Künstliche Intelligenz: Wenn der Robo­An­walt an die Kanz­leitür klopft

von Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford)

18.12.2015

2/2: Der RoboAnwalt im Gerichtssaal?

Aufgaben, die sich relativ leicht automatisieren lassen und viele repetitive Elemente enthalten, werden durch “intelligente” Technologien in absehbarer Zeit übernommen bzw. effizienter gestaltet. Je mehr für eine Aufgabe aber eine genuine juristische Wertung erforderlich ist, desto unwahrscheinlicher ist, dass sie durch KI ersetzt werden kann.

Insbesondere wenn es dazu kommt, menschliche Erfahrung, Intuition, Kreativität, soziale Intelligenz, Gerechtigkeitsempfinden und strategische Planung zu imitieren, werden menschliche Juristen noch lange - oder vielleicht auch immer - einen Wettbewerbsvorsprung haben. Auch im Gerichtssaal sind RoboAnwälte, die über Menschen urteilen oder diese verteidigen, kaum vorstellbar.

Mensch und Maschine lernen voneinander

Die Auswirkungen von KI werden daher je nach Position, Rechtsgebiet und Art der Tätigkeit höchst unterschiedlich ausfallen und zu spüren sein. Generell werden sich aber die Arbeitsweise und Berufsfelder von Juristen ändern. Juristen werden beispielsweise gebraucht, um die nur teilweise "intelligenten" Technologien zu bedienen. Da es sich bei angewandter KI gerade nicht um ein superintelligentes Wesen handelt, das Menschen komplett ersetzt, bedarf es menschlicher Experten, die die Technologien einsetzen und damit wirklichen Mehrwert generieren.

Es kommt zu einer Partnerschaft zwischen Mensch und Maschine. Vielfach wird heute daher nicht mehr von "Artificial Intelligence", sondern lieber von "Augmented Intelligence" gesprochen. Damit will man verdeutlichen, dass Maschinen derzeit Menschen helfen, bessere Lösungen zu finden. Maschine und Mensch lernen wechselseitig voneinander und treten nicht etwa in Konkurrenz zueinander.

Weniger, aber kreativere Anwaltsjobs

Also alles halb so wild? Es kommt darauf an: Es ist richtig, dass Anwälte so schnell nicht überflüssig werden. Richtig ist aber auch, dass angewandte KI zu erheblichen Veränderungen im Rechtsmarkt führen wird, wenn Anwälte mit Hilfe intelligenter Technologien ihre Arbeit bestreiten. Während sich Anwälte auf den kreativen Kern ihrer Tätigkeit konzentrieren können, werden viele automatisierbare und wiederkehrende Aufgaben von Maschinen übernommen werden. Dadurch wird es wahrscheinlich, so einige Prognosen, in der Summe weniger Arbeitsplätze für Anwälte geben.

Diese Entwicklung bietet aber auch die Chance, sich vermehrt den "menschlichen" und kreativen Aspekten anwaltlicher Arbeit zu widmen, etwa bei strategischen Überlegungen in Gerichtsverfahren oder bei Übernahmeverhandlungen. Es werden auch gänzlich neue Berufsfelder und Tätigkeitsbereiche entstehen. Nicht aus den Augen verlieren sollte man aber, dass die Entwicklung eines Computers mit menschenähnlichen Fähigkeiten (wirkliche KI) bereits in 20 bis 40 Jahren erwartet wird. Ganz unrealistisch ist das eingangs beschriebene Szenario daher nicht.

Der Autor Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford), Anwalt und Legal Tech Experte, betreibt den Blog www.legal-tech-blog.de.

Zitiervorschlag

Dr. Micha-Manuel Bues, MJur. (Oxford), Künstliche Intelligenz: Wenn der RoboAnwalt an die Kanzleitür klopft . In: Legal Tribune Online, 18.12.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17893/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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