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Köpfe: LTO Most Wanted mit Saskia Sch­lemmer

von Stefan Schmidbauer

13.12.2024

Saskia Schlemmer

Saskia Schlemmer | Bild: Swetlana Posdnyschewa

In Ausgabe No. 14 reformiert Saskia Schlemmer das Familienrecht, plädiert für die Abschaffung des § 218 StGB und legt jede Menge Geständnisse ab.

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Saskia Schlemmer ist Anwältin mit eigener Kanzlei. Die Familienrechtlerin befasst sich mit der gesamten Wertschöpfungskette zwischenmenschlicher Beziehungen. Als Buchautorin, Podcasterin und Influencerin gewährt sie, unter anderem auf Instagram und TikTok, einen Einblick in ihr Leben und räumt mit Vorurteilen über Eheverträge, Scheidungen und Unterhaltszahlungen auf.

Eine Überschrift für mein Leben: Echt, anders, pink und polarisierend.

Mein typischer Montag: Ich starte jeden Tag unter der Woche gegen ca. 6:00 Uhr, mache mich fertig und frühstücke mit meiner Familie. Mein Mann macht das Frühstück und ich kümmere mich um die Brotboxen und das Anziehen der Kinder. Die Fahrt in Schule und Kindergarten übernimmt mein Mann und ich setze mich dann gegen 7:30 Uhr an meinem Schreibtisch. Dort plane ich am Montag zunächst immer die Woche und bespreche mit meiner Assistentin die anstehenden Termine und organisiere alles, was in der Woche wichtig ist. 

Ab 9:00 Uhr folgen Besprechungstermine mit Mandanten, die meistens bis mittags angesetzt sind. Anschließend erledige ich Rückrufe und arbeite mich durch meine anstehenden Akten. Ab 15:00 Uhr ist generell Mama-Zeit. Ich hole meine Kinder ab und wir verbringen den Nachmittag mit Hobbys der Kinder oder anderen Aktivitäten. Es kann allerdings auch mal vorkommen,  dass ein beruflicher Termin ansteht. Wenn meine Kinder abends schlafen, setze ich mich meistens noch einmal an den Schreibtisch und nehme mir die Zeit für meine Social-Media-Projekte. Ich plane Reels oder Beiträge für Instagram und setze neue Ideen um oder arbeite auch noch an anderen Projekten, die neben der Kanzlei laufen.

Mein Getränk und meine Bar: Ich bin ein absoluter Cola-Light-Fan – aber es muss Coca-Cola Light sein, das Original. Kein Zero und auch keine andere Marke! Ich bin da sehr speziell. Außerdem muss mein Cola-Light Glas immer randvoll mit Eiswürfeln sein, aber ohne Zitrone.

Meine Lieblingsbar ist das Pink Pepper im Steigenberger Parkhotel in Düsseldorf. Die Location ist toll. Ehrlicherweise bin ich aber eher selten in einer Bar anzutreffen.

Ein Song, ein Film, ein Hotel: Mein absoluter Lieblingssong ist Diamonds von Rihanna. Bei Filmen muss ich überlegen…

Ich bin kein großer Filmfan, sondern ich schaue viel lieber Trash-TV und Serien. Besonders gern mag ich tatsächlich Anwaltsserien wie “Suits” oder “Lincoln Lawyer”, Dramen, wie “Die Kaiserin”, aber auch gerne leichtere Kost wie Gossip Girl oder Emily in Paris – alles, was unterhaltsam ist und Spaß macht. Horror ist hingegen gar nichts für mich. Wenn ich mich jedoch für einen Film am Abend entscheiden müsste, dann wäre es ein James Bond Film. Ich mag die perfekte Mischung aus Action und Unterhaltung, ohne dass es zu gruselig wird. 

Eines der schönsten Hotels, in dem ich je war und das mir besonders in Erinnerung geblieben ist, ist das Al Maha in der Wüste von Dubai.

Anzahl der Hochzeiten, zu denen ich eingeladen war: Puh, das ist eine gute Frage… Ich glaube es waren so ca. 30.  

Anzahl der Scheidungen, die ich begleitet habe: Deutlich mehr als ich auf Hochzeiten gewesen bin. 😊 Ich habe sogar Freunde, auf deren Hochzeit ich war und die ich später bei ihrer Scheidung begleitet habe.

Warum Jura? Ich habe Jura studiert, weil ich davon geträumt habe, die Welt ein Stück gerechter zu machen und Recht durchzusetzen.

Und vielleicht auch ein bisschen, weil ich einfach gerne Recht habe – das gebe ich gerne ganz offen und ehrlich zu. 😊

Dieses Gesetz habe ich schon einmal gebrochen: Oh je, jetzt muss ich mich tatsächlich outen. Diese Frage wurde mir noch nie gestellt. Als ich 13 Jahre alt war, habe ich einen Ladendiebstahl im Galeria Kaufhof begangen und wurde prompt erwischt. Das war für mich eine lehrreiche und vor allem heilsame Erfahrung. 

Ein Paragraf des Grauens: Wenn ich einen Paragrafen mit sofortiger Wirkung abschaffen könnte, dann würde ich nicht das Familienrecht, sondern das Strafrecht wählen – und zwar: § 218 StGB. Jede Frau soll über ihren Körper selbst entscheiden dürfen. Frauenrechte beginnen mit der Freiheit über sich und den eigenen Körper bestimmen zu dürfen!

Ein aktuelles berufliches Dilemma: Ein berufliches Dilemma ist und bleibt der Umgang mit Eheverträgen. Ich weiß, wie wichtig es ist, sich frühzeitig über seine Rechte und die Bedeutung eines fairen Ehevertrags zu informieren und aufzuklären zu lassen. Dennoch erlebe ich es immer wieder, dass insbesondere Frauen den Ehevertrag als unromantisch empfinden und sich dadurch gar nicht erst mit diesem Thema auseinandersetzen wollen. Es ist immer wieder eine Herausforderung, die Balance zwischen juristischer Klarheit und emotionalem Fingerspitzengefühl zu finden. 

Meine letzte Frage an ChatGPT: “Mach mir einen Reise- und Routenvorschlag für 3-4 Tag Lappland. Was muss ich alles sehen? Startpunkt Düsseldorfer Flughafen”.

Eine Scheidung, die ich immer noch im Kopf habe: Eigentlich bleibt jeder meiner Mandanten in meinem Kopf. Besonders präsent ist ein Fall, bei dem es im Rahmen der Scheidung nicht nur um die finanzielle Trennung ging, sondern auch um das Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder. Die Eltern waren hochstrittig, was das ganze Verfahren kompliziert und emotional belastend gemacht hat.  In diesem Fall habe ich sehr viele Ungerechtigkeiten erlebt und das System mehrfach in Frage gestellt. Für meine Mandantin war dieser Kampf eine enorme Belastung, die sich sogar auf ihre Gesundheit ausgewirkt hat. Schlussendlich haben wir es geschafft, eine tragfähige Lösung zu finden, die es meiner Mandantin und auch den Kindern ermöglicht hat, wieder zur Ruhe zu kommen und mit neuem Mut und Zuversicht in die Zukunft zu blicken.

Meine Idee(n) für eine Reform des Familienrechts: Ich habe einige konkrete Ideen, wie das Familienrecht reformiert werden könnte:

Ganz oben steht für mich die finanzielle und steuerliche Entlastung von Alleinerziehenden. Sie tragen oft die größte Last bei der Betreuung und Versorgung der Kinder, sind aber gleichzeitig stark benachteiligt. Zusätzlich halte ich härtere Sanktionen bei der Nichtzahlung von Unterhalt für notwendig. In den USA gibt es erfolgreiche Maßnahmen wie den Führerscheinentzug oder striktere Strafverfolgung. Zwar ist die Nichtzahlung von Kindesunterhalt auch in Deutschland nach § 170 StGB strafbar, aber es kommt nur selten zu Verurteilungen. Ein Führerscheinentzug oder strengere Pfändungsregelungen, die auch Zugriff auf im Ausland befindliche Konten ermöglichen, wären meiner Meinung nach sinnvolle Mittel, um Unterhaltsverpflichtungen konsequenter durchzusetzen. Außerdem sollten Unterhaltszahlungen im Insolvenzverfahren oberste Priorität erhalten.

Ein weiterer wichtiger Punkt ist die rechtliche Absicherung unverheirateter Partner. Gerade Mütter, die sich in einer langjährigen Partnerschaft befanden, sind bei einer Trennung oft rechtlich schlechter gestellt als verheiratete Personen. So haben sie keinen Anspruch auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs, des Zugewinnausgleichs oder auch keinen Anspruch auf Trennungsunterhalt. Hier sollten Schutzmechanismen geschaffen werden, die insbesondere die wirtschaftlich schwächere Partei absichern. 

Ich halte auch die Einführung eines sogenannten “Trennungsfonds” für sinnvoll. Viele Frauen bleiben aufgrund finanzieller Abhängigkeit oder wirtschaftlicher Machtstrukturen in ungesunden Beziehungen. Ein staatlich unterstützter Fonds könnte Betroffenen ermöglichen, sich von ihrem Partner zu trennen, ohne in existenzielle Not zu geraten.

Bei der Frage nach der Betreuung von Kindern nach einer Trennung sollte das in der Beziehung gelebte Betreuungsmodell meiner Meinung nach als Grundlage dienen. Es ist wichtig, dass das Wohl des Kindes im Vordergrund steht und die tatsächlichen Verhältnisse berücksichtigt werden. Das passiert in der Realität leider nicht immer. 

Darüber hinaus sehe ich großen Reformbedarf bei der Anerkennung und Aufteilung unbezahlter Care-Arbeit. Ein sogenanter “Care-Arbeit-Bonus” könnte hier eine sinnvolle Lösung sein. Wer in einer Ehe oder Partnerschaft über Jahre hinweg die Hauptlast der unbezahlten Arbeit getragen hat, sollte im Falle einer Scheidung eine entsprechende Entschädigung erhalten, die sich an den wirtschaftlichen Verhältnissen beider Partner orientiert.

Eine Vorlesung, die Jura-Studierende auf keinen Fall schwänzen sollten: Ich bin ehrlich: Ich war diejenige, die gerne Vorlesungen ausfallen lassen hat und sich viel im Selbststudium erarbeitet hat. Dafür habe ich allerdings fast keine AG und auch das Repetitorium jemals ausgelassen. Trotzdem bleibt mir eine Vorlesung besonders in Erinnerung: die BGB-AT Vorlesung Bei Prof. Dr. Dirk Olzen an der Heinrich Heine Universität Düsseldorf. Dort habe ich viel und vor allem nachhaltig gelernt. Wenn er heute noch aktiv lehren würde, würde ich jedem Studierenden diese Vorlesung wärmstens ans Herz legen.

Diese/n Juristin/Juristen müssen die LTO-Leser kennenlernen: Neda Wysocki. Sie ist eine beeindruckende Frau, die mit drei Kindern in der Examensvorbereitung ist. Ich war selbst mit Kleinkind im Referendariat und habe schwanger mein zweites Staatsexamen geschrieben. Ich weiß, wie herausfordernd der Alltag als Mama in der Jurawelt ist und ich glaube, dass das Thema Jurastudium und Familie stärkere Beachtung finden sollte.

 

Mehr Most Wanted? Tom Braegelmann | Incoronata Cruciano | Joachim Ponseck | Marc Roberts | Maximilian Riege | Fatima Hussain | Anne Graue | Victoria Fricke | Ann-Kathrin Ludwig | Stephanie Beyrich | Christiane Eymers | Martina Rehman | Martina Flade | Marco Buschmann | Anosha Wahidi | Gregor Gysi | Dirk Wiese | Konstantin von Notz | Sabine Stetter | Katharina Humphrey | Jutta Otto | Hanno Kunkel | Alfred Dierlamm | Mohamad El-Ghazi | Jan Philipp Albrecht | Helene Bubrowski | Ali B. Norouzi | Naila Widmaier | Andrej Umansky | Tijen Ataoğlu | Philippos Botsaris | Ralf Leifeld | Holger Dahl | Herta Däubler-Gmelin | Volker Römermann | Jerry Roth | Sebastiaan Moolenaar | Eckart Brödermann | Dominique Grüter | Vivian Kube | Die Übersicht mit allen bisher veröffentlichten Ausgaben finden Sie hier.

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Köpfe: . In: Legal Tribune Online, 13.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56091 (abgerufen am: 14.11.2025 )

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