Das Land Berlin hat im Streit um die Rekommunalisierung des Stromnetzes vor dem LG Berlin eine Niederlage einstecken müssen. Es darf den Betrieb des Netzes vorerst nicht an eine landeseigene Gesellschaft vergeben. Geklagt hatte Vattenfall.
Im Streit um Pläne für die Wiederverstaatlichung des vor rund 20 Jahren privatisierten Stromnetzes hat das Land Berlin einen Dämpfer erhalten. Es hatte im März dieses Jahres entschieden, die Konzession für den Betrieb des Stromnetzes für 20 Jahre an den landeseigenen Betrieb Berlin Energie zu vergeben. Das Angebot war zuvor in einem Vergabeverfahren ausgewählt worden. Dagegen wehrte sich jedoch die bisherige Netzbetreiberin Stromnetz GmbH, eine Tochter von Vattenfall. Sie beantragte beim Landgericht (LG) Berlin den Erlass einer einstweiligen Verfügung - und war damit nun erfolgreich.
Die für Kartellstreitigkeiten zuständige 16. Zivilkammer des LG Berlin hat konkret entschieden, dass das Land Berlin das "Wegenutzungsrecht für das Stromversorgungsnetz der allgemeinen Versorgung" vorerst nicht an Berlin Energie vergeben darf (Urt. v. 07.11.2019; Az.: 16 O 259/19 Kart). Dabei seien, so die Richter, vor allem zwei Aspekte entscheidend gewesen:
Das Land müsse erstens sicherstellen, dass nur ein Bieter berücksichtigt werde, der im Vergabeverfahren ein fundiertes Konzept für den Betrieb des Stromnetzes vorweise bzw. vorlege. Aus Sicht der Kammer hat das Konzept von Berlin Energie diesen Anforderungen nicht entsprochen.
Zweitens hätte das Land der Vattenfall-Tochter als unterlegener Bieterin nach der Vergabeentscheidung Akteneinsicht - im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang - in das Angebot von Berlin Energie gewähren müssen. Dies geschah aber nicht, was aus Sicht des Gerichts einen relevanten Verfahrensverstoß darstellt.
Die auf die Energiewirtschaft spezialisierte Sozietät Becker Büttner Held (BBH) hat das Land Berlin in dem Verfahren vertreten; federführend lag der Fall bei Astrid Meyer-Hetling. Vattenfall hatte ein Team der Kanzlei Raue um Christian von Hammerstein mandatiert.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, es kann Berufung beim Kammergericht (KG) eingelegt werden. Es gilt als sicher, dass der Senat vor das KG ziehen wird. Es werde nun das schriftliche Urteil abgewartet und dann eingehend geprüft, sagte eine Sprecherin der Finanzverwaltung am Donnerstag.
Privatisierung vor mehr als 20 Jahren
Berlin hatte seine Anteile am Strom-Versorgungsunternehmen Bewag 1997 abgegeben, Vattenfall übernahm 2001 die Mehrheit. Die Konzession ist formell 2014 ausgelaufen. Der Senat arbeitet seit Jahren daran, Privatisierungen vergangener Jahrzehnte rückgängig zu machen, auch in den Bereich Gas, Wasser und Wohnungen. "Die Koalition strebt eine 100-prozentige Rekommunalisierung des Stromnetzes zum Ertragswert an, unabhängig vom Ausgang des Konzessionsverfahrens", heißt es dazu im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag, fast wortgleich lautet der Absatz zum Gasnetz.
Das aktuelle Urteil bremst das Vorhaben nun erst einmal aus. Hinzu kommt: Vattenfall ist nicht nur der bisherige Betreiber, sondern auch der Eigentümer des Netzes. Die Frage nach einem möglichen Kauf spielt im aktuellen Verfahren allerdings keine Rolle.
Und selbst wenn das KG im Falle einer Berufung schließlich doch noch dem Land Recht geben sollte, dürfte es einige Zeit dauern, bis die Stromnetze in staatliche Hand wechseln: Der Auflösungsprozess könnte erst nach einer entsprechenden Entscheidung beginnen.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
BBH für das Land Berlin:
Astrid Meyer-Hetling, Federführung, Partnerin, Berlin
Raue für Vattenfall:
Christian von Hammerstein, Federführung, Partner, Berlin
Dr. Hans Heller, Senior Associate, Berlin
BBH / Raue: . In: Legal Tribune Online, 07.11.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/38585 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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