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Prozessauftakt zu Cum-Ex-Geschäften vor dem LG Bonn: Ange­klagter Akti­en­händler kün­digt umfas­sende Aus­sage an

04.09.2019

Anklagebank im LG Bonn bei Beginn des Cum-Ex-Prozesses

© picture alliance/Marius Becker/dpa

In dem milliardenschweren Cum-Ex-Steuerskandal hat am Mittwoch vor dem LG Bonn der erste Strafprozess gegen zwei Akteure begonnen. Ihnen drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Einer der Angeklagten will umfassend zur Sache aussagen.

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Es ist ein Mammutprozess, der am Mittwoch vor dem Landgericht (LG) Bonn begonnen hat. 32 Verhandlungstage sind geplant, und allein die Verlesung der Anklageschrift dauerte zwei Stunden. Cum-Ex sei eine "sehr komplizierte Materie", sagte der Vorsitzende Richter Roland Zickler.

Die beiden ehemaligen Aktienhändler im Alter von heute 41 und 38 Jahren sind wegen besonders schwerer Steuerhinterziehung angeklagt. Sie sollen von 2006 bis 2011 einen Steuerschaden von rund 440 Millionen Euro verantwortet haben. In dem Zeitraum sollen sie mit einem Verwirrspiel von Aktien mit ("cum") und ohne ("ex") Dividendenanspruch rund um einen Zahlungsstichtag dafür gesorgt haben, dass die Finanzämter Steuern mehrfach erstatteten. Die Kölner Staatsanwältin Anne Brorhilker wirft ihnen in der Anklageschrift vor, ihr Geschäftsmodell sei "auf der betrügerischen Erlangung von Steuergeldern basiert" gewesen.

Nebenbeteiligte in dem Verfahren sind fünf Finanzinstitute, die in die Cum-Ex-Geschäfte der Angeklagten involviert gewesen waren. Hierbei handelt es sich um die übergeordnete Finanzholding der Warburg-Bank sowie deren Investment-Tochter, Unternehmen der Société Générale, von BNY Mellon sowie die Investmentfirma Hansainvest. Es soll geklärt werden, ob die Voraussetzungen der Anordnung der Einziehung nach § 73b Strafgesetzbuch (StGB) vorliegen. Die Vorschrift regelt, dass Gewinne aus illegalen Geschäften nicht nur vom Täter, sondern auch von Dritten eingezogen werden können, die davon profitiert haben. Laut einem Medienbericht könnte es dabei um knapp 390 Millionen Euro gehen.

Ein Angeklagter will reden

Im Vorfeld des Prozesses hatten die beiden Angeklagten gegenüber der Staatsanwaltschaft umfassende Angaben gemacht. Dass sie an den Cum-Ex-Geschäften mitgewirkt haben, ist also unstrittig. Offen ist aber, ob sie gutgläubig waren, weil sie dachten, eine deutsche Gesetzeslücke zu nutzen, oder ob sie dies mit Vorsatz taten - im Wissen, dass es bei ihrem Geschäft einer doppelten Steuererstattung unmöglich mit rechten Dingen zugehen kann.

Den Angeklagten drohen Haftstrafen von bis zu zehn Jahren. Sollte das Gericht sie wegen weitreichender Aussagen wie Kronzeugen werten, würde das mögliche Strafmaß reduziert. Die Anwältin des 41-Jährigen, Hellen Schiller, betonte am Mittwoch, dass ihr Mandant auch vor Gericht umfassend zur Sache aussagen werde. "Er wird dadurch einen weiteren entscheidenden Beitrag zur Aufklärung des Sachverhalts leisten, der die Grundlage rechtlicher Bewertung ist."

Oder war es nur Beihilfe zur Steuerhinterziehung?

Positiv für die beiden Angeklagten war, dass der Vorsitzende Richter nach der Verlesung der Anklageschrift eine etwas andere Sichtweise auf die Tatvorwürfe durchblicken ließ - teilweise könnte es sich nicht um Steuerhinterziehung, sondern nur um Beihilfe handeln, sagte er. Zudem sei der von der Staatsanwaltschaft errechnete Gesamtschaden möglicherweise etwas zu hoch - eine stornierte Zahlung des Finanzamtes müsste wohl abgezogen werden. Dann wären es noch knapp 400 Millionen Euro Gesamtschaden und nicht mehr 440 Millionen.

Die Urteilsverkündung ist für den 9. Januar 2020 geplant. Danach dürfte ein Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof folgen - eine höchstrichterliche Klärung des Sachverhalts wird nicht vor Ende 2020 erwartet. Danach wiederum dürften zahlreiche weitere Verfahren gegen andere Cum-Ex-Akteure starten. Die bundesweit erste Anklage in einem Cum-Ex-Fall erhob im Mai 2018 die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt, bei der nach jüngsten Angaben zehn solcher Verfahrenskomplexe anhängig sind. Über die Zulassung dieser Anklage hat das Landgericht Wiesbaden bislang aber noch nicht entschieden.

Wegen Cum-Ex-Deals sind dem Fiskus Milliarden entgangen

Die Ausmaße von Cum-Ex sind gewaltig. Nach Zahlen des Bundesfinanzministeriums gehen Ermittler 499 Verdachtsfällen mit einem Volumen von 5,5 Milliarden Euro nach. Davon seien bisher 2,4 Milliarden Euro an Kapitalertragsteuer erfolgreich zurückgefordert oder gar nicht erst ausgezahlt worden. Experten gehen von einem noch höheren Schaden aus: Deutschen Finanzämtern sind nach Berechnungen des Steuerexperten Christoph Spengel von der Universität Mannheim zwischen 2001 und 2016 mindestens 31,8 Milliarden Euro entgangen.

Ob die Cum-Ex-Geschäfte illegal waren, ist vom Bundesfinanzhof noch nicht abschließend geklärt. Die Ermittler sehen sich allerdings durch Entscheidungen verschiedener Finanzgerichte bestätigt. So hatte beispielsweise im Frühjahr 2017 das Hessische Finanzgericht in Kassel die Anrechnung der Kapitalertragsteuer bei den Cum-Ex-Deals versagt und gefordert, die Behörden müssten prüfen, ob die Steuergeschäfte eine "gängige Praxis auch anderer inländischer Kreditinstitute" gewesen seien, um die beteiligten Finanzhäuser gegebenenfalls in Haftung nehmen zu können (Az. 4 K 977/14).

dpa/ah/LTO-Redaktion

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Prozessauftakt zu Cum-Ex-Geschäften vor dem LG Bonn: . In: Legal Tribune Online, 04.09.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37441 (abgerufen am: 15.11.2025 )

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