Keine Einigung in Sicht: Die Beteiligten im Prozess um die Insolvenz von Solarworld lassen keine Kompromissbereitschaft erkennen. Die Anregung des Richters zu einem Vergleich weisen die Beklagten zurück.
Das Verfahren gegen den Unternehmer Frank Asbeck (63) und vier andere frühere Mitglieder des Solarworld-Vorstands zieht sich in die Länge. In dem Prozess vor dem Bonner Landgericht (Az. 14 O 31/21) wirft der Insolvenzverwalter Horst Piepenburg dem ehemaligen Management des Unternehmens Insolvenzverschleppung vor und fordert 731 Millionen Euro. Der Vorsitzende Richter Uwe Schneiders regte am Donnerstag einen Vergleich an. Die Beklagtenseite lehnte ab. Piepenburg signalisierte grundsätzliche Vergleichsbereitschaft, die Beklagten könnten diesbezüglich auf ihn zukommen. Eine "Vergleichsbotschaft" werde er aber nicht machen.
Ein zentraler Streitpunkt in dem Verfahren ist die Frage, was mit den digitalen Unterlagen des Unternehmens nach dem Insolvenzantrag im Mai 2017 passiert ist. Die Beklagten haben das Recht auf Einsicht in die Unterlagen, der Insolvenzverwalter hat allerdings keinen Überblick mehr über den Verbleib des immensen Datenbestandes, der auf verschiedene Server ausgelagert wurde. Manche Unterlagen sind unauffindbar, darunter das Mailpostfach eines Ex-Vorstandsmitglieds.
Piepenburg-Anwalt Ingo Gerdes warf der Beklagtenseite vor, zu viel und zu ungenau zu fordern - er könne bei dem "gigantisch großen Datenvolumen" kein Tor öffnen und einfach alles zur Ansicht rausräumen. Verärgert über die Ausführungen von Piepenburg und dessen Anwalt Gerdes ergriff der Beklagte Asbeck am Ende des Verhandlungstages selbst das Wort, statt seinen Anwalt sprechen zu lassen. Asbeck warf Piepenburg vor, die Daten damals "verschludert" zu haben. Dieser hätte nach seiner Ansicht umgehend ein richtiges Back-up machen müssen.
Richter bringt Sachverständigengutachten ins Spiel
Der Richter forderte von den Klägern eine "klare Aussage", ob es damals eine Datensicherung gegeben habe und ob die Daten in ihrem damaligen Zustand noch verfügbar seien. Zugleich stellte er klar, dass sich Lücken in den Unterlagen zum Nachteil der Kläger auswirken könnten. Er gab zudem Überlegungen bekannt, ein Gutachten eines Sachverständigen in Auftrag zu geben. Kommt es tatsächlich zu so einem Auftrag, würde dies das Verfahren verlängern.
Aus Sicht des Klägers Piepenburg hätte der Insolvenzantrag von Solarworld schon im Juli 2016 und nicht erst im Mai 2017 gestellt werden müssen. Die von der Firma getätigten Zahlungen in dem Zeitraum zwischen diesen Daten will er erstattet bekommen und dafür den damaligen Vorstand in Haftung nehmen.
Die Beklagten weisen die Vorwürfe, auch unter Berufung auf zwei Gutachten der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PwC aus den Jahren 2016 und 2017 zurück. Das Unternehmen sei damals zwar unter Druck gewesen, habe angesichts sehr guter Technologien und einer starken Marke aber noch Chancen am Markt gehabt, argumentieren die Beklagten.
Das einstige Vorzeigeunternehmen Solarworld geriet im vergangenen Jahrzehnt aufgrund einer Intensivierung des Wettbewerbs, vornehmlich durch Konkurrenten aus China, unter Druck. Ein Neustart des Unternehmens nach der Insolvenz im Mai 2017 mit einem kleineren Nachfolgeunternehmen schlug fehl und führte erneut in die Pleite. 2018 wurde die Produktion eingestellt. Das Bonner Verfahren, das am 26. Oktober 2023 fortgesetzt werden soll, bezieht sich auf die erste Insolvenz.
sts/LTO-Redaktion mit Material der dpa
Insolvenzverwalter klagt gegen ehemaliges Management: . In: Legal Tribune Online, 23.02.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51147 (abgerufen am: 08.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag