Das EuG muss sich erneut mit dem Smartcard-Kartell befassen und die Geldbuße für den Chiphersteller Infineon überprüfen, entschied der EuGH am Mittwoch. Auch Philips hatte Rechtsmittel eingelegt, blieb indes aber erfolglos.
Die EU-Kommission als oberste europäische Wettbewerbsbehörde hatte 2014 eine Strafe in Höhe von 138 Millionen Euro gegen vier Chiphersteller wegen illegaler Absprachen verhängt. Im Fokus standen neben Infineon auch Samsung, die japanische Firma Renesas sowie Philips. Die Unternehmen hatten zwischen 2003 bis 2005 sensible Informationen ausgetauscht, unter anderem zu Preisen und Vertragsverhandlungen. Dabei ging es um Smartcard-Chips, die in Bankkarten oder Handys eingesetzt wurden.
Infineon musste mit rund 82,8 Millionen Euro den größten Anteil zahlen, das Bußgeld für Philips lag bei 20,2 Millionen. Beide Unternehmen riefen das Gericht der Europäischen Union (EuG) an und beantragten, den Beschluss der Kommission für nichtig zu erklären. Sie bestritten die Existenz eines Kartells und rügten die Höhe der gegen sie verhängten Geldbuße. Das EuG bestätigte die Strafen jedoch (Urt. v. 12.12.2016, Az.: T-762/14 und T-758/14).
Wiederum dagegen legten Infineon und Philips Rechtsmittel beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Infineon argumentierte, das EuG habe nur fünf der elf von der Kommission festgestellten angeblich rechtswidrigen Kontakte überprüft, obwohl das Unternehmen alle diese Kontakte bestritten habe. Weil das Gericht den Beschluss der EU-Kommission somit unvollständig kontrolliert habe, sei auch die Geldbuße unzureichend gerichtlich überprüft worden. Philips rügte die Beurteilung des Vorliegens eines Kartells durch das Gericht und die Höhe der verhängten Geldbuße.
EuGH: EuG hat nicht ausreichend geprüft
Das Rechtsmittel von Philips wies der EuGH ab und bestätigte damit die verhängte Kartellbuße (Urt. v. 26.09.2018, Az.: C-98/17 P). Im Fall von Infineon dagegen hebt der EuGH das Urteil des EuG auf, soweit es hinsichtlich der Ausübung der Befugnis zu unbeschränkter Nachprüfung durch das Gericht rechtsfehlerhaft ist. Das EuG muss nun noch einmal prüfen, ob die EU-Kommission die verbleibenden Kontakte von Infineon nachweisen kann und ob die Millionenstrafe verhältnismäßig ist, befanden die EuGH-Richter (Urt. v. 26.09.2018; Az.: C-99/17 P). Dies sei vorher versäumt worden.
Der Gerichtshof führt in seinem Urteil aus, dass der Unionsrichter jede Rechts- oder Sachrüge prüfen muss, mit der bewiesen werden soll, dass die Höhe der Geldbuße der Schwere und Dauer der Zuwiderhandlung nicht angemessen ist. Dazu gehörten etwa die Zahl und die Intensität der wettbewerbswidrigen Verhaltensweisen.
Auch wenn das Gericht nicht verpflichtet sei, die genaue Zahl der Kontakte zugrunde zu legen, könne dies jedoch ein relevanter Gesichtspunkt sein - zumal das EuG sich im Fall von Infineon darauf beschränkt habe, fünf der elf im Beschluss der Kommission festgestellten Kontakte zu bestätigen. Dabei sei die Frage offengeblieben, ob die Kommission auch die sechs weiteren festgestellten Kontakte nachgewiesen habe, so die EuGH-Richter.
Prozessbevollmächtigte von Infineon waren die Freshfields-Kartellrechtler Dr. Thomas Lübbig und Dr. Martin Klusmann. Philips hatte die niederländische Kanzlei De Brauw Blackstone Westbroek mandatiert.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Freshfields Bruckhaus Deringer für Infineon Technologies:
Dr. Martin Klusmann, Kartellrecht, Partner, Düsseldorf
Dr. Thomas Lübbig, Kartellrecht, Partner, Berlin
De Brauw Blackstone Westbroek für Philips:
Jolling de Pree, Kartellrecht, Partner, Amsterdam/Brüssel
EuGH zum Smartcard-Kartell: . In: Legal Tribune Online, 26.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31145 (abgerufen am: 10.12.2024 )
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