Rezensionen bei Zalando & Co.: Wer haftet wie bei fal­schen Online-Bewer­tungen?

von Dr. Constantin Rehaag und Dr. Carsten Goldstein

18.05.2023

Produktbewertungen beeinflussen Kaufentscheidungen. Entsprechend groß ist der Anreiz für Manipulationen. Constantin Rehaag und Carsten Goldstein erläutern den Rechtsrahmen und wie Gerichte mit der Haftungsfrage umgehen.

Kundenbewertungen haben sich im E-Commerce als wichtiges Instrument für Internethändler etabliert. In einer Studie des Digitalverbands Bitkom gab mehr als die Hälfte der Befragten Rezensionen als wichtigste Informationsquelle vor einem Kauf an. Verbraucher sind eher geneigt, Produkte zu kaufen und Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, wenn diese vorwiegend positiv und (vermeintlich) glaubwürdig bewertet werden. Negative Rezensionen wirken hingegen abschreckend. 

Vor diesem Hintergrund mag es verlockend erscheinen, falsche Kundenbewertungen als Form der Werbung einzusetzen. Der Blick auf die Rechtsprechung zeigt, dass einzelne schwarze Schafe immer wieder versuchen, ihre Verkaufszahlen durch manipulierte Kundenbewertungen zu ihren Gunsten positiv zu beeinflussen. Dieses Vorgehen untergräbt jedoch nicht nur den Verbraucherschutz, sondern auch den fairen Wettbewerb.

Wann sind Kundenbewertungen überhaupt falsch?

Kundenbewertungen sind dann als falsch anzusehen, wenn sie nicht auf einer tatsächlichen Erfahrung des Kunden mit dem Produkt oder der Dienstleistung beruhen oder die Bewertung erfunden ist. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn der Anbieter selbst oder durch einen beauftragten Dienstleister positive Bewertungen erstellt oder veröffentlicht oder Kunden für Bewertungen belohnt oder bedrängt. Ein solches Vorgehen verstößt gegen die Grundsätze der Authentizität, Transparenz und Objektivität, die für Kundenbewertungen gelten sollten.

Kundenbewertungen unterliegen sowohl deutschem wie auch europäischem Recht, das den Verbraucherschutz regelt und den unlauteren Wettbewerb bekämpft. 

Der Rechtsrahmen für Kundenbewertungen

Auf europäischer Ebene ist vor allem die Richtlinie (EU) 2019/2161 (Omnibus-Richtlinie) zu nennen, die mittlerweile auch in nationales Recht – in Deutschland u.a. im Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) – umgesetzt worden ist. Unter anderem enthält diese Richtlinie spezifische Vorschriften für Kundenbewertungen, die darauf abzielen, die Verbraucher vor falschen oder irreführenden Informationen zu schützen und die Anbieter zu mehr Transparenz und Verantwortung zu verpflichten. 

Danach müssen Unternehmer, die Kundenbewertungen angeben und verwenden, ihre Kunden darüber informieren, ob und wie sie sicherstellen, dass ihre Bewertungen tatsächlich von anderen Verbrauchern stammen, die tatsächlich die angebotenen Waren und Dienstleistungen genutzt oder erworben haben. Ein Unternehmer muss insoweit angeben, ob er Maßnahmen ergriffen hat, die die Richtigkeit der Kundenrezensionen sicherstellen sollen und wenn dies der Fall ist, welche angemessene Maßnahmen zur Überprüfung dies sind.

Durch das UWG wird die Irreführung von Verbrauchern durch falsche oder unvollständige Angaben untersagt. In Sinne des UWG handelt insoweit insbesondere unlauter, wer mit falschen oder sonstigen zur Täuschung geeigneten Angaben über wesentliche Merkmale der Ware oder Dienstleistung, wie zum Beispiel die Meinung oder Erfahrung anderer Verbraucher, wirbt. Dies gilt auch für Kundenbewertungen, die nicht der Wahrheit entsprechen oder die Gesamtbewertung verzerren. 

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen?

Das UWG sieht verschiedene Sanktionen und Rechtsbehelfe für Verstöße vor, wie beispielsweise ein Unterlassungsanspruch, der u.a. von Mitbewerbern oder Verbraucherverbänden geltend gemacht werden kann. In Betracht kommt auch ein Schadensersatzanspruch, der von Mitbewerbern oder mittlerweile auch Verbrauchern geltend gemacht werden kann, wenn diese durch die Irreführung einen Schaden erlitten haben. 

Der Gesetzgeber sieht die ungeprüfte Verwendung von Verbraucherbewertungen zusammen mit der Behauptung, es handele sich um Urteile von Verbrauchern, die die betreffende Ware tatsächlich gekauft haben, sowie die Verwendung gefälschter Verbraucherbewertungen als so schwerwiegend an, dass diese Verhaltensweisen in die "Schwarze Liste" des UWG aufgenommen worden sind: Sie gelten per se als unlautere und damit verbotene Handlung.

Auch wenn sie in der Praxis eine eher untergeordnete Rolle spielen, können im Zusammenhang mit falschen Kundenbewertungen auch strafrechtliche Bestimmungen in Betracht kommen. Beispielsweise kann ein Betrug – der mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft wird – verwirklicht werden, wenn ein Kunde durch die vorsätzlich erstellten falschen Kundenbewertungen dadurch veranlasst wird, ein Produkt zu erwerben, das nicht den versprochenen Eigenschaften entspricht und der Anbieter dadurch einen Gewinn erzielt. 

Wie haben die Gerichte bisher entschieden?

Die Rechtsprechung zu falschen Kundenbewertungen ist zwar noch jung, in der Sache aber einheitlich: Es gibt bereits einige Entscheidungen, die die Haftung von Internethändlern für falsche Kundenbewertungen bestätigen und konkretisieren. 

Das Oberlandesgericht Hamburg entschied bereits 2018, dass derjenige, der im Internet mit Produktbewertungen wirbt, die entgegen der Erwartung des Verkehrs nicht von Käufern des beworbenen Produkts stammen, den angesprochenen Verkehr in die Irre führt (Urt. v. 07.06.2018, Az. 3 U 94/17). Dem Händler ist untersagt worden, mit Bewertungen zu werben, die nicht von Käufern der Matratze verfasst wurden. 

Das Landgericht München I hat im Jahr 2019 entschieden, dass eine Hotelbewertung auf einem Bewertungsportal wettbewerbswidrig ist, wenn der Bewertende das Hotel selbst nicht besucht hat (Urt. v. 14.11.2019, Az. 17 HK O 1734/19). Auch hier ist der Unternehmer, der die falsche Kundenbewertung genutzt hat, zu Unterlassung und Schadensersatz verurteilt worden.

In einem Revisionsverfahren, dem ein Rechtsstreit um bei Amazon angebotene Kinesiologie-Tapes zugrunde lag, stellte der Bundesgerichtshof fest, dass Anbieter von Produkten auf einer Online-Handelsplattform keine wettbewerbsrechtliche Haftung trifft, solange sie sich zugehörige Rezensionen nicht zu eigen machen. Bei der Bewertung, ob sich eine wegen wettbewerbswidriger Werbung in Anspruch genommene Person fremde Äußerungen zu eigen macht, komme es entscheidend darauf an, ob sie nach außen erkennbar die inhaltliche Verantwortung für die Äußerungen Dritter übernimmt oder den zurechenbaren Anschein erweckt, sie identifiziere sich mit ihnen (Urt. v. 20.02.2020, Az. I ZR 193/18). 

Fake-Rezensionen bleiben ein juristischer Dauerbrenner

Falsche Kundenbewertungen verstoßen gegen deutsches und europäisches Recht, das den Verbraucherschutz und den unlauteren Wettbewerb regelt. Internethändler, die mit manipulierten Kundenbewertungen werben, haften für die Folgen ihrer unlauteren Praktiken und können mit Sanktionen belegt werden.

Ungeachtet dieser Sanktionsmöglichkeiten ist nicht zu erwarten, dass es um das Thema "gekaufte" Kundenbewertungen auf absehbare Zeit juristisch leise wird. Die Wettbewerbszentrale teilte mit, dass sie im vergangenen Jahr bis März dieses Jahres 72 Beschwerden zu dieser irreführenden Werbepraxis erhalten habe. Händler, die sich solcher Tricks bedienen, müssen auch künftig mit Abmahnungen rechnen. Abmahnungen allein werden die Kunden jedoch nicht in jedem Fall vor dieser unlauteren Praxis schützen können. 

Für die Händler sind Kundenbewertungen grundsätzlich ein nützliches und wertvolles Instrument, um das Vertrauen und die Zufriedenheit anderer Kunden nachzuweisen und dadurch die Qualität ihrer Produkte oder Dienstleistungen zu demonstrieren. Es gilt jedoch der Grundsatz, dass diese Bewertungen objektiv sein und der Wahrheit entsprechen müssen.

 

Constantin RehaagDr. Constantin Rehaag, M.A. ist Partner der globalen Wirtschafts- und Anwaltskanzlei Dentons in Frankfurt und Co-Leiter der Praxisgruppe Intellectual Property and Technology in Deutschland. Er verfügt über mehr als 15 Jahre Erfahrung im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes, des unlauteren Wettbewerbs und des Rechts der Geschäftsgeheimnisse.

Carsten GoldsteinDr. Carsten Goldstein ist Associate im Frankfurter Büro von Dentons. Er ist Mitglied der Praxisgruppe Intellectual Property and Technology und berät nationale und internationale Mandanten auf allen Gebieten des gewerblichen Rechtsschutzes. 

Sein besonderer Fokus liegt dabei auf dem Marken-, Urheber-, und Wettbewerbsrecht.

Beteiligte Kanzleien

Zitiervorschlag

Rezensionen bei Zalando & Co.: Wer haftet wie bei falschen Online-Bewertungen? . In: Legal Tribune Online, 18.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51808/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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