Die Jugendrichterin Martina Flade definiert Gerechtigkeit, sagt wo sie Handlungsbedarf in der juristischen Ausbildung sieht und erklärt, warum sie eine Scheidungsanwältin als Vorbild hat.
Martina Flade ist Richterin, Content Creatorin und Mama. Ursprünglich aus der Tschechischen Republik stammend, kam sie im jugendlichen Alter nach Deutschland. Nach ihrem Studium an der Universität Leipzig und Referendariat im Freistaat Sachsen begann sie ihre juristische Laufbahn als Staatsanwältin in Bayern.
Seit etwa zwei Jahren ist Martina Flade Jugendrichterin und stellvertretende Pressesprecherin am Amtsgericht Chemnitz. Mit Leidenschaft verbindet sie ihre juristische Expertise mit ihrem Engagement in den sozialen Medien, um rechtliche Themen verständlich und nahbar zu machen. Auf Instagram, YouTube und bei LTO gibt sie Einblicke in ihren Berufsalltag, teilt Inspirationen für eine ausgewogene Work-Life-Balance, bloggt über ihr Leben und beleuchtet spannende Themen rund um die Justiz.
Eine Überschrift für mein Leben: "Mit Visionen durchs Leben". Weil ich immer ein Ziel habe, das ich hartnäckig verfolge.
Mein typischer Montag: Der Montag ist bei mir immer der hektischste Tag. Ich stehe früh um sechs auf, mache mir einen Kaffee und bin gegen sieben im Büro, da ab 8:00 Uhr die Anhörungen und anschließenden Verhandlungen starten. Eigentlich versuche ich auch, morgens Mobilitätstraining einzubauen, aber das schaffe ich am Montag meistens nicht. Mein Frühstück esse ich oft nur nebenher – also eigentlich kein gutes Beispiel für einen ausgewogenen Start in die Woche!
Mein Getränk und meine Bar: Seitdem ich Mama bin, gehe ich kaum noch in Bars. Mit meiner Tätigkeit als Richterin, meinen Social-Media-Aktivitäten und Podcasts bleibt wenig Freizeit. Die Zeit, die ich habe, verbringe ich lieber mit meiner Familie. Deshalb trifft man mich eher auf dem Kinderspielplatz, beim Kindersport oder beim Reiten – meistens mit der Kinderflasche meines Kindes in der Hand und einem Rucksack mit Wechselsachen dabei – als in einer Bar mit einem Cocktail.
Ein Song, ein Buch, ein Podcast: Aktuell liebe ich die Spotify-Playlist mit Weihnachtssongs – ich bin ein absoluter Weihnachtsmensch und höre im Dezember fast nichts anderes! Mein Lieblingsweihnachtssong ist "Wonderful Christmas Time" von Paul McCartney 🌟🌟🌟.
Heilsam und empowernd: Das neue Buch von Jochen Schweizer ("Das Jochen-Schweizer-Prinzip"), inspiriert durch die buddhistische Lehre.
Neben meinem eigenen Podcast, “Mrs. Right”, höre ich sehr gerne den amerikanischen Podcast “Colin and Samir -Show” für Creator, den OMR Podcast und {ungeskriptet} – der ehrliche Podcast ohne Skript.
Zahl meiner Arbeitsstunden pro Woche: Gefühlt mache ich immer irgendetwas, denn ich grenze meine Arbeitszeit nicht strikt ab – es gibt einfach immer etwas zu tun. Meistens bin ich bis zum Nachmittag im Gericht und habe danach Zeit für meine Familie. Aber sobald mein Kind abends schläft, hole ich oft Dinge nach, die ich tagsüber im Gericht nicht geschafft habe, oder ich erstelle Instagram-Content, nehme einen Podcast auf, schreibe E-Mails usw. Eine genaue Stundenzahl lässt sich deshalb kaum sagen.
Warum Jura? Schon als Kind hatte ich eine Rechtsanwältin als Vorbild, die für mich wie ein Leitbild war. Sie hat mir schon früh gezeigt, wie man durch die Anwendung von Wissen, besonders im Bereich Jura, das Leben von Menschen verändern kann. Für mich war schnell klar, dass Jura nicht nur Stärke gibt, sondern auch eine Möglichkeit ist, anderen zu helfen.
Dieses Gesetz habe ich schon einmal gebrochen: Leider § 3 StVO (aber fahrlässig).
Meine Interpretation von Gerechtigkeit: Gerechtigkeit bedeutet für mich, jedem die Chance zu geben, gehört zu werden und mich ernsthaft mit seinen Anliegen auseinanderzusetzen.
Ein Paragraf des Grauens: Ich habe mir einmal mit einer EU-Verordnung (Arten der Anhänge A und B der Verordnung (EG) Nr. 338/97) eine ganze Nacht um die Ohren geschlagen – es ging um einen Fall von Animal Hoarding mit exotischen Tieren. Es gibt übersichtlichere Gesetzestexte.
Ein aktuelles berufliches Dilemma: Ich würde es nicht direkt als Dilemma bezeichnen, aber auf mich kommen 2025 einige Änderungen zu, auf die ich mich vorbereiten muss.
Das Strafmündigkeitsalter sollte: Das ist eine sehr schwierige Frage, die natürlich die Gemüter immer wieder bewegt. Nach § 3 JGG muss der Jugendrichter auch bei Jugendlichen prüfen, ob sie die geistige und sittliche Reife hatten, das Unrecht ihrer Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Die strafrechtliche Verantwortung wird also auch bei Jugendlichen nicht pauschal unterstellt. Unter diesen Maßstäben wäre theoretisch auch eine Herabsetzung des Strafmündigkeitsalters denkbar, da es immer wieder zu Störgefühlen bei Straftaten kurz vor dem 14. Lebensjahr kommt.
Vor dem Hintergrund des Erziehungsgedankens des JGG muss jedoch die Sinnhaftigkeit einer solchen Änderung hinterfragt werden. Denn auch Straftaten von Kindern bleiben nicht ohne Konsequenzen: Nach geltendem Recht können Maßnahmen wie die Entziehung des elterlichen Sorgerechts, spezielle Trainingsseminare, aber auch geschlossene Heimunterbringungen oder eine Unterbringung in einer Psychiatrie angeordnet werden.
Ein Strafverfahren, das ich nicht vergessen kann: Ein Verfahren, das mir besonders in Erinnerung geblieben ist, war eines, in dem sich die Mutter des Angeklagten nach der Verhandlung bei mir bedankt hat. Ihr Sohn war in Untersuchungshaft und wurde zu einer langjährigen Haftstrafe verurteilt. Trotz des Urteils fand sie während der Untersuchungshaft wieder einen Draht zu ihm und erkannte, dass er dadurch die Chance hatte, wieder auf einen guten Weg zu kommen.
Meine Idee(n) zur Reform der juristischen Ausbildung: Der Prüfstoff aus dem ersten Examen könnte stärker in das Studium integriert werden, um den Stoff für das Examen selbst zu verschlanken.
Eine Vorlesung, die Jura-Studierende auf keinen Fall schwänzen sollten: Ich würde gerne mal eine Strafrechtsvorlesung von Prof. Dr. Oğlakcıoğlu an der Universität des Saarlandes besuchen. Seine offene und innovative Art, die er auch in seinen Vorlesungen mit anschaulichen KI-generierten Bildern unterstreicht, zeigt sein ernsthaftes Interesse an den Belangen der Studierenden.
Diese/n Juristin/Juristen müssen die LTO-Leser kennenlernen: @diescheidungsanwaeltin Saskia Schlemmer! Ich schätze ihre frische, inspirierende Art sehr und sie beeindruckt mich nicht nur als Rechtsanwältin, sondern auch als Unternehmerin, die spannende Einblicke über den Tellerrand hinaus gibt. Außerdem ist sie Schriftstellerin, was sie zu einer besonders vielseitigen Persönlichkeit macht. Für mich ist sie ein echtes Vorbild und eine große Inspiration.
Mehr Most Wanted? Hier geht es zu den bisherigen Ausgaben: Tom Braegelmann | Incoronata Cruciano | Joachim Ponseck | Marc Roberts | Maximilian Riege | Fatima Hussain | Anne Graue | Victoria Fricke | Ann-Kathrin Ludwig | Stephanie Beyrich | Christiane Eymers | Martina Rehman | Saskia Schlemmer | Marco Buschmann | Neda Wysocki | Anosha Wahidi | Gregor Gysi
Köpfe im Rechtsmarkt: . In: Legal Tribune Online, 06.12.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/56029 (abgerufen am: 24.01.2025 )
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