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Was hat die neue Regierung im Kartellrecht vor?: Minis­ter­er­laubnis und Killer Acqui­si­tions

von Dr. Florian C. Haus und Fabian Schmidt

10.12.2021

Warnschild "Koalitionsvertrag"

(c) pusteflower9024 - stock.adobe.com

Killer Acquisitions, Entflechtung, Ministererlaubnis und eine Stärkung des Bundeskartellamtes. Die neue Regierung will auch im Kartellrecht Akzente setzen. Florian C. Haus und Fabian Schmidt beleuchten die wichtigsten Vorhaben. 

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SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP haben ihren Koalitionsvertrag vorgestellt, der das Programm der Regierungskoalition für die laufende Legislaturperiode bestimmt. Auch zum Kartellrecht finden sich hierin einige wesentliche Aussagen. Auf der Agenda stehen sowohl Vorhaben, die sich auf nationaler Ebene umsetzen lassen als auch Projekte, bei denen es darum geht, Gesetzesvorhaben der Europäischen Union im Sinne der Regierungskoalition zu beeinflussen. Besondere Aufmerksamkeit erhalten Killer Acquisitions, die missbrauchsunabhängige Entflechtung, die Ministererlaubnis und der Verbraucherschutz.  

Stärkere Kontrolle von "Killer Acquisitions" 

Die Koalitionspartner wollen sich für die Unterbindung sogenannter "Killer Acquisitions" im Rahmen der EU-Fusionskontrolle einsetzen. Dieses Vorhaben steht schon seit längerer Zeit auch auf der Agenda der EU-Kommission. Gemeint ist der systematische Aufkauf von kleineren Konkurrenten durch bereits marktstarke Unternehmen, die damit Wettbewerbsdruck beseitigen und Innovationen Dritter bestenfalls für sich nutzen oder schlichtweg vom Markt nehmen wollen.  

Weil die fusionskontrollrechtliche Prüfung in den meisten Mitgliedstaaten der Europäischen Union und auch bei der Prüfung durch die Kommission an das Überschreiten bestimmter Umsatzschwellen geknüpft ist, werden Killer Acquisitions nicht fusionskontrollrechtlich erfasst, wenn das Zielunternehmen noch keine oder nur geringe Umsätze erzielt.  

Die Kommission hatte bereits einen Vorschlag zur diesbezüglichen Anpassung der Fusionskontrollverordnung (FKVO) erwogen, hiervon nach Durchführung einer öffentlichen Konsultation jedoch Abstand genommen. Eine fusionskontrollrechtliche Anmeldepflicht, die auf den Transaktionswert, also den Kaufpreis, wurde ebenfalls nicht weiterverfolgt.  

Die Kommission hat stattdessen verkündet, ihre Verweisungspraxis unter Anwendung von Art. 22 FKVO anzupassen. Diese Norm begründet eine Zuständigkeit aufgrund Verweisung, wenn ein Zusammenschlussvorhaben keiner Anmeldepflicht bei der Kommission unterliegt. Die Kommission will Art. 22 FKVO sogar dann anwenden, wenn eine Zuständigkeit im Mitgliedstaat nicht gegeben ist (Fall Illumina/Grail).  

Diese Verweisungslösung kommt mit erheblichen Unklarheiten in Bezug auf den Fristenlauf oder ihre materiellen Voraussetzungen. Eine ausdrückliche gesetzliche Regelung könnte dieser Unsicherheit entgegenwirken. Änderungen der FKVO sind wegen des hierfür bislang geltenden Einstimmigkeitsprinzips jedoch aufwändig, sodass mindestens unsicher ist, welche Erfolgsaussichten dem Vorhaben der Regierungskoalition zuzubilligen sind.  

Insoweit ist nach dem Verlauf der Beratungen zum Digital Markets Act eher naheliegend, dass sich weder die Kommission noch die Mehrheit des Rates für eine ausgreifende zusätzliche Kompetenz im Bereich der Fusionskontrolle erwärmen kann. 

Die missbrauchsunabhängige Entflechtung 

Die Koalitionsparteien wollen bei ihren Bemühungen zur Fortentwicklung des Unionsrechts nicht bei der möglichen Erweiterung der Fusionskontrolle stehen bleiben. Überraschend findet sich im Koalitionsvertrag auch das Vorhaben wieder, eine missbrauchsunabhängige Entflechtungskompetenz als kartellrechtliche Ultima Ratio zu regeln.  

Einen diesbezüglichen Vorschlag hatte vor über zehn Jahren die FDP-Fraktion vorgelegt, ohne aber ausreichende Unterstützung gewinnen zu können. Seinerzeit war als maßgebliche Eingriffsvoraussetzung vorgesehen, dass das betroffene Unternehmen auf einem Markt mit gesamtwirtschaftlicher Bedeutung marktbeherrschend ist und auf absehbare Zeit kein wesentlicher Wettbewerb auf diesem Markt erwartet werden kann.  

Nicht nur stellt ein solcher Ansatz die verfassungsrechtliche Frage von Enteignungen und Inhalts- und Schrankenbestimmungen des Eigentums und der Berufsfreiheit. Auch die Bewertung des zu entflechtenden Unternehmens für eine ausreichende Entschädigung ist komplex. Der Gesetzgeber muss zudem Farbe bekennen, welcher Wettbewerbsphilosophie er anhängt. Hat er Respekt vor der Anmaßung von Wissen über das "richtige" Ergebnis des Entdeckungsverfahrens Wettbewerb und scheut er die Intensität des staatlichen Eingriffs in individuelle Marktfreiheiten? Oder sieht er "Marktdesign" als legitimes staatliches Ziel an? Es ist zu befürchten, dass die Entflechtung in der Ampelkoalition erstmals eine echte Chance hat. 

Reform der Ministererlaubnis 

Das Instrument der Ministererlaubnis ist und war seit jeher Kritik ausgesetzt. Einen vorläufigen Höhepunkt erreichte diese im Fall Edeka/Kaiser’s Tengelmann. Der damalige Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) erteilte - entgegen der Empfehlung der Monopolkommission - die Erlaubnis, infolgedessen deren Vorsitzender zurücktrat und das OLG Düsseldorf die Erlaubnis im Eilverfahren kassierte (Beschl. v. 23.08.2017; Az. VI-Kart 5/16 (V)) 

Als Reaktion hierauf wurden die Rechtsschutzmöglichkeiten dritter Unternehmen gegen eine Ministererlaubnis im Zuge der 9. GWB-Novelle erheblich beschnitten. Dritte können seither lediglich dann Beschwerde einlegen, wenn sie eine Verletzung ihrer Rechte darlegen können, was ihnen praktisch kaum möglich ist.  

Die Koalitionspartner halten an der Ministererlaubnis fest, wollen jedoch laut Koalitionsvertrag "das Ministererlaubnisverfahren so reformieren, dass wieder angemessene Klagemöglichkeiten gegen eine Ministererlaubnis bestehen". Die zuvor skizzierte Reaktion des Gesetzgebers soll also rückgängig gemacht werden. Darüber hinaus will die Ampelkoalition auch den Bundestag im Verfahren beteiligen. Der Koalitionsvertrag schweigt zur näheren Ausgestaltung.  

Nicht nur müssten die Geschäftsgeheimnisse der Zusammenschlussbeteiligten gewahrt bleiben. Die Beteiligung des Bundestages treibt vor allem die Politisierung des Erlaubnisverfahrens auf die Spitze und entfernt die Beurteilung von Zusammenschlussvorhaben noch weiter von der Sachebene. Weil zugleich die Kontrolle der Kartellgerichte gestärkt werden soll, könnte dann ggf. die zustimmende oder ablehnende Mitwirkung des Bundestages kritisch erfasst sein. Dies wirft interessante verfassungsrechtliche Kompetenzfragen auf.  

Stärkung des Bundeskartellamtes 

Die Ampelkoalition nimmt sich ferner vor zu prüfen, "wie das Bundeskartellamt gestärkt werden kann, um bei erheblichen, dauerhaften und wiederholten Verstößen gegen Normen des wirtschaftlichen Verbraucherrechts analog zu Verstößen gegen das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) Verstöße zu ermitteln und diese abzustellen." Diese Formulierung im Koalitionsvertrag ist angelehnt an die bereits bestehende Kompetenz des Bundeskartellamts (BKartA), beim Verdacht erheblicher, dauerhafter oder wiederholter Verstöße gegen verbraucherrechtliche Vorschriften Sektoruntersuchungen durchzuführen.  

Auf Grundlage dieser Vorschrift hat das BKartA beispielsweise die Sektoruntersuchung zu Nutzerbewertungen durchgeführt. Das Amt deckte manipulierte Produkttests auf, identifizierte nicht-authentische oder manipulierte Bewertungen und erkannte Verhaltensweisen von Portalbetreibern, die negative Bewertungen unterdrückten.  

Es konnte auf die aufgedeckten Missstände jedoch nur hinweisen. Sofern Verstöße eines Unternehmens gegen verbraucherrechtliche Vorschriften keinen spezifischen Marktmachtbezug aufweisen, kommt dem BKartA derzeit nämlich keine Eingriffsbefugnis zu. Ausdrücklich beklagt das Amt im Abschlussbericht, dass es "selbst in einem konkreten Verdachtsfall […] kein Verwaltungsverfahren gegen das betreffende Unternehmen führen" kann.  

Diesen "Hilferuf" hat die Ampelkoalition erhört und will dem BKartA für erhebliche, dauerhafte oder wiederholte Verstöße gegen das Verbraucherschutzrecht offenbar den vollen Werkzeugkasten des GWB zur Verfügung zu stellen. Konkret könnte dies bedeuten, dass das Amt auch im Bereich des Verbraucherschutzes die im GWB vorgesehenen Ermittlungsbefugnisse erhält. Dies wären z.B. Durchsuchungen, Befragungen und Beschlagnahmungen. Zudem könnte das BKartA die Befugnis erhalten, in solchen Fällen Verbote auszusprechen und Geldbußen zu verhängen. Diese sind im Kartellrecht bekanntermaßen nicht gering. 

Dr. Florian C. Haus ist seit 2004 Rechtsanwalt und seit 2017 Partner bei Flick Gocke Schaumburg. Er ist Mitherausgeber der Zeitschrift für Wettbewerbsrecht. Fabian Schmidt ist seit 2017 Rechtsanwalt bei Flick Gocke Schaumburg. Sie beraten zum deutschen und europäischen Kartell-, Fusionskontroll-, und Missbrauchsrecht sowie zu Compliance / Risk Management. 

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Was hat die neue Regierung im Kartellrecht vor?: . In: Legal Tribune Online, 10.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46895 (abgerufen am: 17.11.2025 )

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