Die EU treibt digitale Kommunikation voran. Bald sollen Gründer online gründen können. Wie das funktionieren soll, für welche Rechtsformen es gelten wird und was das für die deutschen Notare heißt, erklärt Peter Schaub.
Die Europäische Union zeigt sich als Treiber der Digitalisierung. Mit dem Begriff ist in diesem Zusammenhang noch keine künstliche Intelligenz oder der Einsatz von Robo-Anwälten gemeint. Für den EU-Gesetzgeber bedeutet Digitalisierung gegenwärtig die Kommunikation mittels digitaler Instrumente. Mit einer aktuellen Richtlinie zur "Änderung der Richtlinie (EU) 2017/1132 im Hinblick auf den Einsatz digitaler Werkzeuge und Verfahren im Gesellschaftsrecht" gibt der europäische Gesetzgeber einen Rechtsrahmen zur Online-Gründung von Kapitalgesellschaften vor.
Start-ups können in Europa voraussichtlich ab dem Jahr 2021 auf neue Art und Weise eine GmbH oder eine vergleichbare europäische Rechtsform gründen. Ein Herzstück der Neuregelungen: Gehen soll das alles ganz ohne den sonst obligatorischen Besuch beim Notar. Der wird dabei aber keineswegs überflüssig. Europäische Digitalisierung, ganz im Sinne deutscher Rechtstradition.
Das Ziel: In fünf Tagen zur Online-Gründung
Der europäische Musterschüler in Sachen Digitalisierung ist Estland, das bereits seit einiger Zeit die Gründung einer Kapitalgesellschaft rein über das Internet zulässt. Der Rekord zwischen Beginn des Gründungsverfahrens und Eintragung der Gesellschaft soll dort bei rund 18 Minuten liegen – eine unglaubliche Geschwindigkeit im Vergleich zu Deutschland, wo eine Gründung bis zu 4 Wochen dauern kann.
Den estnischen Rekord hat die Europäische Union zwar nicht als Ziel ausgegeben, allerdings gleichwohl eine zeitliche Vorgabe für die Online-Gründung gemacht: So soll die Online-Eintragung innerhalb von fünf Arbeitstagen nach Einreichung der Handelsregisteranmeldung und Zahlung des Stammkapitals möglich sein.
Das Verfahren gilt für alle Bar-Gründungen von GmbHs; Sacheinlagen sind hingegen ausgeschlossen. Der europäische Rechtsrahmen ließe sogar die Online-Gründung einer Aktiengesellschaft zu. Es ist jedoch davon auszugehen, dass der deutsche Gesetzgeber von der Möglichkeit des Opt-outs Gebrauch machen wird und die neuen Regelungen auf die GmbH beschränkt bleiben.
Die Europäische Union will mit mehr Digitalisierung im Gesellschaftsrecht weitere Handelshemmnisse in Europa abbauen. Die Online-Gründung ist vor allem für Gründer aus dem Ausland attraktiv, da eine Anreise in das Land der neuen Gesellschaft entbehrlich wäre.
Notare bleiben Gatekeeper
Auch wenn mancher Notar bereits den Untergang seiner Zunft befürchtet, bleibt die Mitwirkung des Notars in Deutschland aber auch zukünftig erhalten. Die EU lässt den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Richtlinie einen weiten Umsetzungsspielraum, so dass Deutschland an dem Prinzip der vorsorgenden Rechtspflege festhalten und dieses weiterentwickeln kann.
Dieses Prinzip hat sich insoweit bewährt, als missbräuchliche Fehleintragungen im Handelsregister faktisch ausgeschlossen sind. Anders als im britischen Companies House, das nach eigenen Angaben im Monat mit circa 50-100 Fällen des sog. Company Hijacking befasst ist, sind in Deutschland solche Fälle missbräuchlicher Eintragungen neuer Gesellschafter oder Geschäftsführer kaum bekannt.
Diese Verlässlichkeit der Handelsregisterinformationen will Deutschland weiterhin gewährleisten. Die derzeit vorgesehene Lösung für die Umsetzung der europäischen Vorgaben schreibt dem Notar weiterhin eine entscheidende Rolle zu. Er soll Gatekeeper für die Gründung und Eintragung einer GmbH in das Handelsregister bleiben. Auch wenn der buchstäbliche Gang zum Notar zukünftig entfallen kann, ist davon auszugehen, dass eine Beurkundung erforderlich bleibt, wenn auch in einem etwas anderen Verständnis als bisher. Die Beurkundung soll auf ein reines Online-Verfahren verlagert werden.
Notare, bald ganz digital
Der Notar soll über eine Video-Konferenz mit dem Bürger eine Online-Beurkundung durchführen können. Hierzu hat die Bundesnotarkammer bereits ein Portal entwickelt, das es möglich macht, die Gründer zu beraten und zugleich zu identifizieren.
Das aus der Eröffnung von Bankkonten bekannte Online-Identverfahren, bei welchem der Personalausweis des Kontoinhabers in die Kamera gehalten wird, gewährleistet dafür keine hinreichende Sicherheit. Daher wird für die Online-Beurkundung ein Personalausweis mit Online-Ausweisfunktion oder ein anderes Identifizierungsmittel der höchsten Sicherheitsstufe nach der eIDAS-Verordnung (über elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt) notwendig sein.
Der Notar wird die Echtheit des Personalausweises verifizieren und das hinterlegte Lichtbild abrufen können. Der Gründer benötigt hierfür nicht einmal ein gesondertes Kartenlesegerät. Über ein sicheres Kommunikationsverfahren soll ein NFC-fähiges Mobiltelefon die erforderlichen Daten drahtlos und ohne weitere Zwischenschritte von dem Personalausweis auslesen. So wird der Gründer hinreichend identifiziert. Mehr kann der Notar auch in einem Vor-Ort-Termin nicht leisten.
Statt einer klassischen Unterschrift – wie bei Notarterminen sonst üblich – unterzeichnet der Gründer mittels qualifizierter elektronischer Signatur. Er erhält eine TAN, die auf das Mobiltelefon gesendet und dann über das Internetportal, worüber die Videokonferenz abgehalten wird, eingegeben wird.
Vorsorgende Rechtspflege in der digitalen Welt
Hat der Notar Zweifel an der Identität oder sonstige Bedenken (z.B. hinsichtlich der Geschäftsfähigkeit), kann er die Online-Beurkundung ablehnen und stattdessen einen Termin zur herkömmlichen Beurkundung verlangen.
Seine Beratungs- und Warnfunktion sowie die Filter- und Kontrollfunktion werden somit keineswegs abgeschafft. Vielmehr wird die vorsorgende Rechtspflege, die in Deutschland allgemein als wichtige Rechtstradition verstanden wird, in die digitale Welt verlagert – eine organische Weiterentwicklung der bewährten Rechtstradition.
Auf dem Weg zum estnischen Rekord ist aber nicht nur die notarielle Beurkundung ein Hemmschuh. Jeder, der schon einmal ein Bankkonto eröffnet hat, wurde mit den Europäischen Vorgaben zur Geldwäsche konfrontiert. Ein Bankkonto für eine Gesellschaft zu eröffnen, ist noch ungleich aufwändiger als für eine natürliche Person. Auch in diesem Punkt ist der Gesetzgeber gefragt: Es braucht Lösungen, die eine zeitnahe Einrichtung eines Bankkontos und die Kommunikation zwischen Kreditinstitut und Notar ermöglichen.
Der Autor Dr. Peter Schaub ist Rechtsanwalt in der Kanzlei Cornea Franz PartmbB und spezialisiert auf das Gesellschafts- und Steuerrecht
Die deutsche GmbH wird digital: . In: Legal Tribune Online, 29.07.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/36725 (abgerufen am: 04.12.2024 )
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