Das OLG Frankfurt wertet Cum-Ex-Aktiengeschäfte nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als gewerbsmäßigen Bandenbetrug. Das hat das Gericht im Zusammenhang mit der Haftbeschwerde eines Angeklagten entschieden.
Aufgrund einer Haftbeschwerde hat das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt sich – soweit bekannt als erstes Obergericht - mit der strafrechtlichen Würdigung des Cum-Ex-Skandals befasst und den Sachverhalt, der der Anklageschrift zugrunde liegt, nicht nur als Steuerhinterziehung, sondern auch als Verbrechen des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs gewertet. Damit drohe Angeklagten eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren, teilte die Justiz am Freitag mit.
Auslöser ist ein Ermittlungsverfahren, das die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt gegen einen Angeklagten führte, der sich derzeit in der Schweiz befindet. Er soll "als spiritus rector ein Betrugssystem entwickelt und umgesetzt" haben, das als Cum-Ex-Leerverkaufsmodell bekannt wurde. Ziel sei es gewesen, sich eine einmal einbehaltene Steuer zweimal auszahlen zu lassen, so das OLG.
Auch wenn das Gericht in der Mitteilung keinen Namen nennt, dürfte es sich bei dem Angeklagten um den Steuerrechtler Hanno Berger handeln, der eine wichtige Rolle bei den Cum-Ex-Geschäften gespielt hat und der sich deshalb ab dem 25. März vor dem Landgericht (LG) Wiesbaden verantworten soll. Das LG Wiesbaden hat am 26. Oktober 2020 einen Haftbefehl gegen ihn erlassen (Az. 6 KLs 1111 Js 27125/12).
Der Angeklagte bestreitet die Tatvorwürfe und hat eine Beschwerde gegen den Erlass des Haftbefehls gerichtet – blieb damit aber ohne Erfolg. Es bestehe der dringende Tatverdacht des gewerbsmäßigen Bandenbetrugs sowie der Steuerhinterziehung, so das OLG Frankfurt (Beschl. vom 09.03.2021, Az. 2 Ws 132/20).
"Flucht" in die Schweiz
Der Senat habe den Umstand, dass sich der Angeklagte einen Tag nach einer Durchsuchung in die Schweiz begeben habe, als Flucht gewertet. Es sei davon auszugehen, dass der Angeklagte aufgrund seiner beruflichen Ausbildung gewusst habe, dass die Schweiz wegen Steuerdelikten nicht nach Deutschland ausliefere. Denn die Schweiz hat zwar das Europäische Auslieferungsübereinkommen ratifiziert, wonach Auslieferungen wegen Delikten aus dem Kernstrafrecht erfolgen, nicht aber das zweite Zusatzprotokoll zum Europäischen Auslieferungsübereinkommen, das die Auslieferung wegen Steuerdelikten regelt.
Bei Cum-Ex-Geschäften nutzten Investoren eine Gesetzeslücke, um den Staat über Jahre um Geld zu prellen. Rund um den Dividendenstichtag schoben mehrere Beteiligte Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch hin und her. In der Folge erstatteten Finanzämter Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren.
Alleiniges Ziel dieser Deals sei von Anfang an gewesen, "dieses System solange als möglich zu betreiben und dabei so viel wie möglich unberechtigte Steuerzahlungen für die Bande zu erhalten", so das OLG Frankfurt. Zur Durchführung habe es einer größeren Zahl von Personen bedurft. Die erlangten Gelder in Höhe von 113 Millionen Euro seien nach einer vorher vereinbarten Quote unter den Mitgliedern der Bande mit weiteren fünf Angeklagten und einem verstorbenen Mitglied aufgeteilt worden.
Der Beschluss des OLG ist nicht anfechtbar.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
OLG Frankfurt weist Haftbeschwerde ab: . In: Legal Tribune Online, 12.03.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44490 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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