Personalentscheidungen mit "unconscious bias": Trü­ge­ri­sches Bauch­ge­fühl

von Désirée Balthasar

21.07.2016

Vielfalt, Offenheit, Wohlfühlatmosphäre, Empathie - was davon braucht es in einer Kanzlei? Alles. Denn Schubladendenken und unbewusste Vorurteile verhindern Vielfalt in den Personalstrukturen. Mit handfesten finanziellen Folgen.

Was meinen Sie: Wie verbringt eine Anwältin, die in Teilzeit arbeitet und zwei Kinder versorgt, ihre Abende und Wochenenden? Auf dem Sofa mit einem Kinderbuch in der Hand, jeweils ein Kind im rechten und linken Arm? Genüsslich im großen Spaghetti-Topf rührend? Schnatternd am Telefon mit anderen Müttern? Oder konzentriert am PC, den Schriftsatz formulierend, den Pitch vorbereitend, Umsatzzahlen checkend?

Der Filter, durch den wir die Welt wahrnehmen

Unsere eigenen Erfahrungen und Erzählungen von anderen lehren uns, wie wir einen Menschen einschätzen, wenn wir lediglich zwei oder drei Merkmale kennen. "Diese Kategorisierung nimmt jeder Mensch jeden Tag unzählige Male vor", sagt Jessica Gedamu vom Beratungs- und Forschungsinstitut EAF Berlin. "Das ist an sich nichts Verwerfliches, sondern ganz normal. Schwierig wird es erst dann, wenn damit Wertungen verbunden sind und diese auf ganze Personengruppen übertragen werden." Denn dann entstehen Vorurteile und Stereotype, die auch im Berufsleben weitreichende Folgen haben.

"Im Grunde sind wir alle davon betroffen", sagt Gedamu, die als Diversity-Beraterin Unternehmen darin unterstützt, die personelle Vielfalt zu erhöhen. "Jeder von uns hat bereits Erfahrungen mit 'vorschnellen' Einschätzungen zu seiner Person gemacht, die überhaupt nichts mit dem eigenen Charakter zu tun hatten." Der unbewusste Teil des Gehirns sei durch Vorurteile und Stereotype regelrecht verzerrt, so die Beraterin. "Sie stellen den Filter dar, durch den wir die Welt wahrnehmen."

Die Macht des Unbewussten

Der englische Begriff 'unconscious bias' bezeichnet derartige unbewusste Denkmuster. Die nutzt das menschliche Gehirn, um sich die Welt so einfach wie möglich zu machen und schneller auf Gegebenheiten zu reagieren. "Wir können uns das Gehirn wie einen Computer mit zwei Prozessoren vorstellen; einem bewussten und einem unbewussten. Pro Sekunde prasseln etwa elf Millionen Informationsbestandteile auf unser Gehirn ein. Bewusst verarbeiten können wir davon nur circa 40", erklärt Gedamu. Den bewussten Teil nutzen wir, um rationale und durchdachte Entscheidungen zu fällen. "Aber um die Fülle an Informationen zu reduzieren, trifft der unbewusste Teil des Gehirns jeden Tag unzählige automatisierte Bauchentscheidungen, für die er auf Schubladen und Stereotypen zurückgreift."

Das bedeutet: Die vielen Entscheidungen, die nach dem berühmten 'Bauchgefühl' gefällt werden, sind vom unbewussten Teil des Gehirns gesteuert. Das ist unkritisch, wenn es um das Brötchen beim Bäcker geht. Kritisch ist es dann, wenn derartige Entscheidungen andere Menschen betreffen.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Personalentscheidungen mit "unconscious bias": . In: Legal Tribune Online, 21.07.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/20005 (abgerufen am: 05.12.2024 )

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