OLG Stuttgart klärt Zuständigkeitsstreit: Wire­card-Aktio­näre müssen vorm LG Mün­chen I klagen

29.06.2021

Das OLG Stuttgart hat die Zuständigkeit für Schadensersatzklagen gegen EY bestimmt: Aktionäre von Wirecard müssen sich an das LG München I wenden.

Mit Beschlüssen vom 29. Juni 2021 hat der 12. Zivilsenat des Oberlandesgerichts (OLG) Stuttgart den Streit um die Zuständigkeit für Wirecard-Schadensersatzklagen beendet (Az. 12 AR 6/21 bis 12 AR 17/21). Für die Klagen der Wirecard-Aktionäre gegen die Ernst & Young GmbH (EY) mit Sitz in Stuttgart sei das Landgericht (LG) München I zuständig, auch wenn sich die Klagen nur gegen EY richteten und nicht zugleich auch die Wirecard AG mit Sitz bei München verklagt werde.

EY hatte die mutmaßlich gefälschten Wirecard-Bilanzen bis 2018 über Jahre testiert. Die Schadensersatzklagen der Aktionäre von Wirecard stützen sich darauf, dass die EY-Prüfer nicht sorgfältig gewesen seien und damit ihre Pflichten verletzt hätten. Geklagt hatten die Aktionäre zunächst vor dem LG Stuttgart.

Das LG Stuttgart hat sich indes für örtlich unzuständig erklärt und den Rechtsstreit an das seiner Ansicht nach zuständige LG München I verwiesen. Dieses hielt sich gleichfalls für unzuständig und den Rechtsstreit zur Bestimmung des zuständigen Gerichts dem OLG Stuttgart vorgelegt.

Wenn sich verschiedene Gerichte, von denen eines für den Rechtsstreit zuständig ist, rechtskräftig für unzuständig erklärt haben, ist das zuständige Gericht nach § 36 Abs. 1 Nr. 6 ZPO durch das im Rechtszug zunächst höhere Gericht, in diesem Fall eben das OLG Stuttgart, zu bestimmen.

Ausschließliche Zuständigkeit des LG München I

Das OLG Stuttgart nahm nunmehr die Zuständigkeit des Münchner Gerichts an. Dies ergebe sich zum einen schon aus der Verweisung durch das LG Stuttgart mit bindender Wirkung. Die Verweisung sei auch nicht als willkürlich anzusehen.

Außerdem hielt das OLG das LG München I nach § 32b Abs. 1 Nr. 1 ZPO für ausschließlich zuständig. Diese Vorschrift bestimmt einen ausschließlichen Gerichtsstand für Klagen, in denen ein Schadensersatzanspruch wegen falscher, irreführender oder unterlassener öffentlicher Kapitalmarktinformation geltend gemacht wird. Für solche Klagen ist das Gericht am Sitz des betroffenen Emittenten, des Anbieters von sonstigen Vermögensanlagen oder der Zielgesellschaft ausschließlich zuständig, wenn sich dieser Sitz im Inland befindet.

Bei den von EY verantworteten Bestätigungsvermerke auf den Konzernabschlüssen von Wirecard handele es sich um öffentliche Kapitalmarktinformationen, so das OLG, weil die Vermerke für eine Vielzahl von Kapitalanlegern bestimmte Informationen über Unternehmensdaten enthielten, die die AG als Emittent von Wertpapieren betreffen. Die ausschließliche Zuständigkeit des LG München I bestehe damit, obwohl die Klagen der Aktionäre nicht auch gegen Wirecard gerichtet seien.

Da es bei der Bestimmung der Zuständigkeit nicht von einer Entscheidung eines anderen OLG oder des Bundesgerichtshofes (BGH) abweiche, verzichtete das OLG Stuttgart darauf, die Sache dem BGH vorzulegen.

fkr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

OLG Stuttgart klärt Zuständigkeitsstreit: Wirecard-Aktionäre müssen vorm LG München I klagen . In: Legal Tribune Online, 29.06.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45337/ (abgerufen am: 18.04.2024 )

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