Was bringt 2015 für die Kanzleibranche?: Veränderungen, aber keine Revolution

von Dr. Anja Hall

20.01.2015

2/2: Qualitäts- statt Preiswettbewerb

"Die Margen werden niedriger. Die Herausforderung liegt darin, den Margenschwund durch höhere Effizienz aufzufangen", sagt Ralf Thaeter. "Hier ergeben sich für Kanzleien auch Chancen im Wettbewerb, besonders für die innovativen und kreativen."

Als einen der Gewinner dieser Entwicklung sieht sich GvW Graf von Westphalen. Die beiden Managing Partner Dr. Robert Theissen und Christof Kleinmann stellen fest, dass die Kanzlei mit ihrer Preisgestaltung, zu der etwa Festpreismodelle und Deckelungen (Caps) gehören, "auch zunehmend für Rechtsabteilungen attraktiv wird, die immer preissensitiver werden." Die Mandantschaft der Kanzlei  besteht traditionell aus inhabergeführten Unternehmen, die "schon immer kostenbewusste Mandatsentscheidungen getroffen haben", so Theissen und Kleinmann.

Die beiden GvW-Partner sind überzeugt, dass die Unternehmen künftig noch mehr auf die Preise achten werden. Doch Andreas Meissner von Taylor Wessing weist auf eine Ausnahme hin: "Für Aufgaben, bei denen juristisches Neuland betreten wird und die wirtschaftlich ganz bedeutend sind, sind Unternehmen nach wie vor bereit, für zuverlässig hochklassige Beratung zu bezahlen." Deshalb sei es Ziel der Kanzlei, vom Preis- wieder in einen Qualitätswettbewerb einzutreten.

Auch Hubertus Kolster von CMS setzt auf kontinuierliche Weiterbildung in Spezialbereichen, denn damit kann der "Commoditisierung", dem Bereich, bei dem die Mandanten günstigere Honorare verlangen, entgegen gewirkt werden. "Dabei ist das, was heute Commodity ist, gestern Spezialwissen gewesen", gibt er zu bedenken.

Rekrutierung: Partnerschaft nicht um jeden Preis

Wer Top-Beratung bieten will, braucht dazu die klügsten Köpfe. Deshalb ist es für die Kanzleien entscheidend, ausreichend gute Bewerber für sich zu interessieren. "Die Rekrutierung von Topnachwuchskräften ist für Wirtschaftskanzleien immer eine Herausforderung gewesen", sagt Tobias Bürgers von Noerr stellvertretend für viele seiner Kollegen im Kanzleimanagement. Leichter wird es nicht, darin sind sich auch alle Befragten einig. Der Grund: Die Ansprüche der Bewerber steigen.

Bei CMS, die mit 80 bis 100 neuen Associates pro Jahr wohl die Kanzlei mit den höchsten Neueinstellungen ist, stellt man fest, dass die Bewerber nicht mehr eindimensional auf Karriere und Gehalt fixiert sind. "Viel häufiger achten die Associates darauf, dass sie eine gute Aus- und Weiterbildung erhalten, dass sie an interessanten Mandaten arbeiten und dass eine größere Anzahl etwa durch Sabbaticals oder Teilzeit-Arbeitsmöglichkeiten eine ausgewogene Mixtur anstreben, um auch andere Interessen zu verfolgen", berichtet Kolster. "Die jungen Juristen wollen nicht mehr um jeden Preis Partner werden, sondern auch alternative Karrierewege beschreiten", beobachtet er.

Auch Ralf Thaeter bezweifelt, dass die Partnerperspektive tatsächlich bei der Wahl der ersten Berufsstation eine übergroße Rolle spielt. "Heutzutage sind Juristen, die ein Berufsleben in derselben Law Firm bleiben, seltener als früher geworden", sagt er. "Für den größten Teil der heutigen Associates dürften ein oder mehrere Wechsel Normalität werden. In dieser Hinsicht gleicht sich der Anwaltsnachwuchsmarkt den Usancen anderer Nachwuchsmärkte an. Wenn ein Karriereschritt in der eigenen Firma nicht mehr als hinreichend wahrscheinlich angesehen wird, gibt es den Schritt aus der Kanzlei in eine andere oder in andere Wirtschaftsbereiche."

Trotz hoher Arbeitsbelastung: bessere Work-Life-Balance?

Weil man allerdings ungern gut ausgebildete Juristen an die Konkurrenz verliert, versuchen die meisten Kanzleien, mit einer guten Work-Life-Balance zu punkten. Da ist etwa die Rede von "exzellenter Weiterbildung und praxisnahen Angeboten zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie", von "flexiblen Teilzeit- und Home-Office-Lösungen" oder von "unterschiedlichen Karrierewegen mit größtmöglicher Flexibilität".

In der Theorie klingt das beeindruckend, in der Praxis dürfte es aber eine schwierige Gratwanderung werden. Denn alle Kanzleien betonen gleichzeitig, dass man Wert auf Leistung lege und die Arbeitsbelastung hoch sei.

Leicht haben es die Managing Partner derzeit also nicht. Sowohl die Mandanten als auch die eigenen Mitarbeiter hinterfragen die Kanzleimodelle und erwarten Innovationen. Die Kanzleistrategen reagieren, indem sie ihre Geschäftsmodelle anpassen und hier und da an einigen Stellschrauben drehen. Ganz große Neuerungen gibt es nicht, Überlegungen zum Pyramidenmodell oder zum Outsourcing ganzer Bereiche an Paralegals bleiben zumindest in Deutschland noch Gedankenspiele. Aber mit ihrer zurückhaltenden Art mögen die Managing Partner auch Recht haben. An Wettbewerb sind sie schließlich gewöhnt: "Eine Schonzeit gab es für Kanzleien noch nie", sagt Andreas Meissner lapidar.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Was bringt 2015 für die Kanzleibranche?: Veränderungen, aber keine Revolution . In: Legal Tribune Online, 20.01.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14429/ (abgerufen am: 24.04.2024 )

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