Krisen-Kommunikation für Kanzleien: Antworten für alle Fälle

von Henning Zander

24.02.2015

Rechtsanwälte sind Experten im Umgang mit Krisen. Doch was ist, wenn die eigene Kanzlei plötzlich in einer steckt, etwa weil Vergewaltigungsvorwürfe gegen einen Ex-Partner öffentlich werden oder Schadensersatzklagen wegen Falschberatung drohen? Was tun, wenn die Staatsanwaltschaft vor der Tür steht und ein Fernsehteam ein Interview einfordert? Ein Gespräch mit der PR-Beraterin Ursula Triller.

LTO: Frau Triller, Sie unterstützen Kanzleien bei der Krisen-Kommunikation. Wie muss man sich Krisen vorstellen, mit denen sich Ihre Kunden beschäftigen?

Triller: Im Wesentlichen kann man drei Fälle unterscheiden: Zum einen geht es um Medienberichte zu sensiblen Themen, zu denen kurzfristig eine Stellungnahme gefordert ist. Dann sind es Fragen der Litigation-PR während eines Gerichtsverfahrens. Und es geht um die richtige Kommunikation von kritischen Themen - wie etwa dem Weggang von Partnern.

LTO: Wie sollte eine erste Reaktion im Krisenfall aussehen?

Triller: Das Wichtigste ist es, sich erst einmal Informationen über den Sachverhalt zu verschaffen. Was ist passiert? Wie ist dies zu bewerten? Wie ist die Sicht der Kanzlei dazu? Natürlich ist es auch wichtig, dass die Kanzlei im Vorfeld schon mögliche Krisen antizipiert. Wir entwickeln hierfür mit den Kunden mögliche Szenarien: Wie geht man vor, wenn man öffentlich in die Kritik gerät und im Extremfall ein Fernsehteam vor der Tür steht? Dann müssen auch Entscheidungs- und Kommunikationswege klar sein. Selbst die Dame am Empfang muss dann wissen, dass entsprechende Anfragen an Herrn Müller weitergeleitet werden, auch wenn Herr Müller gerade unterwegs ist.

"Die Hoheit über die Information behalten"

LTO: Was raten Sie Ihren Kunden: Die Offensive, mit Pressekonferenzen und Statements? Oder eher Schweigen und Aussitzen?

Ursula Triller Triller: Letztendlich gibt es nicht die eine Strategie, sondern ein Bündel von Strategien aus denen man die jeweils richtige filtern muss. Natürlich ist es möglich, dass eine Kanzlei schlicht nichts sagen darf. Doch grundsätzlich gilt: Überhaupt nicht zu reagieren und gar nichts zu sagen, ist selten eine gute Lösung, weil man dann die Hoheit über die Information verliert.

Wenn eine Redaktion anruft, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass ein Bericht in Vorbereitung ist – egal, ob die Kanzlei oder ihr Mandant sich äußert oder nicht. Es kann also sinnvoll sein, seine Sicht der Dinge darzustellen. Oder, wenn man nicht offen kommunizieren kann oder möchte, ausgewählten Journalisten zum Beispiel ein Hintergrundgespräch anzubieten, in dem man seine Position klar macht.

LTO: Was raten Sie Ihren Kunden für diese Gespräche?

Triller: Ähnlich wie andere wichtige Gespräche muss man auch Journalistengespräche vorbereiten. Daher besprechen wir mit unseren Kunden im Vorfeld mögliche Fragen und Antworten. Es ist wichtig, dass die Anwälte den Sachverhalt so erklären, dass ein Journalist, der mit dieser speziellen Thematik nicht vertraut ist, sie nachvollziehen kann.

LTO: In Zeiten von Facebook und Co. breiten sich schlechte Nachrichten noch schneller aus als früher. Wie wichtig sind die sozialen Medien bei der Krisen-Kommunikation?

Triller: Für uns sind soziale Netzwerke ebenso Medien wie Zeitungen oder Fernsehen: Sie sind für die Reputation sehr wichtig. Deshalb betreiben wir für unsere Kunden auch ein Monitoring-System, mit dem wir die Kommunikation etwa auf Twitter und Facebook im Blick behalten können. Wir können zum Beispiel bestimmte Begriffe beobachten, damit wir gleich wissen, wo eine Diskussion hochkocht, die für unseren Kunden von Belang ist. Darüber hinaus lesen wir aber auch laufend, was die 30 bis 40 wichtigsten Journalisten und Blogger online veröffentlichen.

LTO: Was machen Sie, wenn irgendwo ein Gerücht oder ein sehr kritischer Bericht über einen Kunden erscheint? Schließlich droht immer die Gefahr eines Shitstorms, in dem sich sehr schnell sehr viele Menschen einer negativen Meinung anschließen.

Im Shitstorm Ruhe bewahren

Triller: In sozialen Netzwerken ist man es ja gewöhnt, schnell zu reagieren. Aber hier lohnt es sich doch, erst einmal innezuhalten und zu überlegen, wie man vorgehen sollte. Auch hier gilt wieder, dass man feststellen muss: Was weiß ich über den Fall? Was steckt dahinter? Wie ist der 140 Zeichen-Kommentar bei Twitter oder der Facebook-Post tatsächlich gemeint? Müssen wir schon eingreifen, oder erst ab einer höheren Eskalationsstufe?

LTO: Was ist aus Ihrer Sicht dabei zu beachten?

Triller: Wichtig ist es, dass man auf dem jeweiligen Kanal reagiert: auf einen Twitter-Kommentar über Twitter, auf einen Facebook-Post über Facebook. Mit einer Pressemitteilung auf der eigenen Webseite ist das Problem nicht gelöst, es sei denn, in einem Tweet oder Post wird auf die Mitteilung verwiesen. Bei undifferenzierter Kritik sollte man darum bitten, dass die Kritik konkretisiert wird. Dann wird es auch leichter, ihr den Wind aus den Segeln zu nehmen.

LTO: Und wenn der Shitstorm tatsächlich da ist?

Triller: Ist er erst einmal da, dann ist ein Shitstorm kaum zu bremsen. Dann gilt es, zu verhindern, dass er den Kommunikationskanal verlässt, zum Beispiel von klassischen Medien aufgegriffen wird, die aktuell noch mehr Mandanten unserer Kunden erreichen. Dann kann es sinnvoll sein, das Gespräch mit Journalisten zu suchen und sie über die Hintergründe zu informieren.

LTO: Lassen sich all diese Krisen durch Kommunikation lösen oder denken Sie, dass auch manchmal rechtliche Schritte notwendig sind?

Triller: Wenn Vorwürfe offensichtlich rechtswidrig sind, sind auch juristische Schritte denkbar. Was soziale Netzwerke betrifft, wirken solche Maßnahmen aber nicht schnell genug. Der Journalist oder Online-Kritiker, gegen den eine Kanzlei irgendwann mal eine Gegendarstellung durchgesetzt hat, wird sich außerdem weiter mit dem Thema beschäftigen und weiter berichten. Da ist es oft besser, das Problem kommunikativ und konstruktiv zu lösen.

Ursula Triller arbeitete nach ihrem BWL-Studium als Wirtschaftsredakteurin, u.a. in der Redaktion der Wirtschaftswoche und beim Stern. Seit 2003 berät sie mit ihrer Agentur Triller Communication  Wirtschaftskanzleien, Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Private-Equity-Unternehmen bei allen Fragen und Themen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.

Zitiervorschlag

Henning Zander, Krisen-Kommunikation für Kanzleien: Antworten für alle Fälle . In: Legal Tribune Online, 24.02.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14779/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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