Internationale Kanzleifusionen: "Wir müssen die Men­schen zusam­men­bringen"

von Désirée Balthasar

15.03.2016

2/2 Wie entsteht Gemeinschaftsgefühl?

Mit wie viel Freiheit die deutschen Anwälte im internationalen System agieren können, werden Heisse und seine Kollegen erst noch herausfinden müssen. Wichtig dabei wird sein, ein Wir-Gefühl zu den ausländischen Kollegen und der Dachmarke zu entwickeln.

Doch wie macht man das? "Eversheds verfolgt einen One-Firm-Approach", sagt Heisse. "Um das zu erreichen, werden zahlreiche Anlässe geschaffen, sich kennenzulernen." Dazu gehöre ein verstärkter Secondment-Austausch, monatliche Partnersitzungen auf Managementebene, Anpassungen der Rechtsbereiche und Branchenteams sowie gemeinsame Fortbildungen über Ländergrenzen hinweg.

In dem speziellen Fall von Heisse Kursawe und Eversheds wird sicherlich von Vorteil sein, dass sich die Anwälte in den vergangenen zehn Jahren bereits ausführlich kennengelernt haben. "Wenn man fusionieren möchte, sollten die geschäftlichen und persönlichen Vorstellungen übereinstimmen", sagt Heisse. "Die Chemie sollte also stimmen. In unserem Fall hatten wir eine etwas längere Verlobungszeit, bevor wir 'geheiratet' haben. Das ist einer übereilten Zusammenkunft ohne Kennenlernphase sicher vorzuziehen." Man möchte ja schließlich nicht die Katze im Sack kaufen.

Fusion kann auch Trennung bedeuten

Einigen vormaligen SJ-Berwin-Anwälten hat dieses Wir-Gefühl scheinbar gefehlt. Mehrere erfahrene Anwälte haben die Kanzlei mittlerweile verlassen, erst vor kurzem wechselte etwa der Corporate-Chef Dr. Julian Lemor zu Mayer Brown. Damit steht KWM nicht allein da, auch bei anderen Kanzleien dreht sich das Personalkarussell immer dann besonders schnell, wenn strategische Entscheidungen gefällt werden. Ob die Zu- und Abgänge einfach die Zeichen der Zeit sind oder doch direkte Folgen der Fusionen, hängt wohl vom jeweiligen Einzelfall ab.

Was nicht vom Einzelfall abhängt, sind strukturelle Entscheidungen wie die Schließung des Berliner Büros, die KWM durchgezogen hat, um im Gegenzug die Standorte Frankfurt und München zu stärken. Wenn das internationale Management derartige Schritte beschließt, gilt es für die deutschen Anwälte, es wie die Katze zu halten: Hauptsache, mit den Füßen voran auf den Boden fallen.

Der lange Weg zum Zusammenschluss

Dabei haben Cziesla und die Partner erhebliche Energie in Diskussionen und Entscheidungsrunden gesteckt. Ein klassisches Top-Down-Vorgehen: "Die Prüfung einer möglichen Kombination begann zunächst in einer kleinen Runde aus Vertretern des Managements der Kanzleien", erinnert sich Cziesla. "Mit weiterem Fortschreiten der Gespräche, vergrößerte sich die Gruppe nach und nach. Schließlich bestand das Team aus rund 20 Anwälten, die die unmittelbaren Verhandlungen geführt haben."

Und die kümmerten sich um die Due Diligence, Praxisgruppenorganisation, Zahleneruierung und Identifikation von möglichen Hindernissen. Diese Vorbereitungsphase dauerte etwa sechs Monate und schloss mit der Partnerschaftswahl. Den angestellten Anwälten und Mitarbeiter wurde die Entscheidung zuletzt verkündet. Ein basisdemokratischer Prozess ist eine Fusion dieser Größenordnung sicherlich nicht.

Kulturelle Unterschiede überwinden

Sowohl bei KWM als auch bei Eversheds ist noch nicht genug Zeit vergangen, um urteilen zu können, ob die Fusion auch sozial und kulturell funktioniert hat. Die Frage ist, ob man das bei einer internationalen Fusion über Ländergrenzen hinweg überhaupt irgendwann abschließend sagen kann. Marktkenner mahnen, dass es schwer – wenn nicht gar unmöglich - ist, verschiedene Büros und Angehörige unterschiedlicher Ethnien zu einer globalen Law Firm zu vereinen.

Dennoch bemühen sich etwa die KWM-Partner, so viele Anwälte wie möglich in den Ländern kennenzulernen, in denen sie geschäftlich aktiv sind. "Jeder unserer deutschen Partner hat mittlerweile schon einmal China besucht und viele Kollegen von anderen Standorten waren bei uns in Deutschland", erzählt Cziesla. Wenngleich es keine Freizeitreisen sind, so lernt man bei Mandantenbesuchen und Projektgruppen-Meetings zumindest einige der chinesischen Kollegen kennen.

Cziesla: "Natürlich muss man zuerst die Strukturen zusammenführen. Doch beinahe noch wichtiger ist es, anschließend die Menschen zusammenzubringen." Das wiederum würde die Katze als Einzelgänger überhaupt nicht verstehen.

Zitiervorschlag

Désirée Balthasar, Internationale Kanzleifusionen: "Wir müssen die Menschen zusammenbringen" . In: Legal Tribune Online, 15.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18780/ (abgerufen am: 25.04.2024 )

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