Es gibt inzwischen unzählige Möglichkeiten, Kanzleiaufgaben auszulagern. Sekretariat, Recherche, IT – hier kann sich die Zusammenarbeit mit externen Anbietern lohnen. Doch wie weit sollte das Outsourcing gehen?
Es sind die ungewöhnlichen, abseitigen Fälle. Bei denen die üblichen Internet-Datenbanken ihre Grenzen haben, weil dort eben doch nicht die ganze Literatur und Rechtsprechung abgebildet ist. Wenn ein Thema noch jung ist und in der Rechtsprechung nicht ausgefochten. Wenn für die Recherche auch der Besuch in der Uni-Bibliothek notwendig wird – dann beauftragt die Kanzlei Baumeister Rechtsanwälte aus Münster den juristischen Recherchedienst Juredi. "In aller Regel läuft das so ab, dass die Mitarbeiter von Juredi den Auftrag bekommen, alles zu einem bestimmten Schlagwort oder Thema zusammenzustellen", beschreibt Rechtsanwalt Dr. Jens Reiermann die Zusammenarbeit.
Die Kanzlei erhält dann nach einer vereinbarten Zeit Kopien mit den jeweiligen Aufsätzen und Urteilen sowie ein Exposé, in dem kurz aufgelistet ist, was zum Thema gefunden wurde, die Fundstellen nebst kurzer Inhaltsangabe. Baumeister Rechtsanwälte hat zwar auch wissenschaftliche Mitarbeiter. Doch wenn diese ausgelastet sind und trotzdem eine schnelle Recherche nötig wird, ist der Recherchedienst Juredi eine willkommene Hilfe.
Rechtsanwälte haben inzwischen unzählige Möglichkeiten, Kanzleiaufgaben von Externen erledigen zu lassen. Der Gewinn an Flexibilität auf der einen Seite, und der Kosten- und Effizienzdruck auf der anderen Seite lassen sie immer öfter die Frage stellen: Welche Kompetenzen müssen in der Kanzlei vorgehalten werden und welche können hinzugekauft werden?
Mehr Flexibilität durch externe Dienste
Ob sich das Outsourcing überhaupt lohnt, zeigt eine kurze Kalkulation: Wie lange dauert es, eine bestimmte Arbeitsaufgabe zu erledigen und welcher Stundensatz wird dafür veranschlagt? Wenn die zu erledigende Arbeit bei gleicher Qualität extern günstiger erledigt werden kann, ist es sinnvoll, über eine Auslagerung nachzudenken. Denn dadurch können auch kleine Kanzleien deutlich an Schlagkraft gewinnen.
Insbesondere Recherchen sind bei Kanzleien ein beliebtes Thema beim Outsourcing. Denn gerade hier geht es um zeitaufwendige Tätigkeiten – die allerdings auch von wissenschaftlichen Mitarbeitern oder Jura-Studenten erledigt werden können. Hier setzt auch der Recherchedienst edicted an. Inzwischen sind rund 2.500 Bearbeiter bei edicted registriert. Seit dem Start im August 2014 wurden rund 1.300 Aufträge bearbeitet.
Die Aufträge werden über eine Internet-Plattform abgewickelt: Das Unternehmen nimmt sie entgegen und weist sie freien Mitarbeitern zu. Diese Mitarbeiter sind Studenten, Referendare – aber auch Rechtsanwälte. Je nachdem, auf welchem Qualitätsniveau eine Kanzlei eine Aufgabe bearbeitet haben möchte, ist der Stundensatz unterschiedlich hoch. Er rangiert zwischen 19,90 und 89,90 Euro. Die Auftraggeber legen selbst fest, wie viele Stunden sie für die Bearbeitung einrechnen.
Bürokräfte auf Zuruf
Doch nicht nur Rechercheaufträge können an Externe abgegeben werden. Wer etwa als Einzelkämpfer startet, scheut eventuell davor zurück, eine eigene Bürokraft zu beschäftigen. An diesem Punkt setzen Dienste wie Anwaltssekretariat.de, Topbuero.de oder Telias.de an. Dort beschäftigte Mitarbeiter nehmen Telefonate entgegen, wenn der Rechtsanwalt gerade nicht erreichbar ist. Anrufer, Telefonnummer und Anlass des Anrufs werden protokolliert und der Rechtsanwalt umgehend über den Anruf informiert. Abgerechnet wird über eine Monatsgebühr oder je bearbeiteten Anruf.
Doch solche Dienste haben ihre Grenzen. Im Regelfall können nur vorher festgelegte Standardaufgaben erledigt werden. Sobald Mandanten weitergehende – auch unerwartete – Fragen haben, müssen die Mitarbeiter auf den Rechtsanwalt verweisen. Für Rechtsanwälte können diese Dienste dennoch unter Umständen lohnend sein. Schließlich ist vielen Mandaten die Erreichbarkeit ein sehr wichtiges Kriterium bei der Wahl für eine Kanzlei.
Unproblematisch, da kein direkter Kontakt zum Mandanten besteht, sind Büroservices, die sich auf Schreibarbeiten spezialisiert haben. Gerade wenn in Kanzleien digital diktiert wird, ist es leicht, diese Büros in den Arbeitsprozess einzubinden. Die diktierte Datei wird einfach weitergeleitet oder auf einem entsprechenden Server freigegeben. Die Schreibbüros fertigen auf Grundlage des Diktats den entsprechenden Schriftsatz an. Manch eines dieser Schreibbüros wird von ausgebildeten Rechtsanwalts- und Notarfachangestellten betrieben. Diese bieten häufig auch an, vor Ort in der Kanzlei einzuspringen, wenn zum Beispiel eine Bürokraft im Urlaub ist oder wegen einer Krankheit ausfällt.
Neue Regeln für IT-Outsourcing
Immer populärer wird es inzwischen, die eigene IT in der Kanzlei auf ein Minimum zu beschränken und Softwarelösungen in der Cloud zu nutzen. Datenschutzbelange, aber auch die anwaltliche Verschwiegenheit wird immer wieder gegen solche Dienste vorgebracht. Können Anwälte Cloud-Services, die nichts anderes sind, als outgesourcte IT-Dienste, ohne Bedenken nutzen? Seit dem 1. Juli gelten berufsrechtlich neue Regeln.
Der neue § 2 BORA soll insbesondere die Einschaltung von IT-Unternehmen und die externe Speicherung von Mandantendaten konkretisieren. Nach § 2 Abs. 3 BORA liegt dann kein Verstoß gegen die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht vor, wenn die Weitergabe an externe Dienstleister mit Einwilligung des Mandanten oder in Wahrnehmung berechtigter Interessen oder im Rahmen der Sozialadäquanz erfolgt. Ob durch den Begriff der Sozialadäquanz jedoch mehr Klarheit gewonnen ist, ist umstritten. Ganz ohne Einwilligung des Mandanten, wenn man diese Dienste nutzen will, wird es wohl auch in Zukunft nicht gehen.
Gerade kleine oder noch im Aufbau befindliche Kanzleien können sich durch Outsourcing deutlich besser im Wettbewerb positionieren. Doch die externe Unterstützung hat ihre Grenzen. Wer dauerhaft etwa externe Bürokräfte oder wissenschaftliche Mitarbeiter auf freier Basis beschäftigt, sollte aufpassen, dass keine Scheinselbstständigkeit besteht. Werden diese Grenzen jedoch eingehalten, sind höhere Flexibilität und niedrigere Kosten, aber auch Qualität durch externes Know-how gute Gründe, darüber nachzudenken, welche Dienste selbst erledigt, und welche hinzugekauft werden sollten.
Henning Zander, Outsourcing: Kaufen oder selber machen? . In: Legal Tribune Online, 05.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16477/ (abgerufen am: 28.03.2024 )
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