjuristen. Im Grunde haben wir damit ja ins Buch geschrieben bekommen: Du bist kein Anwalt! Das Berufsrecht der Synidzi war bis dahin nicht kodifziert, und man hat sich lange mit Dogmatik beholfen. Durch die Urteile wurde der Handlungsbedarf sichtbar.
Es wurden sodann lange sowohl eine berufsrechtliche wie auch eine sozialrechtliche Lösung – mitunter sehr hitzig - diskutiert. Wir sind besonders glücklich, dass sich der Gesetzgeber für die berufsrechtliche Lösung gefunden zu haben. Hier hat sich die Kraft des Verbandes gezeigt, und man kann der damaligen Präsidentin Elisabeth Roegele wie auch ihrem Nachfolger Solms U. Wittig und der Geschäftsführerin Marie-Alix Ebner von Eschenbach gar nicht genug für ihr immenses Engagement in der Sache danken. Letztlich machen wir alle die Verbandsarbeit nur im Ehrenamt, im Zweifel geht der Hauptberuf immer vor.
2/3 Das SRA-Gesetz: ein Meilenstein
LTO: Sind Sie rundum zufrieden mit dem Gesetz?
Kaßmann: Der Gesetzgeber hat eine Evaluationsphase bis 2018 vorgesehen, innerhalb derer das Gesetz überprüft werden soll. Ein Thema wird sein, dass mit dem SRA-Gesetz auch die anwaltlichen Berufspflichten Einzug in die Unternehmen halten, und das kann durchaus große Auswirkungen haben. Das Verbot der Vertretung widerstreitender Interessen etwa spielt innerhalb eines Konzerns durchaus eine Rolle. Auch die Frage, wie wir die Verschwiegenheitspflicht umsetzen - ob man etwa Mitarbeiter und nichtjuristisches Personal verpflichtet, Verschwiegenheitserklärungen zu unterschreiben -, müssen wir in der Praxis klären.
Um es klar zu sagen: Die Berufspflichten gelten für niedergelassene Anwälte und Syndikusrechtsanwälte gleichermaßen, dafür haben wir ja auch gekämpft. Aber die Frage, wie sie genau im Einzelnen ausgeprägt sein müssen, damit sie im Unternehmen handhabbar sind, wird wohl in manchen Einzelfragen noch zu klären sein.
LTO: Mit dem SRA-Gesetz haben Sie eine weitgehende Gleichstellung von Syndikus und Rechtsanwalt erreicht, das war seit der Gründung ein wichtiges Ziel des Verbandes. Was gibt es also noch zu tun für den BUJ?
Kaßmann: Mit dem Gesetz liegt sicherlich ein Meilenstein hinter uns und man könnte sich in der Tat fragen: Was nun? Allerdings steigen unsere Mitgliederzahlen auch nach der Einführung des Gesetzes. Das zeigt doch, dass die Unternehmensjuristen nach wie vor die Notwendigkeit sehen, sich zu engagieren. Es gibt wichtige Zukunftsthemen, etwa die Digitalisierung der Rechtsberatung und den Einsatz von Legal Tech, die wir als Verband begleiten wollen.
Digitalisierung und die Folgen für Unternehmensjuristen
LTO: Was glauben Sie, wie die Rechtsabteilung der Zukunft aussieht?
Kaßmann: Durch die Digitalisierung werden sich die Aufgaben verlagern: Standardarbeit wird automatisiert, damit werden wiederum Ressourcen frei. Diese können dafür eingesetzt werden, die komplexen neuen Fragen, die sich ergeben - etwa nach dem Eigentum von Daten -, angemessen zu beantworten.
Das bedeutet für Unternehmensjuristen, dass sie künftig viel stärker in die Geschäftspraktiken einbezogen sein werden, einen viel tieferen Einblick in das operative Geschäft haben werden als bislang. Sie müssen dabei noch viel proaktiver als vielleicht bislang agieren, um als wertgeschätzte "Business Enabler" von den Inhouse-Mandanten wahrgenommen zu werden.
LTO: Gilt das für große und kleine Rechtsabteilungen gleichermaßen?
Kaßmann: Die Aufgabenstellungen sind gleich, ja. Ein Unterschied ist, dass die großen Rechtsabteilungen mehr Ressourcen haben. Der Leiter einen kleinen Abteilung, der womöglich sogar der einzige Jurist im Unternehmen ist, wird eher als Mittler gegenüber der Geschäftsleitung auftreten. Unsere Studie zur Digitalisierung hat gezeigt, dass die Budget-Frage immens wichtig ist, wenn es um die Digitalisierung der Rechtsberatung und den Einsatz von Legal Tech geht. Hier gibt es in großen Unternehmen häufig eine größere Bereitschaft, in Software-Lösungen zu investieren als vielleicht in kleinen Unternehmen, in denen der Unternehmensjurist darum sicherlich mehr werben muss.
3/3 Frauenförderung und der War for Talents
LTO: Abgesehen von der Digitalisierung, welche weiteren Themen sehen Sie auf sich zukommen?
Kaßmann: Uns beschäftigt die Frage, wie wir in Zukunft arbeiten werden. Wir beobachten einen Kulturwandel in den Unternehmen und damit auch in den Rechtsabteilungen. Dabei stehen vor allem die "Generation Y" als Mitarbeiter und Frauen in Führungspositionen im Fokus. Wir wollen die Potenziale, die gerade auch bei Frauen vorhanden sind, noch weiter fördern.
LTO: Wie wollen Sie das machen? Werden Sie eine Fachgruppe Frauenförderung gründen?
Kaßmann: Das nun gerade nicht. Aber wir wollen u.a. den Austausch darüber fördern, wie man z.B. mit praktischen Fragen wie Home Office und Teilzeit in Führungspositionen heutzutage umgeht. Die Diskussion unter unseren Mitgliedern hat gezeigt, dass vieles schon sehr gut klappt. Der Wandel hat längst begonnen. Wenn Sie im War for Talents bestehen wollen, geht das heutzutage nicht mehr ohne flexible Arbeitszeiten. Das gilt im Übrigen für Männer wie Frauen gleichermaßen.
LTO: Wie bestehen Sie denn im War for Talents gegenüber Kanzleien, die Berufsanfängern ein Jahresgehalt von 140.000 Euro versprechen? Solch eine Summe bekommen in vielen Firmen wohl nur Mitarbeiter im oberen Management, nicht aber ein junger Berufseinsteiger in der Rechtsabteilung
Kaßmann: Nun, die 140.000 Euro sind das bislang bekannt gewordene Spitzengehalt, es wird dem Vernehmen nach nur von einer Kanzlei bezahlt. Aber es ist richtig, dass viele Großkanzleien in der letzten Zeit das Einstiegsgehalt erheblich angehoben haben und inzwischen 120.000 Euro bezahlen. Diese Summen will ich gar nicht kommentieren, nur so viel: Auch in den Unternehmen finden wir nach wie vor genügend junge, leistungswillige und gute Juristinnen und Juristen, die in Rechtsabteilungen arbeiten wollen, d.h. auch Unternehmen sind für Berufseinsteiger attraktive Arbeitgeber.
LTO: Vielen Dank für das Gespräch, Herr Kaßmann.
Götz Kaßmann wurde am 26. Januar zum Präsidenten des Bundesverbandes der Unternehmensjuristen e.V. (BUJ) gewählt. Er ist Leiter Recht und Compliance des Bauzulieferers Schüco International KG mit Sitz in Bielefeld.
Anja Hall, Unternehmensjuristen: "Die Urteile waren verheerend" . In: Legal Tribune Online, 02.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21971/ (abgerufen am: 26.04.2024 )
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