Will eine Kanzlei erfolgreich sein, dann genügt es längst nicht mehr, dass sie ihre Mandanten gut berät. Genauso wichtig wie die juristische Qualität ist die Art und Weise der Mandatsbearbeitung – die operative Qualität. Christopher Holl erklärt, welche Rolle Standardisierung, Digitalisierung und Controlling dabei spielen.
Der Veränderungsdruck auf viele bestehende Geschäftsmodelle von Kanzleien wird zumeist daran festgemacht, dass Mandanten – und dort immer häufiger die Beschaffungsabteilungen – von ihren Rechtsdienstleistern nicht nur eine exzellente juristische Expertise als Dienstleistungskern verlangen, sondern ebenso eine hohe operative Qualität fordern. Betroffen sind insbesondere Märkte für relativ einfache und standardisierbare juristische Leistungen und/oder mit internationalen Großkonzernen als Mandanten.
Das bedeutet für den Bereich der Leistungserstellung in diesen Marktsegmenten, dass die Prozessentwicklung stärker in den Mittelpunkt rücken muss. Denn an der Frage von operativer Exzellenz entscheidet sich, ob eine Kanzlei im Markt dauerhaft wettbewerbsfähig bleiben kann oder nicht.
Passgenaue Dienstleistung entwickeln
Lange Zeit konnten sich große Teile der wirtschaftsberatenden Rechtsdienstleistungsbranche an einer Maximierung des Gewinns pro Partner als das Produkt aus Marge, Stundensatz, geleisteter Stunden und Leverage quasi ohne Nebenbedingungen erfreuen. Solange der Mandant diese Gleichung akzeptiert, besteht das Geschäftsmodell darin, aus teuren Büros heraus mit vielen jungen Associates auf einem Projekt so viele Stunden wie möglich zu einem hohen Stundensatz zu produzieren.
Wenn der Mandant nun allerdings eine Nebenbedingung definiert, etwa die Deckelung der Kosten, die er bereit ist, für ein Projekt aufzuwenden – was übrigens bei Abrechnung nach RVG eine Selbstverständlichkeit darstellt – hat dies Konsequenzen für die Leistungserstellung und damit die Kultur von Anwaltskanzleien.
Zunächst muss der Mandant tatsächlich und nicht nur rhetorisch in den Mittelpunkt gerückt werden. Welche spezifischen Probleme und Bedürfnisse hat der Mandant und was verlangt er in der jeweiligen Situation ganz konkret? In vielen Fällen wird er eben keine ellenlange wissenschaftliche Abhandlung benötigen, sondern ganz spezifischen und verwertbaren Input für seinen eigenen Entscheidungsprozess. Genau dafür ist der Mandant in dieser Situation zu zahlen bereit. Für nicht mehr und nicht weniger.
Erfolgreiche Kanzleien besitzen die Fähigkeit, die Situation des Mandanten zu verstehen und dieses Verständnis in eine passgenaue Dienstleistung umzusetzen, die weder für den Mandanten noch für die eigene Organisation den unnötigen Einsatz von Ressourcen erfordert.
Erfolgsfaktor Standardisierung und Digitalisierung
Wie beschrieben lässt sich das Dienstleistungsangebot nicht ausschließlich auf den juristischen Kern reduzieren. Der Mandantennutzen ergibt sich aus dem Quotienten von Dienstleistungsqualität und der Summe aus Preis und Transaktionskosten. Der Mandant erwartet eine einwandfreie juristische Leistung und ist dafür bereit, bestimmte Kosten aufzuwenden.
Ein großer Teil dieser Kosten besteht aus dem gezahlten Honorar; ein nicht unerheblicher Teil beinhaltet jedoch den Aufwand zur Nutzung der Leistung. Wenn demnach mehr Zeit für die Abstimmung mit dem Mandanten verbracht wird als mit der Bearbeitung des Mandats oder wenn das Arbeitsergebnis mehr Rückfragen als Antworten beim Mandanten hervorruft, dann ist dies speziell in kostensensitiven Marktsegmenten ein gravierendes Problem.
In einem von Preisdruck geprägten Markt ist die Standardisierung und Digitalisierung von Prozessen (und Arbeitsmaterialien) zwangsläufig ein wesentlicher Erfolgsfaktor. In Verbindung mit einem professionellen Wissensmanagement wird hierdurch dafür gesorgt, dass die Arbeit bei vergleichbaren Tätigkeiten nicht wieder bei Null oder knapp darüber begonnen werden muss.
Zudem führt die Standardisierung von Prozessen zu einer erheblichen Reduzierung von Fehlern und letztlich auch dazu, dass weniger qualifiziertes Personal mehr Aufgaben übernehmen kann. So können Ressourceneinsatz und Wertschöpfungsanteil der Aufgabe aufeinander abgestimmt werden. Schon heute steigt der Anteil von Paralegals oder Projektanwälten in vielen Kanzleien stark an.
2/2 Kanzlei als verlängerte Werkbank des Mandanten
Die Kommunikation mit den Mandanten wird in Zukunft noch stärker als bisher auf elektronischer Basis und gemeinsamen Datenplattformen stattfinden. Der Mandant wird selbst entscheiden, wann er welche Information abrufen möchte. In einigen Fällen wird die Integration in die IT-Infrastruktur des Mandanten sogar zur Folge haben, dass die gesamte anwaltliche Leistungserstellung durch den Mandanten verfolgt und gesteuert wird.
So wird der Mandant etwa jederzeit auf Informationen wie dem Stand eines Projekts oder den Inhalt der Prozessakte zugreifen können. Der Mandant wird in diesem Szenario über die entstandenen Kosten im Bilde sein oder sich per Knopfdruck Informationen über KPIs (Key Performance Indicators bzw. Leistungskennzahlen, d. Red.) von Prozesskontingenten abrufen und entsprechende Steuerungsmaßnahmen einleiten können. Das Anwaltsbüro wird zur verlängerten Werkbank des mandatierenden Unternehmens.
Neben der Standardisierung wird der Trend zur Spezialisierung anhalten. Spezialisten machen weniger Fehler und sind schneller. Eng damit verbunden sind die Fragen von Off- und Nearshoring oder dem Outsourcing von Aufgaben. Dem Projektmanager als Orchestrator der unterschiedlichen Leistungserbringer fällt in diesem Kontext große Bedeutung zu, da jede vergeudete Zeit der Kanzlei bares Geld kostet.
Schlüsselqualifikation Projektleitung
Erfolgreiche Partner in diesen Geschäftsbereichen sind nicht nur stark in der Geschäfts- und Personalentwicklung, sondern beherrschen auch den professionellen Managementwerkzeugkasten. Projektleitung meint eben nicht nur, dass zum Schluss über das Arbeitsergebnis geschaut und dieses beim Mandanten präsentiert wird. Sondern es bedeutet Budgetverantwortung zu übernehmen, Ressourcen zu planen, Mitarbeitern klare Zielvorgaben zu geben, den Informationsfluss zu sichern sowie die weniger qualifizierten Teammitglieder und externen Dienstleister zu kontrollieren.
Auf der Ebene des Kanzleimanagements ist ein professionelles Controlling unabdingbar. Erfolgreiche Kanzleien wissen, mit welchen Mandanten, Dienstleistungen und Berufsträgern sie Geld verdienen und wo die Kostentreiber sitzen. Neben die Kostenarten- und die Kostenstellenrechnung tritt die Prozesskostenrechnung. Qualitätsmanagement-Konzepte wie Six Sigma oder Kaizen bekommen eine Bedeutung und das ganze Selbstverständnis der Organisation ändert sich.
Dies wird vielen Anwälten nicht gefallen, viel daran ändern können werden sie in den betroffenen Marktsegmenten jedoch nicht. Juristische Qualität war und wird immer die notwendige Bedingung für den Erfolg einer Kanzlei bleiben. Eine hinreichende Bedingung war sie allerdings nie - und wird sie auch in Zukunft niemals sein.
Der Autor Dr. Christopher Holl ist Kaufmännischer Leiter der Versicherungs- und Haftungsrechtskanzlei BLD Bach Langheid Dallmayr in Köln.
Dr. Christopher Holl, Operative Qualität als Wettbewerbsvorteil: Wenn der Mandant Bedingungen stellt . In: Legal Tribune Online, 28.04.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15369/ (abgerufen am: 29.03.2024 )
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