Kommt ein politisch brisantes Mandat in die Kanzlei, folgt oft großes Medieninteresse. Nun gilt es, richtigen Ton zu treffen. Anwälte müssen sich eigentlich zurückzuhalten – doch manche können dem Scheinwerferlicht nicht widerstehen.
Gernot Lehr weiß, wie die Medien ticken. "Das Interesse der Öffentlichkeit an Mandaten mit politischem Hintergrund ist auf jeden Fall größer geworden", beobachtet der Presserechtler der Kanzlei Redeker Sellner Dahs. "Es gibt nur noch wenige Rechtsbereiche, die ohne öffentliche Beobachtung stattfinden. Besonders intensiv spüren wir es im Umwelt-, Bau- und Vergaberecht und natürlich im Strafrecht."
Lehr bewegt sich in seinem Berufsleben regelmäßig in politisch brisanten Gefilden. Seine Kanzlei ist häufig für den Deutschen Bundestag tätig und kämpfte beispielsweise für die ehemaligen Bundespräsidenten Johannes Rau und Christian Wulff. Doch es sind nicht mehr nur Medien- und Strafrechtler, die sich in der Öffentlichkeit bewegen und Presse-Statements abgeben müssen. Immer öfter sehen sich Kanzleien, egal welcher Größe oder Spezialisierung, dem Medieninteresse ausgesetzt.
Auch kleine Fälle stehen unter Beobachtung
Zu den prominenten Rechtsstreitigkeiten mit politischer Bedeutung gehören die Elbphilharmonie in Hamburg, Stuttgart 21 in der baden-württembergischen Hauptstadt oder der Flughafen Berlin-Brandenburg. Doch auch kleinere Fälle werden mithin genau beobachtet. Dr. Martin Eimer, Counsel im Bereich Konfliktlösung von Freshfields Bruckhaus Deringer, beriet beispielsweise vor einigen Jahren einen Industrieparkbetreiber in Nordrhein-Westfalen. Dieser wollte eine Großanlage zur energetischen Versorgung des Parks bauen, und die Öffentlichkeit interessierte sich insbesondere für die Umweltaspekte.
"Eigentlich ein klassisches Projektgeschäft - aber eben mit politischer Brisanz", erzählt Eimer. Doch es ist alles glatt gelaufen: Die Juristen hielten sich der Öffentlichkeit fern, die Presseabteilung des Industrieparks steuerte die externe Kommunikation. Politische Parteien, die Landesministerien und Bürger sowie Umweltschutzverbände wurden ebenfalls einbezogen. Für den medienerfahrenen Anwalt ein Musterbeispiel funktionierender Kommunikation zwischen Kanzlei, Mandant und Öffentlichkeit.
Wortlaut mit Mandanten abstimmen
Trotz aller Neugier seitens Presse, Politiker und Bürger – für die Anwälte gilt natürlich: "Über allem muss das Interesse des Mandanten stehen", wie es Freshfields-Anwalt Eimer formuliert. "Gerade bei einer juristisch heiklen Fragestellung stimmt man sich besser im Wortlaut mit den Mandanten ab", fügt er hinzu. "Denn Laien könnten einen Sachverhalt – unbeabsichtigt – so ausdrücken, dass der Jurist nervös wird und die Gegenseite versucht, es auszuschlachten."
Freshfields hat keine Leitlinien oder Vorgaben formuliert, wie man sich bei einem heiklen Mandat als Rechtsberater verhalten soll. Die Anwälte halten es so, wie die meisten ihrer Kollegen in anderen Kanzleien: Sie lernen von den erfahrenen Partnern im eigenen Haus und sprechen sich mit der Kommunikationsabteilung ab, sofern es eine in der Kanzlei gibt. "Wir überlegen uns zu Beginn eines jeden kritischen Mandats eine Strategie, die auch die Presse- und Kommunikationsaspekte miteinschließt", sagt Eimer.
Nicht nur die Kommunikation nach außen sollte durchdacht sein, auch beim kanzleiinternen Austausch heißt es vorsichtig sein. "Je größer der Verteilerkreis, an den ich zum Beispiel meine rechtliche Analyse schicke, desto größer die Gefahr, dass etwas in 'falsche' Hände gerät." Stichwort: Chinese Walls. Denn auch innerhalb von Kanzleien kann es essentiell sein, dass keinerlei Informationen aus dem eigenen Teambüro in den Flurfunk sickern. Die Gefahr, dass Informationen an die Öffentlichkeit gelangen, die weder vom Mandanten abgesegnet noch juristisch final ausformuliert wurden, ist groß. 'Menschliche Lecks' gibt es überall.
2/2 Mandate als Eigenwerbung
Vertraulichkeit, Mandatsgeheimnis, schön und gut. Doch der größte Feind dieses Geheimhaltungsmantras ist die persönliche Eitelkeit der Anwälte. Wenngleich allen Juristen zumindest theoretisch bewusst ist, dass der Geheimhaltungswunsch des Mandanten über allem stehen sollte - einige halten sich einfach nicht daran.
Für Dr. Stefan Hiebl ist das nicht verwunderlich: "Manche nutzen es für Eigenwerbung, weil sie ihren Namen gern in der Zeitung lesen. Dafür bieten sich derartige Verfahren natürlich an." Für ihn selbst käme das nicht infrage, betont er. Mit seiner Kanzlei Eimer Heuschmid Mehle war der Strafrechtler unter anderem im Prozess um das World Conference Center Bonn (WCCB) und in der 'Spitzelaffäre' der Telekom tätig. "Unser oberstes Ziel ist es, die Öffentlichkeit zu vermeiden. Das fürchten wir wie der Teufel das Weihwasser!"
Doch selbst wenn eine Kanzlei entscheidet, nicht in die Öffentlichkeit zu treten, manchmal kommen die Medien zu ihr. In den meisten Fällen verweist Hiebl an den Mandanten oder die Gerichte, nur selten versendet seine Kanzlei eigene Pressemitteilungen: "Es geht ja nicht darum, zu sagen, wie sich unser Mandant verhalten wird oder ob er sich auf irgendetwas einlässt", erläutert Hiebl. "Sondern darum, juristische Kernaussagen klar zu formulieren, um so die Presse zu informieren." Das bleibe aber eine Gratwanderung, denn die Gerichte wollen nicht verärgert werden, indem zu viele Informationen an die Öffentlichkeit dringen.
Auch Niederlagen sind öffentlich
Eimer Heuschmid Mehle folgt also dem Prinzip: So wenig Presse wie möglich und so viel wie nötig. "Im Grundsatz kann es immer nur um die bestmögliche Verteidigung des Beschuldigten gehen", stellt Hiebl klar. "Wird in unserer Kanzlei irgendjemand zu einem laufenden Verfahren angesprochen, weiß jeder, was zu tun ist: Schweigen. Wenn überhaupt, dann darf sich nur der jeweilige Anwalt dazu äußern." So halten es die meisten Wirtschaftskanzleien mit sensiblen Mandaten. In manchen Verfahren arbeiten kleinere Kanzleien wie Eimer Heuschmid Mehle auch mit Presserechtlern aus anderen Kanzleien zusammen.
Ob die Entwicklungen in eine positive oder negative Richtung für den Mandanten gehen, kann man durch umsichtigen Umgang mit der Öffentlichkeit allerdings nur bedingt lenken. Das heißt: Wer verliert, muss auch öffentlich mit Niederlagen umgehen können. Wenngleich Anwälte naturgemäß nicht gerne über Misserfolge sprechen. Schon gar nicht über solche, die von den Medien dokumentiert werden. "Selbst wenn das Gericht nicht im gewünschten Sinne entscheidet, sollte man sich nicht darüber ärgern, auch wenn es öffentlich geschieht. Damit müssen Anwälte eben leben", sagt Gernot Lehr von Redeker.
Wer die bestmögliche Arbeit auf höchstem Niveau leiste, der habe sich nichts vorzuwerfen, meint Lehr. "Der eventuelle Nichterfolg, der dann ebenso öffentlich kommuniziert wird, sollte kein Hindernis sein, derartige Mandate anzunehmen. Für uns ist wichtig, den jüngeren Anwälten zu verdeutlichen, dass sie keine Angst vor der Öffentlichkeit zu haben brauchen"
Medienrummel wird noch zunehmen
Mandate von öffentlichem Interesse bringen im Gegensatz zu solchen, für die sich die Medien nicht interessieren, neben einem gewissen Marketingeffekt einen erheblichen Mehraufwand für die Kanzleien mit sich. Abstimmungen mit Mandanten und Gerichten sind aufwändig, zusätzlich muss innerhalb der Kanzlei für die richtige Balance zwischen Information und Geheimhaltung gesorgt werden. Daneben darf der Rechtsberater das Wichtigste nicht vergessen: die juristische Bearbeitung des Falls. Für manche kann der Medienrummel durchaus ablenkend wirken und die Konzentration leidet.
Der Medienrummel wird nicht weniger werden, im Gegenteil. Für Redeker-Partner Lehr steht fest: "Das gesteigerte Interesse der Öffentlichkeit liegt daran, dass die Gesellschaft transparenter geworden ist. Außerdem gibt es zahlreiche neue Medien, die miteinander und mit den klassischen Medien im Wettbewerb um Informationen stehen." Eine Entwicklung, auf die sich auch die Anwälte einstellen müssen.
Désirée Balthasar, Mandate und Medien: Der größte Feind ist die eigene Eitelkeit . In: Legal Tribune Online, 11.02.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18419/ (abgerufen am: 02.10.2023 )
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