Webpräsenz von Wirtschaftskanzleien: Ein Ran­king mit Spreng­kraft

von Dr. Anja Hall

13.04.2016

2/2 Sind die Ergebnisse nur eine Momentaufnahme?

Derart niedrige Werte legen aus Sicht von Markus Hartung, Direktor des Bucerius Center on the Legal Profession und selbst in den sozialen Medien sehr aktiv, den Schluss nahe, dass die Online-Präsenz der Kanzleien weniger auf einer ausgeklügelten Kommunikationsstrategie basiere, sondern eher zufällig so geraten sei, wie sie eben im Untersuchungszeitraum war. Die Kommunikation lasse sich in den sozialen Medien nur schwer steuern, Wirkungen seien häufig sehr erratisch. Auch Faktenkontor-Geschäftsführer Forthmann vermutet, dass beispielsweise die Insolvenz eines Unternehmens, die Schlagzeilen macht, die Kanzlei im Ranking schnell nach oben spülen würde, welche den Insolvenzverwalter stellt.

Entzündet hat sich die Kritik aus der Kanzleiszene wohl vor allem an den Schlussfolgerungen, die Faktenkontor und Wirtschaftswoche aus der Datenlage gezogen haben. Die Wirtschaftswoche berichtete schon im Januar  über die Erhebung und eröffnete ihren Beitrag damit, die zehn umsatzstärksten Kanzleien würden im Internet "meist nicht die erste Geige spielen". Gut zwei Monate später verbreitete Faktenkontor in einer Pressemitteilung mit dem Titel "Wirtschaftskanzleien: Marktführer schwächeln im Web" weitere Informationen zur Studie.

Wirtschaftlicher Erfolg und Webpräsenz haben wohl wenig miteinander zu tun

Forthmann ließ sich in der Mitteilung damit zitieren, dass "ausgerechnet die bislang größten Kanzleien noch nicht richtig im Social-Media-Zeitalter angekommen" seien. Sie konzentrierten ihre PR-Anstrengungen auf herkömmliche Print-Veröffentlichungen, seien aber kaum in Fachforen, bei Twitter oder in sozialen Netzwerken aktiv. "Viele Anwälte wollen ihren Namen unbedingt auf bedrucktem Papier sehen, nur das scheint für sie zu zählen", monierte Forthmann, "doch damit blenden sie einen großen Teil der Realität aus – und zwar ausgerechnet den, der heute für die Akquise entscheidend ist."

Markus Hartung hat an dieser Aussage erhebliche Zweifel. "Haben lebhaftes Bloggen und Online-Kommunikation einerseits und wirtschaftlicher Erfolg der Top50 andererseits tatsächlich kausal etwas miteinander zu tun?", fragt er. "Dass Anwälte grundsätzlich im Netz präsent sein müssen, ist keine Frage, aber hier geht es um die nach Umsatz 50 größten deutschen Kanzleien. Müsste nicht der Umstand, dass die erfolgreichsten Kanzleien offenbar andere Prioritäten setzen, zu denken geben?"
Er schlussfolgert: "Wenn diese Kanzleien im Internet 'nicht die erste Geige spielten', wohl aber bei den Mandanten, dann kommt es für den Erfolg auf die Sichtbarkeit im Social Web doch wohl gar nicht entscheidend an. Das wäre aber für Kommunikationsberater wie Faktenkontor kein schönes Ergebnis."

Zitiervorschlag

Anja Hall, Webpräsenz von Wirtschaftskanzleien: Ein Ranking mit Sprengkraft . In: Legal Tribune Online, 13.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19063/ (abgerufen am: 20.04.2024 )

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