Ein Anwalt als Fußballschiedsrichter: Zwi­schen Mandat und Sta­dion

von Dr. Anja Hall

28.09.2017

Andere golfen oder segeln

Andere Großkanzlei-Anwälte entspannen auf dem Golfplatz, beim Segeln oder bei der Gartenarbeit - Kleve dagegen findet im Fußballstadion den "perfekten Ausgleich zum Job", wie er sagt. Dabei verlangen ihm sowohl der Anwaltsberuf als auch die Schiedsrichterei einiges ab. Auf dem Platz wie in der Kanzlei spielten Belastbarkeit, Fokussierung auf bestimmte Punkte, Führungsstärke und die Fähigkeit – und der Wille – eine Entscheidung zu treffen, eine zentrale Rolle, meint Kleve. Auch in Verhandlungen gebe es die typischen "Fahne rauf oder Fahne runter"-Momente: "In kurzer Zeit muss eine Entscheidung gefällt werden. Danach geht es darum, diese Entscheidung auch gut zu verkaufen."

Manche Kniffe der Schiedsrichterei hat Kleve auf seinen Beruf übertragen, zum Beispiel die vorausschauende Betrachtung von Taktik und Spielweise und die Analyse der Körpersprache. Denn damit machen die Schiedsrichter ihre Nachteile wett. Kleve erklärt das so: "Der Dortmunder Stürmer Aubameyang läuft 30 Meter in 3,7 Sekunden, er ist schneller als Usain Bolt - da kann ich nicht mithalten". Was er allerdings kann: Den Laufweg des Stürmers vorwegdenken und dessen Schnelligkeit so ausgleichen.

Mandantenanrufe vor dem Spiel

Kleve lebt ganz offensichtlich nach dem Sportler-Motto "Höher, schneller, weiter" – auch als Anwalt. In diesem Jahr ist er zum Partner ernannt worden, damit ist er deutschlandweit der erste und bislang auch einzige männliche Partner in Teilzeit bei DLA Piper. Seine 80-Prozent-Stelle gebe ihm "die Flexibilität für die Spiele", sagt er. Ansonsten legt er aber Wert darauf, die gleichen Anforderungen wie die 100-Prozent-Partner zu erfüllen. "Wer in einer Großkanzlei arbeiten will, dem sollte klar sein, dass er viel arbeiten muss", sagt Kleve. "Auf einer Teilzeitstelle rumlungern und nichts tun, das geht nicht."

Ob er im Hotelzimmer oder in der Kanzlei arbeitet, ist für ihn zweitrangig. "Alles steht und fällt damit, dass ich für die Mandanten erreichbar bin und mich um deren Probleme kümmere", sagt er. Deshalb kommt es hin und wieder vor, dass kurz vor einem wichtigen Spiel das Telefon klingelt und ein Mandant eine Frage geklärt haben will. So geschehen bei dem legendären Champions-League-Achtelfinale Barcelona - Paris St. Germain im März dieses Jahres. Für Kleve ein Highlight seiner Schiedsrichterkarriere. "Bislang haben alle Verständnis gehabt, wenn ich die Rechtsfrage nicht sofort gelöst habe", sagt er und schmunzelt.

Aufhören, wenn er den eigenen Ansprüchen nicht mehr genügt

Stress und Leistungsdruck sind für Kleve jedenfalls keine Gründe, auch nur darüber nachzudenken, die Schiedsrichtertätigkeit aufzugeben. Etwas ganz anderes hat ihn aber nachhaltig erschüttert: Der Wettskandal 2005, als sich herausstellte, dass einige Schiedsrichter Spiele so manipuliert hatten, dass sie mit bestimmten Ergebnissen endeten, auf die vorher gewettet worden war.

"Das hat die Grundwerte der Schiedsrichterei in Frage gestellt", sagt Kleve. "Die Vorbildfunktion, die Neutralität und die Aufgabe, auf dem Platz für Fairness zu sorgen." Der Skandal habe viel Kraft gekostet, zumal die ganze Schiedsrichter-Zunft in Sippenhaft genommen wurde. Nun kommt auch der Jurist aus ihm hervor: "Verletzung der Integrität, strafbares Verhalten – so etwas brauche ich als Anwalt nicht."

Über sich selbst und sein Selbstverständnis als Schiedsrichter sagt Kleve, dass er immer versuche, eine einwandfreie Leistung zu bringen. Die Pfeife will er erst dann an den Nagel hängen, wenn er den Ansprüchen, die er an sich selbst in Sport und Beruf stellt, nicht mehr genügt.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Ein Anwalt als Fußballschiedsrichter: Zwischen Mandat und Stadion . In: Legal Tribune Online, 28.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24757/ (abgerufen am: 26.04.2024 )

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