Es gibt die unterschiedlichsten Kanzleiveranstaltungen: Vom bloßen Get-Together bis zum intensiven Fachaustausch. Zwei Associates der Berliner Kanzlei Lindenpartners wollten alles anders machen – und haben viel dabei gelernt.
LTO: Sie beide haben die Kanzlei-Veranstaltung "Fintech statt Filiale: Bye Bye Banks?" initiiert und maßgeblich organisiert – und rund 100 Mandanten und Unternehmer sind Ihrer Einladung gefolgt. Warum haben die Partner so eine große Veranstaltung zwei Associates überlassen?
Christoph Jacobs: Sie haben uns nicht das OK gegeben, weil sie uns so gerne mögen, sondern weil wir ein gutes Konzept präsentiert haben. Die Ansage der Partner war: Stellt eine Veranstaltung auf die Beine, die sich vom Markt absetzt – ansonsten lohnt es sich nicht. Das haben wir getan.
Christian Lange-Hausstein: Die Idee dazu entstand, als für uns immer deutlicher wurde, dass der Fintech-Markt aus der Sicht vieler Unternehmen alles andere als klar und übersichtlich ist. Dort gibt es viele Graubereiche. Unser Regulierungsteam hat Banken und Sparkassen als Kunden, und wir haben bemerkt, dass hier ein großer Informationsbedarf besteht. Auf der anderen Seite stehen die Gründer. Ein Beispiel: Ein Start-up kam für eine Finanzierungsrunde zu uns, hatte sich mit der Regulierung des Geschäftsmodells aber noch nie befasst.
"Veranstaltungen werden schnell langweilig"
LTO: Wie hat sich Ihr Konzept von dem anderer Veranstalter unterschieden?
Jacobs: Unsere eigene Wahrnehmung von Veranstaltungen ist oft, dass es schnell langweilig werden kann. Vor allem dann, wenn die Themen nur oberflächlich behandelt werden. Also haben wir uns vorgenommen, echten Mehrwert – auf Neudeutsch 'Content' – zu schaffen. Nachdem der Begriff 'Werkstattgespräch' zum ersten Mal gefallen war, hatten wir unser Ziel vor Augen.
Lange-Hausstein: Wir wollten nicht einfach nur zu kostenlosen Drinks einladen, das gibt es hier in Berlin jede Woche. Es sollte stattdessen eine offene Veranstaltung werden, nicht nur für unsere Mandanten. Und wir wollten nicht nur Lindenpartners-Juristen auf das Rednerpult stellen. Also haben wir einige Start-ups angefragt, ob sie mit uns Ko-Referate halten würden. Wir wollten beide Seiten darstellen: Beispiele aus der Praxis und die rechtliche Einschätzung dazu.
Gesamte Kanzlei war involviert
LTO: Wie ist das Konzept bei den Teilnehmern angekommen?
Lange-Hausstein: Das Feedback des Publikums an dem Abend haben wir als sehr positiv wahrgenommen. Das freut uns natürlich, denn darunter waren viele unserer Mandanten. Unser Ziel war es, zu zeigen, dass wir technologisches Verständnis haben und die Marktentwicklung verstehen. Nur so kann man sich von Wettbewerbern absetzen. Dass ein Anwalt Jura kann, wird vorausgesetzt.
LTO: Und was haben Ihre Wettbewerber dazu gesagt?
Lange-Hausstein: Wir hatten Besucher einiger großer Kanzleien. Viele Kanzleien möchten ja keine anderen Juristen auf ihren Veranstaltungen haben. Dahinter steht die Angst, dass Kollegen aus anderen Kanzleien ihnen die Mandanten direkt von den Stehtischen wegschnappen. Das halten wir für falsch. Denn viele Mandate werden, etwa aufgrund von Konflikten, auf Empfehlung vergeben. Vor allem für Anwälte aus mittelständischen Kanzleien wie Lindenpartners macht es daher jederzeit Sinn, sich auch den Kollegen vorzustellen.
LTO: Es war die erste eigene Veranstaltung von Lindenpartners. Wie hat sich die Organisation intern auf Ihre Kanzlei ausgewirkt?
Jacobs: Das Kernteam bestand aus acht Anwälten, uns beide eingerechnet. Doch irgendwann hatte man das Gefühl, dass sich alle damit identifiziert haben. Die Kanzlei hat sich die Veranstaltung quasi zu eigen gemacht. Jeder hat irgendeinen Beitrag dazu geleistet. Der Claim etwa kam von einem unserer Partner, der – zu Recht – unsere ursprüngliche Fassung einfach nicht cool fand.
Lange-Hausstein: Intern waren irgendwann alle 35 Kollegen auf das Thema gepolt. Insofern war es eine intensive Weiterbildung für alle Anwälte. Jeder hat sich mit dem Thema Fintech beschäftigt. Und die beiden Praxisgruppen, die es am meisten betrifft – IT und Regulierung – arbeiten nun ganz anders zusammen. Der Austausch untereinander ist gewachsen, was uns gegenseitig befruchtet. Und wir haben entdeckt, was für Schätze in den Mandatsbeziehungen der Kollegen verborgen lagen! Zu erfahren, welche Mandanten der Kollege im Nebenzimmer betreut, war sehr spannend.
Jacobs: Auch am Tag des Events selbst haben wir nochmal viel dazugelernt. Denn man kann zwar am Schreibtisch Szenarien simulieren, aber konkrete Beispiele aus der Praxis bringen größeren Mehrwert. Die offene Situation, die wir schaffen wollten, das 'Werkstattgespräch', hat funktioniert.
Auch Associates können so zur Akquise beitragen
LTO: Gab es weitere positive Folgen?
Lange-Hausstein: Alle Anwälte nutzten die Gelegenheit, ihre Kontakte zu aktivieren. Und diese Kontakte haben selbst als Multiplikatoren gewirkt. Denn sie haben wiederum andere Unternehmer eingeladen, die an dem Thema interessiert waren. So hat sich unsere Reichweite erheblich vergrößert.
Jacobs: Für uns Associates war es ein wichtiger Beitrag zur Akquise für die Kanzlei. Denn als Associate ist man in erster Linie darauf angewiesen, kollektive Maßnahmen zu nutzen, bei denen man akquirieren kann. Das heißt, entweder man nimmt an Veranstaltungen teil oder organisiert selbst welche. Es nützt nichts, das Wissen für sich selbst anzusammeln. Man muss auch darüber sprechen und Gründe finden, um darüber zu sprechen. Wir Associates sind ganz anders vernetzt als Partner, die schon länger im Geschäft sind. Dadurch können wir einen wichtigen Beitrag zur Akquise leisten. Associates bergen einen Schatz, den viele Kanzleien nicht heben!
LTO: Lindenpartners scheint viel Vertrauen in ihre Associates zu haben.
Jacobs: Das stimmt. Wir haben tatsächlich einen großen Vertrauensvorschuss bekommen. Das funktioniert nur in einer Kanzlei mit flachen Hierarchien. Doch das Vertrauen wäre auch schnell wieder weggewesen, wenn wir nur Unsinn gemacht hätten. Wir mussten schon zeigen, dass wir es ernst meinen.
Lange-Hausstein: Das mit den flachen Hierarchien ist aber in der Praxis gar nicht so einfach. Wenn man nämlich von einem Partner, auf dessen Hinweis oder Freigabe man angewiesen ist, verlangt, bis zu einer bestimmten Frist auf eine E-Mail zu antworten, fühlt sich das anfangs komisch an. Doch es ist für so ein Event absolut notwendig. Und es ist interessanterweise gut angekommen. Das haben wir also gelernt: Es wird gutgeheißen, wenn jemand Dinge in die Hand nimmt.
LTO: Und was hat das Ganze gekostet?
Jacobs: Das Investment der Kanzlei wurde vor allem in Form von Zeit getätigt. Zeit, die auch hätte gebillt werden können. Wie man eine Veranstaltung macht, das mussten wir erstmal lernen.
Hinzukam die juristische Arbeit, also die Vorbereitung der Vorträge und die Abstimmung mit unseren Ko-Referenten, den Gründern. Und auch Zeit für andere Kanzleimitarbeiter. Die Assistentinnen haben beispielsweise die Raumplanung gemeinsam mit unserer Agentur übernommen und die IT hat für die technische Umsetzung gesorgt.
Lange-Hausstein: Außerdem wurde unsere Werbeagentur beauftragt, uns zu begleiten. Mit ihr haben wir übrigens auch die Marke 'Etage 15 – Legal Shop Talks' entwickelt. Der Hintergrund ist der, dass das 15. Stockwerk zwischen den Etagen darüber und darunter das Herz der Kanzlei ist.
Mikrofone funktionierten nicht – ausgerechnet bei einer Kanzlei, die im Tech-Bereich berät
LTO: Die Reihe mit dem Label 'Etage 15' soll in regelmäßigen Abständen weitergeführt werden. Warum genügt nicht eine Veranstaltung?
Jacobs: Es stimmt, unsere Veranstaltung hat den Auftakt zu einer ganz neuen Reihe von Werkstattgesprächen eingeläutet. Das wurde bereits vor dem Event von der Partnerschaft abgesegnet und hat den Druck auf das Gelingen natürlich nicht verringert! Schon früh haben wir gemerkt, dass nicht nur der Aufwand, den eine eigene Veranstaltung gegenüber der Teilnahme an externen Veranstaltungen bedeutet, sehr viel höher ist. Sich auf anderen Veranstaltungen zu zeigen, etwa als Moderator oder Referent, ist natürlich unerlässlich. Aber die Präsenz und die Wahrnehmung der Kanzlei am Markt steigt massiv, wenn man es selbst macht. Das ist entscheidend.
LTO: Ist denn eigentlich auch etwas schiefgegangen?
Lange-Hausstein: Ja, Probleme gab es bei den Einladungen. Als Anwälte dürfen und wollen wir Kontaktdaten nicht an professionelle Anbieter von Mailingsystemen rausgeben. Eine selbst entwickelte und gehostete Mail-Lösung ist allerdings längst nicht so komfortabel wie diese.
Jacobs: Einige Mikros haben zu Beginn der Veranstaltung nicht funktioniert und der Beamer auch erst nicht. Und das bei einer Kanzlei, die im Tech-Bereich berät! Das hätte ein professioneller Eventmanager sicher im Blick gehabt. Aber insgesamt ist erstaunlich wenig schiefgelaufen.
Dr. Christian Lange-Hausstein (32) ist seit 2013 Associate bei der Berliner Kanzlei Lindenpartners. Der Schwerpunkt seiner anwaltlichen Tätigkeit liegt im Datenschutz und dem IT/IP-Recht.
Christoph Jacobs (39), Senior Associate, ist seit Anfang 2010 bei Lindenpartners. Er berät in Fragen des Datenschutzes sowie zur bank- und kapitalmarktrechtlichen Regulierung.
Désirée Balthasar, Mandanten-Veranstaltungen: Mehr als kostenlose Drinks . In: Legal Tribune Online, 25.11.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/17645/ (abgerufen am: 17.04.2024 )
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