Erfolg mit Internationalisierung: Darum in die Ferne schweifen

von Robert Peres

15.05.2014

Die Branche der deutschen Wirtschaftsanwälte musste im Zuge der Finanzkrise von 2008 teilweise erhebliche Einbußen hinnehmen. Inzwischen hat sich dieser Trend ins Gegenteil gewandelt. Verantwortlich für den Aufschwung ist nicht zuletzt das grenzüberschreitende Geschäft. Denn während im Inland vor allem Verdrängungswettbewerb stattfindet, warten im Ausland die Mandanten, meint Robert Peres.

Den großen Kanzleien in Deutschland geht es gut – nicht zuletzt dank des Geschäfts mit dem Ausland. Ein Beispiel bildet etwa Noerr, zusammen mit Hengeler Mueller und Gleiss Lutz eine der drei unabhängigen, deutschen Kanzleien in den von dem Branchenmagazin Juve ermittelten Top 10 der größten Sozietäten des Landes. Von den über 190 Millionen Euro, die Noerr im Jahr 2013 umgesetzt hat, entfielen nicht weniger als 26 auf Standorte im osteuropäischen Ausland – keine kleine Zahl, trotz eines leichten Rückgangs gegenüber dem Vorjahr. Von den knapp 1.100 Mitarbeitern der Kanzlei sind etwa 200 im Ausland beschäftigt.

Positiv auf das Umsatzergebnis wirkt sich aus, dass Noerr oft als Lead-Kanzlei bei Cross-border Transaktionen beauftragt wird. "Insbesondere das grenzüberschreitende Geschäft legte weiter zu", erklärt dazu Noerrs Co-Sprecher Dr. Alexander Ritvay. Prominentes Beispiel ist die Beratung von Mitsubishi Heavy Industries (MHI) bei einem der weltweit größten Joint Ventures im Energiebereich, dem Zusammenschluss der thermischen Kraftwerkssparten von MHI und Hitachi, mit einem Transaktionsvolumen von rund 8,7 Milliarden Euro.

Positionierung als "europäische Kanzlei"

Die Kanzlei hatte sich bereits sehr früh nach der Marktöffnung im Osten Europas mit Büros in Prag und Budapest in Stellung gebracht. Weitere Büros in Osteuropa folgten und machten Noerr zu einer der führenden Kanzleien in diesem sich entwickelnden Markt. "Die Partnerschaft hatte sich zu einem sehr frühen Zeitpunkt entschlossen, Noerr als eine 'europäische Kanzlei' zu positionieren", erläutert Dr. Tobias Bürgers, der von München aus ebenfalls als Co-Sprecher der Sozietät fungiert. "Unsere Stellung als Premium Regional Player war für Investoren sehr interessant, auch für solche aus Übersee." Zug um Zug eröffnete Noerr auch Büros in London, Brüssel, Alicante und New York, um auch an anderen wichtigen Standorten vertreten zu sein.

"Heute macht der Anteil des Umsatzes, der von ausländischen Mandanten kommt, etwa 40-50 Prozent aus", schätzt Bürgers. Genau ausgewiesen wird dieser Umsatzanteil aber nicht. Er ist Teil eines homogenen Wachstums, in dem der Rechtsmarkt nicht mehr nur lokale, regionale oder nationale Gebiete umfasst, sondern den ganzen Globus. Dazu passt die Einrichtung von länderspezifischen "Desks" für Brasilien, Indien und China, die jeweils von Anwälten betreut werden, die aus diesen Märkten stammen. "Die Investitionen sind relativ hoch, aber für eine wirklich internationale Ausrichtung unerlässlich", meint Bürgers.

Netzwerke und Allianzen

Eine andere Möglichkeit, an ausländische Mandate heran zu kommen, sind die vielen internationalen Anwaltsnetzwerke. Dazu zählen zum Beispiel die World Law Group, die Geneva Group International (GGI) und Lex Mundi. Diese Netzwerke sind teilweise elitär strukturiert und lassen neue Mitglieder nur unter strengen Aufnahmekriterien zu.

"Unsere Zugehörigkeit zu GGI hat sich sehr positiv ausgewirkt", berichtet Dr. Reinhard Nacke, Düsseldorfer Partner der Kanzlei FPS und Vorsitzender der internationalen Immobilien-Praxisgruppe bei GGI, "insbesondere, weil uns hochkarätige internationale Mandate vermittelt wurden. Nach meiner Erfahrung muss man allerdings bereit sein, viel Zeit in die Pflege der internationalen Kontakte zu investieren".

Manche Kanzleien kreieren gleich eigene europäische Allianzen mit ähnlich aufgestellten Sozietäten. So beispielsweise GSK Stockmann, die einen Verbund zusammen mit Nabarro LLP in Großbritannien, Nunziante Magrone in Italien und Roca Junyent in Spanien bilden. Insgesamt kommen sie so auf mehr als 850 Anwälte mit über 23 Büros in Europa – Zahlen, die sich sicher auch in der Mandantenwerbung nicht schlecht machen.

Das Ausland ist nicht nur für die Großen reizvoll

Aber der Weg zum internationalen Geschäft ist nicht nur großen Kanzleien vorbehalten. Auch kleinere Einheiten oder Boutiquen bemühen sich erfolgreich um ausländische Mandate. Die Frankfurter Kanzlei Olbricht Patentanwälte etwa zählt "nur" rund 20 Mitarbeiter, sucht aber seit Jahren proaktiv den Kontakt zu Patentkanzleien und Unternehmen in Asien, den USA und Kanada. "Viele Auftraggeber im Ausland wissen um die Qualität deutscher Patentanwälte, wichtig ist dabei der persönliche Zugang", sagt Robin Keulertz, der als Partner bei Olbricht für das Auslandsgeschäft zuständig ist. "Man braucht da schon Geduld und Ausdauer. Viele Auslandsreisen, persönliche Meetings und regelmäßiger Emailaustausch führen dann nach einiger Zeit auch zu messbaren Erfolgen."

Der Kuchen des deutschen Rechtsmarkts ist in den letzten Jahren nicht größer geworden, und aufgrund von Insourcing und Verschlankungsprozessen bei den Unternehmensmandanten wird dieser in Zukunft auch nicht mehr wachsen. Im Inlandsmarkt findet daher ein reiner Verdrängungswettbewerb statt. Weltweit hingegen steigt der Bedarf nach wirtschaftsrechtlicher Beratung an und der Fluss internationaler Investitionen wird immer diversifizierter. Dieser Entwicklung müssen sich die Rechtsanwaltssozietäten weltweit weiter anpassen, auch in Deutschland.

Der Autor Robert Peres ist Rechtsanwalt und Kanzleiberater. Er arbeitete viele Jahre für große US Sozietäten in Deutschland und den USA.

Zitiervorschlag

Robert Peres, Erfolg mit Internationalisierung: Darum in die Ferne schweifen . In: Legal Tribune Online, 15.05.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/11992/ (abgerufen am: 28.03.2024 )

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