Betriebsratsvergütung bei Volkswagen: Gehäl­teraf­färe kommt vor Gericht

28.07.2020

Volkswagen soll mehreren Betriebsratsmitgliedern über Jahre hinweg eine "ungerechtfertigte Vergütung" gezahlt haben. Vor dem LG Braunschweig ist das Hauptverfahren gegen vier Manager des Autokonzerns eröffnet.

Arbeitgeberseite und Betriebsrat sind bei Volkswagen (VW) traditionell eng verbandelt - im Fall der Bezahlung hoher Belegschaftsvertreter nach Auffassung von Strafverfolgern zu eng. Die Braunschweiger Staatsanwaltschaft hatte deshalb zwei ehemalige Vorstandsmitglieder sowie einen ehemaligen und einen aktuellen Personalmanager angeklagt, die 16. Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts (LG) Braunschweig hat die Anklage nun zugelassen (Beschl. v. 28.07.2020; Az. 16 KLs 406 Js 59398/16 (85/19)). Die Manager werden der gemeinschaftlichen Untreue bzw. Untreue im besonders schweren Fall zum Nachteil des VW-Konzerns verdächtigt.

Laut Anklageschrift geht es um insgesamt 29 mutmaßliche Untreuestraftaten im Zusammenhang mit der Festlegung von Gehältern und Bonuszahlungen an Betriebsratsmitglieder. Die Festlegung der Vergütung und der Boni soll nach Ansicht der Staatsanwaltschaft gegen die gesetzlichen Vorgaben des Betriebsverfassungsgesetzes (BetrVG) verstoßen haben, schreibt das LG Braunschweig in einer Mitteilung.

Nach Auffassung der Staatsanwaltschaft ist dem Volkswagenkonzern durch die Zahlung überhöhter Gehälter und Boni an fünf Betriebsratsmitglieder zwischen Mai 2011 und Mai 2016 ein Schaden von insgesamt über fünf Millionen Euro entstanden. Demnach soll sich allein die "ungerechtfertigte Vergütung" an Betriebsratschef Bernd Osterloh auf 3,125 Millionen Euro belaufen haben.

VW weist Mitverantwortung zurück

Die sogenannte Gehälteraffäre beschäftigt VW und die niedersächsische Justiz bereits seit 2016 - Volkswagen dachte, das Thema auch mit Hilfe eines Schiedsverfahrens eigentlich schon zu den Akten legen zu können.

VW hatte bei der Anklageerhebung im November 2019 eine Mitverantwortung zurückgewiesen. Man halte an der Auffassung fest, dass bei der Vergütung einzelner Betriebsratsmitglieder "kein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten" festgestellt werden könne, betonte ein Konzernsprecher damals. Die Anklage richte sich zudem nicht gegen Volkswagen, sondern gegen Einzelpersonen.

Verstöße gegen BetrVG, Aktiengesetz und Governance-Kodex?

Übertarifliche Bezüge von hohen Betriebsratsmitgliedern sind in vielen Firmen nicht präzise festgelegt. Grundsätzliche Regelungen des Betriebsverfassungsgesetzes zur Vergütung gelten auch deshalb als reformbedürftig - so stellt sich etwa die Frage, welche Gehaltskorridore für Leitungsaufgaben genau gelten sollen.

Nach Interpretation der Staatsanwaltschaft wurde bei VW aber gegen das Betriebsverfassungsgesetz verstoßen: Man habe "bewusst eine unzutreffende Vergleichsgruppe zugrundegelegt". "Die Vergleichsgruppen seien dabei so gewählt worden, dass ein höheres Gehalt gerechtfertigt erschien, obgleich die Angeschuldigten gewusst hätten, dass dies tatsächlich nicht der Fall war." Offenbar sei nur die Zugehörigkeit zum Betriebsrat dafür maßgeblich gewesen, vermuteten die Ermittler bei der Anklageerhebung. Darüber hinaus sehen sie einen Konflikt mit dem Aktiengesetz und dem "Deutschen Corporate Governance Kodex".

Als Reaktion auf den Anfangsverdacht und entsprechende Durchsuchungen von Steuerfahndern hatte Volkswagen Ende 2017 die Gehälter führender Belegschaftsvertreter vorerst gedeckelt. Die Konzernspitze wollte angesichts strafrechtlicher Ermittlungen auf Nummer sicher gehen und ihr Leitungspersonal vor weiteren Risiken schützen. "Wir bedauern, dass Mitglieder unseres Betriebsrats und Vertreter des Unternehmens dieser Situation ausgesetzt sind", sagte der damalige Vorstandschef Matthias Müller und kündigte an, eine rechtliche Klärung anzustreben.

ah/LTO-Redaktion

mit Material von dpa

Zitiervorschlag

Betriebsratsvergütung bei Volkswagen: . In: Legal Tribune Online, 28.07.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42330 (abgerufen am: 05.10.2024 )

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