Personalprogramme gibt es in vielen Kanzleien, und meist liegt der Fokus auf Frauenförderung. Warum das nicht unbedingt sinnvoll ist, erklärt Diane Manz, die als Personalverantwortliche bei Ashurst ein eigenes Konzept entwickelt hat.
LTO: Personalentwicklungsprogramme gibt es inzwischen in fast jeder Kanzlei. Was war die Motivation bei Ashurst, ebenfalls ein solches Konzept zu erstellen?
Diane Manz: Unsere Hauptmotivation war, Ashurst als Arbeitsplatz noch attraktiver zu machen, wobei wir den Schwerpunkt unseres Konzepts auf die Bereiche Flexibles Arbeiten, Familienförderung und Diversity gelegt haben. In diesem Zusammenhang wollten wir zum einen klarere Regeln definieren: Welche sind die Voraussetzungen für ein Secondment? Wann kann ein Sabbatical genommen werden? Hier wurde zuvor auf individueller Ebene verhandelt. Die Kriterien waren nicht transparent und gaben Raum für Spekulationen - die manchmal in eine für uns falsche Richtung liefen.
LTO: Und der zweite Grund?
Manz: Außerdem wollten wir eine zentrale Anlaufstelle für alle derartigen Anfragen schaffen. Bevor es das Programm gab, verhandelte jeder Associate seine Arbeits- und Elternzeiten oder Weiterbildungen individuell mit seinem Partner und der Personalabteilung. Es gab keine festgeschriebenen Richtlinien. Die Ergebnisse in den einzelnen Abteilungen unterschieden sich daher zum Teil deutlich. Jetzt ist die Personalabteilung der zentrale Ansprechpartner, um in Absprache mit dem Partner sicherzustellen, dass die Wünsche in jeder Abteilung gleich gehandhabt und auf Basis des Konzepts umgesetzt werden.
Keine reine Frauenförderung
LTO: Was kam inhaltlich zu den bereits bestehenden Personalentwicklungs-Angeboten hinzu?
Manz: Es gab natürlich vorher schon Weiterbildungsmaßnahmen, Teilzeit und Home Office. Ursprünglich hatten wir tatsächlich nur geplant, den Bereich Diversity auszubauen. Doch manchmal landet man eben nicht da, wo man es ursprünglich geplant hatte. Unser Blick hat sich durch die intensive Auseinandersetzung mit Diversity erheblich verändert und erweitert.
Zu Beginn bedeutete Diversity für uns im ersten Schritt Frauenförderung. Denn wie in vielen anderen Kanzleien, ist der Frauenanteil auch bei Ashurst in den Partnerriegen noch unzureichend. Wir erarbeiteten mit unseren Anwältinnen in Workshops deren Bedürfnisse heraus.
Doch während wir das Personalprogramm konzipierten und dafür auch mit männlichen Anwälten sprachen, wurde klar, dass sich unser Programm an alle Anwälte richten sollte. Denn die meisten Punkte sind gar nicht so frauenspezifisch, wie man früher immer dachte. Das wird besonders deutlich, wenn man über die Forderungen der sogenannten Generationen Y und Z nachdenkt.
LTO: Sie bieten also keine Rhetorik-Kurse extra für Frauen an?
Manz: Nein, das tun wir eben nicht. Denn Rhetorik- und Verhandlungsgeschick müssen ja auch Männer erlernen. Und vormals klassische Frauenthemen wie Elternzeit und Kinderbetreuung betreffen zunehmend auch die Väter. Die Frage der Vereinbarkeit von Privat- und Arbeitsleben beschäftigt beide Elternteile. Sie erwarten große Flexibilität des Arbeitgebers, sind aber gleichzeitig bereit, dafür viel zu geben.
Wir wollten eben nicht die Männer in bestimmten Punkten benachteiligen. Oder Personen, die keine Kinder haben. Denn warum sollten kinderlose Anwälte zum Beispiel keinen Anspruch auf Sonderurlaub haben?
Von Parental Coaching bis Elder Care
LTO: Woher haben Sie sich die Ideen für das Programm geholt?
Manz: Unser Anspruch war, in einer möglichst breiten Palette von Quellen Informationen zu sammeln. Zum einen befragten wir unsere Anwälte im Rahmen informeller Gespräche. Darüber hinaus recherchierten wir online in Personalportalen und sprachen mit Kontakten aus unseren erweiterten, beruflichen Netzwerken. Schließlich war es natürlich auch wichtig zu schauen, was Wettbewerber anbieten.
LTO: Welche Punkte sind für Sie besonders fortschrittlich?
Manz: Ich bin gespannt, wie sich das Parental Coaching entwickelt. Es ist abgeleitet vom Maternity Coaching und bedeutet, dass jemand, der aufgrund seines neugeborenen Kindes einige Zeit vom Beruf aussetzen möchte, dies in Begleitung eines Coachs tut. Der Coach spricht mit der Person, bevor sie die Kanzlei verlässt, während der Abwesenheit und beim Wiedereinstieg. Die enge Begleitung soll dabei unterstützen, wie man im Vorfeld die Übergabe organisiert, wie man den Anschluss nicht verliert und später mit der Doppelrolle umgeht.
Andere Punkte, die ich wichtig finde, sind das ‚Unconscious Bias Training‘ - also die Sensibilisierung bezogen auf unbewusste Vorurteile als Entscheidungsgrundlagen - und ‘Elder Care‘ - also die Pflege von älteren Menschen im privaten Umfeld. Noch ist Letzteres zwar kein Thema, aber es wird unweigerlich auf uns zukommen.
2/2 Sechsmonatige Planungsphase
LTO: Wie lange hat es gedauert, bis das Konzept umgesetzt war?
Manz: Vom ersten Gedanken bis zum offiziellen Startschuss sind etwa anderthalb Jahre vergangen. Doch da ist der gesamte Vorlauf mit ersten Gedankenspielen zum Thema Frauenförderung mit eingeschlossen. Es wurde ja dann schnell viel größer. Die konkrete Planungsphase umfasste schließlich rund sieben Monate. Da hatte sich das Kernteam gefunden, die inhaltlichen Meetings begonnen und wir stellten einen festen Zeitplan auf. Durch die Sommerferien verschob sich die Einführung um vier Wochen.
Ich schätze, dass sechs Monate für eine derartige Planung realistisch sind. Es dauert eben seine Zeit, bis man alle Informationen zusammen hat, sie aufbereitet und die Entscheider überzeugt hat.
LTO: Was sollte man beachten, wenn man das Programm offiziell vorstellt?
Manz: Am Wichtigsten ist natürlich die Zustimmung der gesamten Partnerschaft. Bei der Präsentation sollte man sehr gut vorbereitet sein und alle nötigen Informationen zur Hand haben. Idealerweise kann man einzelne Punkte wissenschaftlich belegen, zum Beispiel mit Studien zur Generation Y und Z oder zum Zusammenhang zwischen der Zufriedenheit der Mitarbeiter und dem Geschäftserfolg des Unternehmens. Meist kennt man die einzelnen Partner ja und weiß, wer skeptische Fragen stellen könnte. In solchen Fällen hilft es, Positivbeispiele zu nennen, etwa aus anderen Abteilungen.
Die Präsentation selbst würde ich so einfach wie möglich gestalten. Es hilft der Sache nicht, wenn man die Zuhörer mit Informationen überfrachtet. Da bin ich lieber auf die Nachfragen gut vorbereitet.
LTO: Und wie sagt man es den Associates?
Manz: Wem Transparenz wichtig ist, der sollte seine angestellten Anwälte mit so viel Informationen wie möglich versorgen. Uns ist dieser Punkt sehr wichtig und deshalb haben wir ausführlich dargestellt, wie die einzelnen Inhalte aussehen, was die Voraussetzungen sind, wie unsere Entscheidungsfindung verlief und wir haben sogar den gesamten Weg von der Planung bis zur Umsetzung nachgezeichnet. Außerdem können die Anwälte jederzeit jemanden aus dem Projektteam ansprechen, wenn sie weitere Fragen haben.
Regelmäßige Evaluation
LTO: Wie werden Sie überprüfen, ob das Konzept auch wirklich so funktioniert, wie Sie sich das vorstellen?
Manz: Damit ein neues Personalprogramm von allen Anwälten angenommen wird, ist es sicher von Vorteil, wichtige Partner mit in die Planung und Umsetzung einzubeziehen. Unser Kernteam besteht sowohl aus Anwälten als auch Personalern, konkret aus dem Managing Partner in Deutschland, dem Head of Germany, zwei langjährigen Partnerinnen und mir. So hat man die Entscheider frühzeitig im Boot geholt und vermeidet darüber hinaus, dass das Programm den Stempel ‘Erfunden von der Personalabteilung‘ trägt.
Wir möchten es in regelmäßigen Abständen evaluieren, etwa alle sechs Monate. Da klopfen wir dann bei den Partnern ab, wie ihre eigenen Erfahrungen waren und wie es die Anwälte in ihren Teams angenommen haben. Und wir werden prüfen, welche Angebote in Anspruch genommen wurden. Bereits jetzt ist das Feedback positiv. Denn wenngleich viele Anwälte noch keines der Angebote in Anspruch nehmen möchten, wurden wir dennoch gelobt, dass die Kanzlei sich überhaupt mit den Themen beschäftigt und so transparent damit umgeht.
LTO: Zusammenfassend: Welche Tipps würden Sie anderen Kanzleien geben, die ein Personalprogramm planen?
Manz: Essenziell ist auf jeden Fall eine Bedarfsanalyse unter den Rechtsanwälten. Die Menschen, die es später betrifft, sollten Einfluss auf die Inhalte nehmen können.
Bevor man es einführt, sollte man außerdem versuchen, so viel Konsens wie möglich zu finden bei denjenigen, die später an der Umsetzung beteiligt sind. Denn der Rückhalt der Partnerschaft ist die Grundvoraussetzung für jedes erfolgreiche Programm.
Diane Manz (45) ist Senior HR Manager und seit 2001 bei Ashurst tätig. Das Personalprogramm "FLEXible EXcellence" besteht aus den vier Pfeilern Flexibles Arbeiten, Familienförderung, Vielfalt & Einbindung sowie Training & Entwicklung mit je vier bis fünf einzelnen Bausteinen.
Désirée Balthasar, Mehr als Rhetorik-Kurse für Frauen: "Wir wollten die Männer nicht benachteiligen“ . In: Legal Tribune Online, 15.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17866/ (abgerufen am: 18.04.2024 )
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