Der Esports World Cup in Riad ist der neue Superlativ in der Branche. Pietro Fringuelli hat mit seinem Team den Veranstalter beraten. Im Interview erzählt er von der Arbeit am Mandat und erklärt, warum er kein "Gaming-Anwalt" ist.
LTO: Herr Dr. Fringuelli, was ist Ihr Lieblingsvideospiel?
Dr. Pietro Fringuelli: Ich habe zwei Lieblingstitel. Der eine ist die “Assassin’s Creed”-Reihe, der andere “Red Dead Redemption 2”.
Sie sind also Fan von komplexen Open-World-Spielen.
Ja.
Beste Voraussetzungen, um Gaming-Anwalt zu werden.
Mit dem Begriff tue ich mich schwer.
Wieso?
Es gibt nicht den Gaming-Anwalt. Als Anwalt spezialisiert man sich auf bestimmte Rechtsgebiete und wird dann in einem bestimmten Industriesektor zu bestimmten rechtlichen Fragestellungen tätig. Das kann dann etwa mit Gaming zu tun haben.
Geben Sie bitte ein Beispiel.
Klassisch ist da etwa der Anwalt, der Spieleentwickler berät beziehungsweise deren Publisher, also das Unternehmen, das sich um Finanzierung, Marketing und Vertrieb kümmert. Welchen Jugendschutzregeln müssen die Spielinhalte gerecht werden? Wie muss die Webseite für den Vertrieb des Spiels aufgebaut sein? Solche Fragen sind etwa Teil klassischer E-Commerce-Beratung. Auf solche Themen konzentrieren wir uns nicht.
Sondern?
Wir beraten vorwiegend Veranstalter, die mit E-Sport ein Ökosystem aufbauen wollen, um damit Geld zu verdienen.
Das müssen Sie erklären.
Schauen Sie sich die Geschichte des Fußballs an. Als Sportart war der schon immer sehr beliebt, aber Geld verdienen die großen Ligabetreiber, etwa die Deutsche Fußball Liga oder die englische Premier League, erst seit wenigen Jahrzehnten im großen Stil damit. Dass heutzutage Spieler für Millionenbeträge verkauft werden, die Stadien voll sind und sich Fans für viel Geld das neueste Vereinstrikot der Saison kaufen und die Medienrechte in relevantem Umfang verkauft werden, hat sich erst mit der Zeit entwickelt.
So ein Ökosystem möchte die von Saudi-Arabien finanzierte Esports World Cup (EWC) Foundation im Bereich E-Sport errichten. Die rechtliche Beratung dazu übernimmt unser Team.
"Saudisches Recht ist gar nicht so exotisch"
Den Anfang für dieses Ökosystem soll der EWC 2024 machen, der seit Juli mehrere Wochen in Riad läuft, und dem Sie den rechtlichen Rahmen geben sollten. Wie bekommt man so ein Mammutmandat?
Durch einen Pitch. Die EWC Foundation hat uns angefragt und wir konnten überzeugen, weil wir nicht nur Erfahrung mit Ligaberatung im klassischen Sport, sondern schon seit 2014 Turnier- und Ligabetreiber in der E-Sport-Branche beraten haben, zum Beispiel die Electronic Sports League (ESL).
1.500 Profispieler aus 400 Teams spielen derzeit in 21 verschiedenen Games-Titeln um 60 Millionen Dollar Preisgeld. Welche Rechtsgebiete bilden da den Kern der anwaltlichen Arbeit?
Zum einen das Vertragsrecht, denn für die EWC Foundation mussten wir zahlreiche Vereinbarungen mit teilnehmenden Sportlern, Teams, Sponsoren, Publishern, Agenturen und vielen mehr gestalten.
Eine andere große Baustelle im Mandat betreffen die Medienrechte: Welche Rechte muss man einkaufen, um sie anschließend zu vermarkten? Das umfasst auch Fragen im Hinblick auf die Spieler und deren Tätigkeiten außerhalb ihres Auftritts auf der Bühne, zum Beispiel beim Training.
Ebenso stellt es sich als herausfordernd dar, ein System zu entwickeln und zu strukturieren, das alle 21 Spieleentwickler und Publisher mittragen, etwa in den Bereichen Compliance und Vermarktung.
Welches Recht gilt bei all den Vereinbarungen?
Ganz überwiegend saudisches Recht.
Klingt exotisch.
Ja, aber so exotisch auch wieder nicht. Die wesentlichen Fragen, zum Beispiel wer welche Logos verwenden oder welche Spiele oder Interviews mit den Spielern übertragen darf, regelt das saudische Recht nicht fundamental anders als andere Rechtsordnungen. Außerdem haben wir saudische Anwaltskollegen, die die Besonderheiten kennen.
"Nur grobe Vorstellungen davon, was man wollte, aber man wollte es schnell"
Im Oktober 2023 gab die EWC Foundation mit viel Tamtam und prominenten Gästen auf einer Veranstaltung bekannt, dass "Mitte 2024" der erste EWC stattfinden soll. Konkret war da aber noch nichts. Ziemlich wenig Zeit für so ein großes Mandat, oder?
Operativ tätig wurden wir für das Mandat am 7. Januar dieses Jahres. Und ja, das war schon sehr sportlich. Das hängt auch mit der Mentalitätsfrage zusammen: Juristische Großprojekte im deutschen Raum werden in aller Regel längerfristig geplant und dann strikt dem Plan und den verfügbaren Ressourcen entsprechend angegangen.
Bei diesem Mandat läuft das anders: Es gab grobe Vorstellungen davon, was man wollte, und man wollte es schnell. Deshalb ging es los, obwohl der Plan im Detail noch gar nicht stand. Da sitzt einem die Zeit im Nacken.
Wie sieht die Lösung nach saudischer Mentalität dafür aus?
Man stellt einfach ein sehr großes Team auf.
Wie groß ist Ihr Team denn?
Es hat 33 Mitglieder, verteilt in Deutschland, Großbritannien und Saudi-Arabien.
Wie ist das Team organisiert?
Es gibt zwei Projektleiter, die die Anfragen der EWC Foundation aufnehmen und strukturieren, sowie ein Management-Team, das die gesamte Arbeit koordiniert.
Die Anfragen sind ähnlich wie in einem Ticketsystem gesammelt und organisiert. Das heißt, vom Eingang der Anfrage bis zur abgeschlossenen Anfrage kann man immer sehen, welches Anliegen der Mandant gerade hat, welcher Anwalt dafür verantwortlich ist und in welchem Bearbeitungsstatus es sich befindet.
Was war das Herausforderndste an diesem Mandat?
Definitiv die Synchronisation der verschiedenen Enden des Projekts. Dadurch, dass der Plan nicht im Detail feststand, mussten wir immer ein Auge darauf haben, was wo passiert.
Das ist wie eine Operation am offenen Herzen, bei der wir als Anwaltsteam nur ein Rädchen von mehreren waren. Insgesamt haben über 450 Beteiligte daran mitgearbeitet, dass der EWC pünktlich im Juli starten konnte.
"Heute verbringe ich hundert Prozent meiner Arbeitszeit in diesem Bereich"
Bis 2030 will die EWC Foundation einen mittleren zweistelligen Milliardenbetrag in die Branche buttern. Das ist eine neue finanzielle Dimension, aber auch eine sehr einsame: Bisher sind Investoren im Bereich E-Sport ja eher zurückhaltend.
Richtig. Das ist in meiner langjährigen Zeit als Anwalt in dem Bereich aber schon immer so gewesen. Selbst als E-Sport-Titel wie "Counter-Strike" vor zehn Jahren das erste Mal die Kölner Messehallen mit Zuschauern vollgemacht haben, hieß es noch: "Mit E-Sport verdient doch keiner Geld!" Das ändert sich aber, was ich auch an meiner anwaltlichen Tätigkeit merke: Während ich damals etwa zehn Prozent meiner Arbeitszeit in dem Bereich verbracht habe, sind es heute hundert Prozent.
Sie sehen also auch Potenzial?
Ja. Vergleichen wir noch einmal mit dem Fußball: In Deutschland gibt es zweieinhalb bis drei Millionen durchschnittliche Fußballzuschauer mit einem Durchschnittsalter von 60 Jahren.
Denen gegenüber stehen weltweit 450 Millionen Zuschauer monatlich, die sich – bisher noch vorwiegend online und ohne dafür zu bezahlen – E-Sport-Turniere anschauen. Etwa 85 Prozent davon sind 19 bis 31 Jahre alt. Das sind viel mehr und viel jüngere Leute. Dieses Potenzial zu monetarisieren, kann über Ökosysteme gelingen, wie die EWC Foundation jetzt eines aufbauen will.
2025 sollen die ersten E-Sport-Disziplinen auch bei Olympia laufen. Goldene Zeiten also für – ich bitte um Verzeihung – "Gaming-Anwälte"?
Ja und nein. Wer als spezialisierter Anwalt bereits etabliert ist, für den kann die Rechtsberatung im E-Sport lukrativ sein. Zahlenmäßig gibt es zurzeit aber nur eine Handvoll großer Investoren und damit auch nur eine begrenzte Anzahl Mandate. Aus Kanzleisicht sind da Rechtsbereiche wie Mergers & Acquisitions berechenbarer: Mit 400 bis 500 großen Deals im Jahr ist der Kuchen, den es dort zu verteilen gibt, größer.
Vielen Dank für das Gespräch.
Der Gesprächspartner Dr. Pietro Fringuelli ist Partner und Global Co-Head der Technology, Media and Communications Group bei CMS.
Mammutmandat aus Saudi-Arabien: . In: Legal Tribune Online, 23.08.2024 , https://www.lto.de/persistent/a_id/55258 (abgerufen am: 14.11.2024 )
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