Vertragliche Abreden schaffen Rechtssicherheit: Miet­min­de­rung bei Gas­not­lage?

Gastbeitrag von Dr. Stefanie Minzenmay und Caner Ertasoglu

22.08.2022

Deutschland droht ein Gasengpass. Auf Mieter und Vermieter von Gewerbe- und Wohnraumimmobilien kommen rechtliche Probleme zu, wenn Objekte nicht genügend beheizt werden können, wissen Stefanie Minzenmay und Caner Ertasoglu.

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz hat bereits im Juni die Alarmstufe des Notfallplans Gas ausgerufen. Spitzt sich die Lage weiter zu und wird die Notfallstufe erreicht, müsste die Bundesnetzagentur in die Gasversorgung verteilend eingreifen. Private Haushalte sollen allerdings nach derzeitigem Stand als Kundengruppe geschützt werden. Dieser Schutz gilt in der Pauschalität nicht für die Industrie – mit Folgen möglicherweise auch für gewerbliche Mietverhältnisse. 

Mietminderungen durch Mieter drohen

Können gewerblich vermietete und genutzte Mieträume aufgrund von Gasknappheit nicht mehr bzw. nicht im erforderlichen Maße beheizt werden, sind Mietminderungen durch Mieter zu erwarten. Es entspricht gefestigter Rechtsprechung, dass der Vermieter, der ein beheizbares Objekt vermietet - in der Regel mit Zentralheizung – grundsätzlich gewisse Mindesttemperaturen in seinen vermieteten Räumen gewährleisten muss. 

Wie hoch diese Temperaturen letztlich sein müssen, richtet sich nach dem Mietzweck und den vertraglichen Vereinbarungen: So gelten in Lagerräumen andere Mindesttemperaturen als in Büroräumen oder Cafés. Auch können nachts die Temperaturen abgesenkt werden. Kann der Vermieter die Mindesttemperatur in seinem vermieteten gewerblichen Objekt während der Heizperiode von Oktober bis April nicht einhalten und handelt es sich um mehr als nur kurzfristige Ausfälle, wird ein zur Minderung berechtigender Mangel regelmäßig vorliegen. 

Dass der Vermieter außer Stande ist, Gaslieferungen sicherzustellen, spielt ebenso wenig eine Rolle wie der Umstand, dass die von ihm zur Verfügung gestellten technischen Anlagen, wie beispielsweise eine Zentralheizung, einwandfrei funktionieren. Hat er nämlich mietvertraglich – wie in den weit überwiegenden Fällen – die Pflicht zur Wärmelieferung übernommen, kommt es auf sein Verschulden im Rahmen der Minderung nicht an. Der Vermieter muss also auch für solche Mängel einstehen, deren Ursache außerhalb seines Einflussbereichs liegen, wenn dieser Mangel den vertragsgemäßen Gebrauch der Mietsache nicht nur unerheblich aufhebt.

Regelungen im Mietvertrag können Vermieter entlasten

Ein Minderungsrecht steht dem Mieter aber nicht immer zu. Es kommt darauf an, ob der Vermieter selbst die Mieträume mit ausreichend Gas versorgt, indem er die Versorgungs- bzw. Lieferverträge abgeschlossen hat. Hat hingegen der Mieter entsprechend der mietvertraglichen Vereinbarungen und durch den Abschluss direkter Versorgungsverträge die Verantwortung für die ausreichende Belieferung mit Gas selbst übernommen und kommt es zu einem Lieferausfall, betrifft dies ausschließlich das Vertragsverhältnis zwischen Mieter und Gaslieferant. Dann ist der Mieter nicht zu einer Mietminderung berechtigt. Was der Vermieter im Einzelfall schuldet, hängt daher von den vertraglichen Vereinbarungen ab.

Häufig ist das Minderungsrecht in gewerblichen Mietverträgen für nicht rechtskräftig oder nicht einvernehmlich festgestellte Umstände vertraglich ausgeschlossen. Dann ist der Mieter darauf angewiesen, (überzahlte) Mieten evtl. sogar streitig zurückzufordern.

Ob darüber hinaus die Minderung wegen höherer Gewalt ausgeschlossen ist, richtet sich danach, ob überhaupt ein entsprechender Minderungsausschluss im Gewerbemietvertrag vereinbart wurde. Ist dies der Fall, kommt es stets auf die genaue Formulierung der Klausel an. Es muss durch Vertragsauslegung ermittelt werden, ob die Parteien bei Abschluss des Vertrages die jetzt eventuell eintretende Gasknappheit auch als einen Fall der höheren Gewalt verstanden wissen wollten.

Mindesttemperaturen in Wohnräumen

Auch wenn private Haushalte nach dem Notfallplan Gas zur geschützten Kundengruppe gehören und bis zuletzt mit Gas zu versorgen sind, ist denkbar, dass es hier zu temporären Gasreduktionen kommen kann. Ist dies der Fall, unterscheiden sich die Rechtsfolgen im Wohnraummietverhältnis nicht: Die weit überwiegenden Wohnungen in Deutschland sind mit Zentralheizungen vermietet. Die Heizpflicht liegt beim Vermieter. 

Die von Vermietern zu gewährleistende Mindesttemperatur in Wohnräumen während der Heizperiode muss nach der herrschenden Rechtsprechung in der Zeit von 6 Uhr bis 23 Uhr 20 Grad betragen. Nachts müssen dagegen – je nach Gerichtsentscheidung – etwa 17 oder 18 Grad erreicht werden. 

Die in der Rechtsprechung variierenden Temperaturvorgaben sind den fehlenden verbindlichen gesetzlichen Festlegungen von Mindesttemperaturen geschuldet. Manche Vermieter nehmen dies zum Anlass, eigene Mindesttemperaturen im Mietvertrag festzulegen. Allerdings sind in AGB festgelegte geringere Temperaturen regelmäßig unwirksam. 

Kann der Vermieter die Mindesttemperatur nicht gewährleisten, sind Minderungen der Miete rechtlich möglich. Anders kann die Beurteilung ausfallen, sollte der Gesetzgeber mit Blick auf das drohende Szenario zukünftig gesetzliche Vorgaben im Zusammenhang mit der Beheizung von Mieträumen schaffen. Denkbar wäre die Festlegung von gesetzlich niedrigeren Mindesttemperaturen, die von der bisherigen Rechtsprechung abweichen. Bei einem Absenken der Mindesttemperaturen wären allerdings Auseinandersetzungen über Schimmelbildungen vorhersehbar. 

Steigende Nebenkostenzahlungen und Umlagen für Mieter

Mieter müssen sich zudem auf steigende finanzielle Belastungen einstellen: Sofern – wie regelmäßig der Fall – mietvertraglich die Abwälzung der Nebenkosten auf den Mieter vorgesehen ist, können Vermieter steigende Gaspreise im Rahmen der Nebenkostenabrechnung an Mieter weitergeben und unter Umständen die Vorauszahlungen erhöhen.

Mieter sollten daher bereits jetzt einen Vertragscheck durchführen und dabei prüfen, ob die Pflicht zu Versorgungsleistungen mietvertraglich beim Mieter oder Vermieter liegt und vertragliche Abreden zur höheren Gewalt vorliegen. 

Ist ein erheblicher Anstieg bei den Nebenkosten zu erwarten, sollten Vorauszahlungen frühzeitig angepasst und gegebenenfalls Stundungsvereinbarungen getroffen werden. 

Bei Neuabschlüssen von Gewerbemietverträgen kommen individualvertragliche Abreden in Betracht, die Gasknappheit als Fall höherer Gewalt definieren und Minderungen, die auf einem Versorgungsengpass beruhen, ausschließen.  

Dr. Stefanie Minzenmay ist Partnerin im Immobilienrecht bei Oppenhoff und Leiterin der Sektorgruppe Immobilienwirtschaft. 

Caner Ertasoglu berät bei Oppenhoff mit den Schwerpunkten Immobilienwirtschaftsrecht sowie Prozessführung und Schiedsgerichtsverfahren. 

Kanzlei der Autor:innen

Zitiervorschlag

Vertragliche Abreden schaffen Rechtssicherheit: . In: Legal Tribune Online, 22.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49379 (abgerufen am: 01.12.2024 )

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