"Hey Boss, ich brauch mehr Geld": Gehaltserhöhungen sind für Anwälte nicht so leicht umzusetzen. Denn in vielen Kanzleien sind die Beträge festgelegt und es gibt kaum Verhandlungsspielraum. Das eine oder andere Extra ist aber doch drin.
Absolventen, die direkt nach dem zweiten Staatsexamen in eine Kanzlei einsteigen, wissen meist ganz genau, was sie erwartet. Listen mit Einstiegsgehältern für junge Juristen sind schließlich vielerorts im Internet zu finden und können schon vor der Bewerbung eingesehen werden. "Daher erlebe ich es auch ganz selten, dass ein Einsteiger über das Gehalt verhandeln will", berichtet Bianca Städter aus der HR-Abteilung der internationalen Wirtschaftskanzlei Allen & Overy.
Auch die Vergütung für die weiteren Stufen auf der Karriereleiter sind weitgehend festgelegt. Jeder in der Kanzlei weiß, was er auf dem Weg bis zum Partner erwarten kann. Übernimmt ein Mitarbeiter die fachliche Führung in einem Team oder die Ausbildung von Junior Associates, kann solch eine zusätzliche Leistung allerdings schon ein Grund sein, bei seinem Vorgesetzten nach einer Gehaltserhöhung zu fragen.
Wo ist der Mehrwert?
In der mittelständischen Kanzlei Avocado etwa erhalten Associates in den ersten drei Jahren grundsätzlich alle das gleiche Gehalt. Ab der Stufe Managing Associates gibt es Spielraum für Unterschiede. "Wenn jemand sich Wissen und Erfahrung angeeignet hat, die einen Mehrwert für uns bedeuten, kann man durchaus über ein höheres Gehalt reden", sagt Partner Thomas Dick und rät: "Wer meint, dass er eine Gehaltserhöhung oder einen Statuswechsel verdient, sollte selbstbewusst auftreten und zeigen, was er oder sie über die Arbeit auf seinem Schreibtisch hinaus für die Kanzlei geleistet hat." Aussagen wie "Alles wird teurer" oder "Ich habe lange keine Gehaltserhöhung bekommen" seien keine guten Argumente, um erfolgreich nach mehr Geld zu fragen.
Wer hingegen neue Mandate gewinnen konnte oder sich in besonderem Maße um das Marketing für die Kanzlei bemüht hat, wird die Partner eher überzeugen können, dass er oder sie mehr verdient. "Auch das proaktive Interesse, sich bei neuen Projekten einzubringen, werten wir positiv", sagt Thomas Dick. Bei Quereinsteigern geben unternehmerisches Denken und die Bereitschaft zu unternehmerischem Risiko einen Pluspunkt bei der Verhandlung. "Dann können wir auch über einen Einstieg auf höherer Stufe und damit über variable Gehaltsbestandteile reden", erklärt der Partner.
Mehrere Gehaltsschleifen vermeiden
Bei Allen & Overy erhalten Quereinsteiger das gleiche Gehalt wie bestehende Mitarbeiter auf vergleichbarer Stufe. "Schließlich sollen unsere langjährigen Mitarbeiter nicht benachteiligt werden", betont Bianca Städter. Einzelne Bedingungen sind bei der Kanzlei verhandelbar, etwa Ablösesummen für Ausbildungen, die der Bewerber bei einem zu frühen Wechsel an seinen alten Arbeitgeber zahlen müsste. "Knüpft jemand über einen Personaldienstleister zu uns Kontakt, ist es durchaus üblich, dass Gehaltsfragen über den Dienstleister abgeklärt werden", sagt Bianca Städter. "Denn den meisten Bewerbern ist das Thema nach wie vor unangenehm – selbst sehr senioren Kandidaten", so ihre Erfahrung.
Ihr dringender Rat, egal ob die Gehaltsverhandlung über einen Personaldienstleister oder persönlich mit dem Bewerber stattfindet: "Machen Sie sich von Anfang an Gedanken, wie viel Sie verdienen wollen – und ob Sie damit in das Gehaltsgefüge passen." Hin und wieder komme es nämlich vor, so die HR-Expertin, dass mehrere Schleifen zur Gehaltsfrage gedreht werden müssen, weil der Bewerber immer wieder neue Forderungen stellt. "Das wirkt unprofessionell und führt bereits vor einem potenziellen Start zu einem getrübten Verhältnis."
Minimales, maximales und alternatives Ziel setzen
Gehalts- und Karrierecoach Susan J. Moldenhauer empfiehlt, sich bei der Höhe des Gehalts drei Ziele zu setzen: Das erste ist das Maximalziel, das gemäß der Recherche am Markt erzielbar sowie aufgrund der eigenen Qualifikation und Erfahrung vertretbar ist und mit dem man sich wohlfühlt. Das Zweite ist das Minimalziel, also die untere Schmerzgrenze. Das dritte ist ein Wert, der etwas über der Mitte der beiden Ziele liegt. "Dann kann man sein Maximalziel nennen und sich bestenfalls bis auf die Alternative etwa in der Mitte herunterhandeln lassen", erklärt sie das Vorgehen.
Außerdem sind "spitze Zahlen" besser in der Verhandlung als runde, also etwa 97.000 statt 95.000. Der Grund: "Von 95.000 auf 90.000 herunterzuhandeln ist leicht. Bei 97.000 fällt der Gegenseite das Herunterhandeln etwas schwerer. Außerdem wird angenommen, dass man sich genauer mit seinem Marktwert und dem Zielgehalt auseinandergesetzt hat", so Moldenhauers Erfahrung. Bei der Frage nach dem bisherigen Gehalt sieht sie es als legitim an, eine etwas höhere Summe zu nennen, als man tatsächlich verdient.
Erfolgstagebuch für die Gehaltserhöhung
Wird eine Gehaltserhöhung angestrebt, rät die Gehaltsexpertin, regelmäßig ein Erfolgstagebuch zu führen, in dem man eigene Leistungen und Erfolge festhält. Ansonsten besteht die Gefahr, dass man im Gehaltsgespräch Details vergisst, die schon länger zurückliegen. "Außerdem hat es sich bewährt, eher von Gehaltsanpassung statt von Gehaltserhöhung zu sprechen – das klingt gefälliger."
Genau wie Thomas Dick hält sie Argumente wie Inflation, einen höheren Lebensstandard oder eine größere Familie für ungeeignet, um damit den Vorgesetzten zu überzeugen. "Nur die eigene Leistung zählt und die Vision, die man für das Unternehmen mitbringt." Wer sich mit überdurchschnittlichem Engagement für das Vorankommen seines Arbeitgebers einsetzt, hat gute Chancen, dafür auch entsprechend entlohnt zu werden. Und wenn jemand Angst vor großen Zahlen hat – und das sind meist Frauen – ist es sinnvoll, vor allem an seiner Haltung zu Geld zu arbeiten. Dafür zu stehen, was man für seine Leistungen verlangen kann, und das auch durchzusetzen, ist nämlich oft eine Kopfsache.
Gehaltsverhandlungen in der Kanzlei: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45641 (abgerufen am: 08.10.2024 )
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