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Prozess zu Cum-Ex startet am LG Bonn: Strafbar durch die Geset­zes­lücke geschlüpft?

von Dr. Anja Hall

03.09.2019

Handschellen auf Geld

(c) dadima - stock.adobe.com

Die Cum-Ex-Geschäfte gelten als größter Steuerskandal in der Geschichte Deutschlands, doch noch immer ist umstritten, ob die Aktiendeals illegal waren. Am Mittwoch beginnt vor dem LG Bonn der erste Strafprozess, der diese Frage klären will.

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Ohne Frage: Es ist moralisch verwerflich, sich Steuern erstatten zu lassen, die man gar nicht gezahlt hat. Aber war es im Fall der Cum-Ex-Deals auch strafbar? Diese Frage hat nun die 12. Große Strafkammer beim Landgericht (LG) Bonn zu klären. Am Mittwoch startet der erste deutsche Strafprozess im Zusammenhang mit den umstrittenen Aktiengeschäften (Az. 62 KLs 1/19).

Bei den Cum-Ex-Deals nutzten Investoren eine inzwischen geschlossene Gesetzeslücke. Rund um den Dividendenstichtag wurden Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Ausschüttungsanspruch zwischen mehreren Beteiligten hin- und hergeschoben. Am Ende war dem Fiskus nicht mehr klar, wem die Papiere gehörten. Die Folge: Finanzämter erstatteten Kapitalertragsteuern, die gar nicht gezahlt worden waren. Damit soll die Staatskasse in Milliardenhöhe geschädigt worden sein.

Angeklagt: zwei Aktienhändler

Auf der Anklagebank in Bonn nehmen morgen zwei britische Aktienhändler Platz. Ihnen wird die Beteiligung an Cum-Ex-Deals zu Lasten der Staatskasse vorgeworfen. Sie sollen von 2006 bis 2011 zunächst im Rahmen ihrer Tätigkeit für ein großes Kreditinstitut und danach für eine Asset-Management-Gruppe Steuerstraftaten begangen haben. Die Staatsanwaltschaft geht von einer Beteiligung an 34 Fällen der besonders schweren Steuerhinterziehung aus, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben sein soll. Der Schaden soll sich laut Staatsanwaltschaft auf insgesamt über 440 Millionen Euro belaufen.

Weiter hat das LG Bonn angeordnet, dass eine Bankengruppe und vier Kapitalverwaltungsgesellschaften am Verfahren beteiligt werden. Die Kammer halte es für wahrscheinlich, dass die Voraussetzungen der Anordnung der Einziehung nach § 73b Strafgesetzbuch (StGB) vorliegen, teilte das Gericht mit. Die Vorschrift regelt, dass Gewinne aus illegalen Geschäften nicht nur vom Täter, sondern auch von Dritten eingezogen werden können, die davon profitiert haben. Für die Staatskasse wäre das eine vielversprechende Aussicht – laut einem Bericht des Handelsblatts könnte es um knapp 390 Millionen Euro gehen.

Das Verfahren wird die Bonner Richter intensiv beschäftigen: Bis zum Januar 2020 sind 32 Termine angesetzt. Es gilt auch als wegweisend für weitere Strafverfahren in Sachen Cum-Ex. Denn sollten die Richter zum Ergebnis kommen, dass es sich dabei um Steuerstraftaten handelt, könnten sich viele andere Akteure, die ebenfalls wegen der umstrittenen Deals im Fokus der Justiz stehen, nicht mehr mit dem Argument verteidigen, sie hätten zwar eine Gesetzeslücke ausgenutzt, aber nicht illegal gehandelt.

Zahlreiche Kanzleien hielten die Cum-Ex-Deals für legal

In vielen großen Anwaltskanzleien wird man das Verfahren vor dem LG Bonn aufmerksam verfolgen. Denn dass sich Banken, Aktienhändler und Investoren durch die Cum-Ex-Transaktionen hohe Steuerrückzahlungen sichern, war über viele Jahre hinweg eine weit verbreitete Praxis – die sich die Beteiligten durch Gutachten aus großen Wirtschaftskanzleien rechtlich absichern ließen. Die weit überwiegende Mehrheit hielt die Cum-Ex-Deals für legal, bis die Gesetzeslücke geschlossen wurde.

Zu den Hauptakteuren im Zusammenhang mit Cum-Ex-Deals zählt der Rechtsanwalt Hanno Berger, er galt viele Jahre als einer der renommiertesten Berater für Steuer- und Finanzprodukte in Deutschland. Schon Anfang Oktober 2017 hat die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt Anklage im Zusammenhang mit Cum-Ex gegen ihn erhoben; ihm werden Steuerdelikte in Millionenhöhe vorgeworfen. Berger, der inzwischen in der Schweiz lebt, bestreitet die Vorwürfe und wehrte sich unter anderem mit einer Verfassungsbeschwerde gegen die Ermittlungen, blieb damit aber ohne Erfolg.

Streit um Falschberatung endet mit Vergleich

Stärker im Fokus der Öffentlichkeit steht seit einiger Zeit Freshfields Bruckhaus Deringer. Schon 2016 wollte der Cum-Ex-Untersuchungsausschuss des Bundestages die Kanzlei durchsuchen lassen, war damit aber vor dem BGH gescheitert. Der Ausschuss war der Ansicht, die Großkanzlei habe eine dominante Rolle bei den Geschäften gespielt und Unterlagen zurückgehalten.

Später wurden Kanzleiräume von Freshfields trotzdem noch durchsucht, und zwar von der Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt. Die Ermittler wollten Beweise sichern; gegen zwei Steuerrechtler der Kanzlei wird in Sachen Cum-Ex ermittelt.

Vergangene Woche wurde bekannt, dass Freshfields einen Vergleich mit dem Insolvenzverwalter der Maple Bank geschlossen hat. Das Institut hatte Cum-Ex-Geschäfte in großem Stil betrieben, allerdings wurden ihm diese Deals zum Verhängnis: 2016 schloss die Finanzaufsicht Bafin die Maple Bank, weil dieser wegen einer Steuerrückstellung im Zusammenhang mit den getätigten Cum-Ex-Geschäften die Überschuldung drohte. Die Bank rutschte in die Insolvenz. Freshfields hatte die Maple Bank in Sachen Cum-Ex beraten, und der Insolvenzverwalter der Maple Bank verklagte die Großkanzlei wegen Falschberatung auf 95 Millionen Schadensersatz. Die Kanzlei zahlt nun 50 Millionen Euro, im Gegenzug wird die Klage zurückgenommen.*

Mit Material von dpa

*korrigiert am 04.09.2019, 10:51 Uhr (LTO-Redaktion)

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Prozess zu Cum-Ex startet am LG Bonn: Strafbar durch die Gesetzeslücke geschlüpft? . In: Legal Tribune Online, 03.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37411/ (abgerufen am: 28.09.2023 )

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