Es gibt einen neuen Sheriff in Washington, sagt JD Vance und meint Donald Trump. Was bedeutet der US-Machtwechsel für den Handel, M&A-Deals und die Rechtsberatung? LTO hat bei Freshfields nachgefragt.
LTO: Vor gut einem Monat hat die zweite Amtszeit von Donald Trump begonnen. Es wirkt, als wurde mit Blick auf diplomatische Beziehungen und Handelspolitik der Reset-Knopf gedrückt. Spüren Sie auch in der Rechtsberatung erste Auswirkungen?
Dr. Lars Meyer: Rechtsberatung wird in unsicheren Zeiten natürlich ganz besonders gebraucht und wir arbeiten in vielen Fragen eng mit unseren Kolleginnen und Kollegen in den USA zusammen. Die Unsicherheit wird die Unternehmen allerdings aus unserer Sicht nicht von Investitionen und Transaktionen abhalten. Was die USA betrifft, könnte sogar das Gegenteil der Fall sein, denn dort finden auch deutsche Unternehmen insgesamt sehr positive Rahmenbedingungen vor. Insbesondere beim Wirtschaftswachstum gibt es dort eine ganz andere Dynamik, und attraktive Übernahmeziele.
Wie gehen Ihre Mandanten mit der veränderten politischen Lage um? Erleben Sie eher Unruhe und Pessimismus oder ein pragmatisches Interesse an sich bietenden Chancen? Auf welchen Rechtsgebieten ist der Beratungsbedarf aktuell besonders groß? Gerade Sie, Stephanie Brown Cripps, haben als Expertin für Handelszölle sicher schon ruhigere Tage gehabt.
Stephanie Brown Cripps: Die Reaktionen sind tatsächlich unterschiedlich. Die Unternehmen schauen sich jetzt genau an, auf welche politischen, gesetzgeberischen und auch gesellschaftlichen Veränderungen sie reagieren bzw. vorbereitet sein müssen. Sie passen ihre Geschäftsstrategie individuell entsprechend der Risiken und Chancen, die ganz konkret für sie bestehen, an. Gerade für global tätige Unternehmen ist die Lage kompliziert, denn sie müssen nicht nur die Zoll- und Handelspolitik beobachten. Sie können auch dem wechselseitigen Druck durch unterschiedliche Regeln etwa in den USA und der EU ausgesetzt sein – hier müssen sie mit Fingerspitzengefühl ein Gleichgewicht finden, denn teilweise gibt es nicht nur die eine richtige Reaktion.
Inwieweit verändert ein politischer Machtwechsel, insbesondere einer mit gravierenden Einschnitten wie im aktuellen Fall, die Ausrichtung und die Kommunikation einer Kanzlei wie Freshfields? Sind die Zeiten der ohnehin eher zaghaften Positionierung – beispielsweise zu Themen wie Diversität oder dem Ukraine-Konflikt – vorbei?
Brown Cripps: 2024 gab es nicht nur eine US-Wahl, sondern eine ganze Reihe von Wahlen rund um den Globus. Und das nach vielen Jahren weiterer bedeutender geopolitischer und wirtschaftlicher Veränderungen und Herausforderungen. Veränderungen sind also nichts Neues, sondern eine Konstante. Unser Ansatz ist derselbe geblieben: Wir helfen unseren Mandanten, sich in der aktuellen Situation optimal aufzustellen und die nächsten strategischen Schritte zu antizipieren und auch umzusetzen, damit sie ihr Potenzial voll ausschöpfen und sich vor Risiken schützen können.
Freshfields hat kürzlich eine Studie zu den M&A-Aktivitäten deutscher Unternehmen veröffentlicht. Ein Fazit für die 40 DAX-Konzerne war: Das Transaktionsvolumen stieg in 2024 deutlich, die Anzahl der Deals war gegenüber dem Vorjahr rückläufig. Was erwarten Sie für die kommenden Jahre – auch vor dem Hintergrund der aus Unternehmenssicht positiven Entwicklung an den Kreditmärkten?
Meyer: Wir sehen positive Zeichen in den ersten zwei Monaten dieses Jahres und glauben, dass sich die Rahmenbedingungen für M&A wie etwa das Finanzierungsumfeld weiter verbessern werden. Die unterschiedlichen strategischen Herausforderungen, die sich vielen deutschen Unternehmen aktuell stellen, werden auch weiterhin zu transformativen Transaktionen führen, etwa um es großen Konzernen zu ermöglichen, sich auf ihr Kerngeschäft zu konzentrieren. Das kann auch bedeuten, strategisch weniger relevante Geschäftsbereiche ohne Konglomeratsabschlag zu attraktiveren Bewertungen zu verkaufen oder an die Börse zu bringen. Es geht darum, das Kerngeschäft dann so umzugestalten, dass es für neue Technologien, digitale Transformation oder etwa geopolitische Veränderungen besser aufgestellt ist. Und: Wenn in einem stabileren Marktumfeld die Bewertungen von Unternehmen wieder steigen und das Finanzierungsumfeld passt, wird es viele Private Equity-Investoren und Unternehmen geben, die in den kommenden Monaten attraktive Zielunternehmen zum Verkauf stellen.
Besondere Anziehungskraft für deutsche Unternehmen hatten und haben die USA. Vergleichsweise niedrige Energiekosten spielen eine Rolle und die protektionistische Handelspolitik der neuen US-Administration dürfte das Interesse an Investitionen in den USA weiter steigen lassen. Wie stark wiegt für Unternehmen der Faktor "politische Unberechenbarkeit" bei Standortentscheidungen?
Meyer: Für die USA sprechen klare Argumente, die mögliche Bedenken oder selbst die vergleichbar höheren Hürden, Kosten und Risiken, die mit Direkt-Investitionen in die USA einhergehen, kompensieren. Und es gibt keine Anzeichen dafür, dass sich die Vorteile, auf die sich Unternehmen aktuell verlassen, plötzlich ändern könnten: Die von Ihnen erwähnten niedrigen Energiekosten, finanzielle Anreize oder das technologische Know-how, das Unternehmen in den USA einkaufen und entwickeln können, große und sehr attraktive Absatzmärkte, und eine nach wie vor ungebremste Wachstumsdynamik im Vergleich zur Stagnation bzw. in einigen Ländern sogar Rezession in Europa. Im aktuellen wirtschaftlichen und geopolitischen Umfeld wird sich dieser Trend eher noch verstärken.
Mit "Zölle" gibt es den ersten aussichtsreichen Bewerber für das Unwort des Jahres. Können Sie in wenigen Sätzen erklären, welche Anreize Zölle setzen und warum sie von den Handelspartnern der USA so gefürchtet werden?
Brown Cripps: Zölle sind Steuern auf Importe, die letztlich auf die Verbraucher übergewälzt werden. Die wichtigste wirtschaftliche Auswirkung von Zöllen besteht darin, inländische Produzenten und Arbeitsplätze vor ausländischer Konkurrenz zu schützen, indem die Kosten für Einfuhren erhöht werden. Dadurch erhalten inländische Produkte einen Preis- und Wettbewerbsvorteil. Dies ist für ausländische Produzenten nachteilig und widerspricht der Logik des internationalen Handelssystems, das darauf ausgelegt ist, den Handel zu erleichtern und nicht zu behindern.
Nicht selten liest man, die Zölle würden den USA in gleichem Maß schaden, wie dem betroffenen Handelspartner. Gibt es Branchen und/oder Handelsgüter, auf die das zutrifft?
Brown Cripps: Zölle schaden auch dem Land, das sie erhebt. Ohne Importwettbewerb müssen Verbraucher höhere Preise zahlen und haben eine geringere Auswahl an Produkten. Das kann auch einheimischen Herstellern schaden, die in der heutigen Welt auf importierte Vorleistungen für ihre Produkte angewiesen sind. So werden beispielsweise Zölle auf Aluminium und Stahl im Inland produzierte Autos verteuern. Kurz gesagt: Zölle mögen zwar einige Arbeitsplätze retten, aber sie kosten andere Arbeitsplätze. Alle etablierten Ökonomen sind sich einig, dass Zölle für die Wirtschaft eines Landes insgesamt negativ sind.
Donald Trump setzt bei der Verhängung und Erhöhung von Zöllen auf Dekrete. Wo sind ihm dabei rechtliche Grenzen gesetzt?
Brown Cripps: Ähnlich wie bereits bei der ersten Amtszeit von Donald Trump, aber auch schon unter den Regierungen von Barack Obama und Joe Biden sehen wir, dass Befugnisse auf neue und andersartige Weise als sonst üblich eingesetzt werden, um die politischen Ziele durchzusetzen. Viele sind der Ansicht, dass die neugeschaffenen Zölle die gesetzliche und verfassungsmäßige Autorität des Präsidenten überschreiten, und wenn der Handelskrieg anhält oder sich ausweitet, werden diese Fragen von den Gerichten zu klären sein. Letztlich werden die rechtlichen Grenzen bestimmt durch die US-Verfassung und die Gesetze, denen die Dekrete unterliegen. Jedenfalls nutzt die Administration den International Emergency Economic Powers Act auf eine Weise, die über die bislang übliche Nutzung hinausgeht.
Am Thema Künstliche Intelligenz ist kein Vorbeikommen, auch nicht in diesem Interview. Herr Meyer, Sie sind auch regelmäßig im Silicon Valley tätig: Werden die europäischen Unternehmen, die sich hier versuchen, von der US-Konkurrenz ernst genommen? Ist die Idee, Europa könne eines Tages auf Augenhöhe mit amerikanischen und chinesischen Akteuren agieren, eine Utopie?
Meyer: Es gibt sehr viele sehr kluge, engagierte und dynamische Köpfe auf Gründer- sowie Investorenseite in Europa, die großartige Tech-Unternehmen aufgebaut haben. Das schafft eine gute Basis für ein wettbewerbsfähiges Umfeld auch im internationalen Vergleich, wenn die gesetzgeberischen Rahmenbedingungen und die wirtschaftlichen Anreize stimmen. Nicht zuletzt vor dem Hintergrund, dass wir in Europa einen Markt mit knapp 800 Millionen Konsumenten haben, der mehr als doppelt so groß ist wie der US-Markt. Daneben sehen wir, dass die etablierten Unternehmen in Europa die digitale Transformation ihres Geschäfts weiter vorantreiben und dabei auch stark auf Künstliche Intelligenz setzen – dieser Prozess wird teilweise als Deindustrialisierung bezeichnet. Unsere Studie hat aber gezeigt, dass insbesondere auch die deutschen Unternehmen nicht einfach nur Geschäftsbereiche verkaufen, sondern gleichzeitig gezielt in zukunftsgerichtete Technologien wie Software und KI investieren. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass die europäischen Länder auch weiterhin eine wichtige Rolle in innovativen Branchen und in der globalen Wirtschaft spielen werden.
Vielen Dank für das Gespräch!
Stephanie Brown Cripps ist Partnerin bei Freshfields und in New York tätig. Sie berät unter anderem zu Wirtschaftssanktionen und Handelskontrollen.
Dr. Lars Meyer ist Partner und Global Co-Head of Tech, Media & Telecoms bei Freshfields. Schwerpunkte seiner Tätigkeit sind unter anderem M&A und Restrukturierung.
Neue US-Regierung stellt Kanzleien vor Herausforderungen: . In: Legal Tribune Online, 28.02.2025 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56700 (abgerufen am: 18.04.2025 )
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