Deal nach Steuerhinterziehung: Mil­li­ar­därs­fa­milie Engel­horn einigt sich mit Finanz­be­hörden

von Dr. Anja Hall

29.01.2016

Eines der größten deutschen Steuerstrafverfahren endet wohl mit einem Deal. Die Beschuldigten werden diese Woche Steuern in dreistelliger Millionenhöhe nachzahlen. Involviert in das Verfahren ist auch der renommierte Steuerrechtler Reinhard Pöllath.

Es war einer der größten Firmenverkäufe Europas: 1997 hat der Schweizer Pharmakonzern Hoffmann La Roche für elf Milliarden Dollar die Mannheimer Böhringer-Ingelheim-Werke übernommen. Der Verkaufserlös blieb wegen einer inzwischen geschlossenen Gesetzeslücke steuerfrei. Der Hauptanteilseigner und damalige Konzernchef von Böhringer, Curt Engelhorn, hatte Wohn- und Firmensitz seiner Holding Corange Ltd., der Muttergesellschaft von Böhringer, rechtzeitig auf die Bermudas verlegt.

Nachdem Steuerfahnder mehr als drei Jahre lang gegen den Familienclan der Engelhorns ermittelt haben, werden nun aber wohl doch Gelder aus dem Familienvermögen in der Staatskasse landen. Wie der Spiegel und die Augsburger Allgemeine Zeitung zuerst berichteten, sind zwei Töchter des Patriarchen der Steuerhinterziehung beschuldigt, und der langjährige Finanzverwalter Engelhorns, Prof. Dr. Reinhard Pöllath, der Beihilfe dazu.

Pöllath war kurzzeitig in U-Haft

Der 68-jährige Pöllath, wohl einer der ganz wenigen Wirtschaftsanwälte mit eigenem Wikipedia-Eintrag, gilt als einer der angesehensten Steuer- und Gesellschaftsrechtler Deutschlands. Er hat Ende der 90-er Jahre die Kanzlei P+P Pöllath + Partners gegründet und ist spezialisiert auf die Beratung von großen Familienunternehmen und deren Eigentümern.

Im Herbst 2013 landete Pöllath allerdings für neun Tage in Untersuchungshaft wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Hinterziehung von Schenkungsteuern. Denn Curt Engelhorn hatte nach dem Konzernverkauf zwei seiner Töchter großzügig beschenkt, unter anderem mit einem Pferdegestüt in Oberbayern, einer Villa mit Park am Starnberger See und einer halben Karibikinsel, wie der Spiegel berichtet.

Diese millionenschweren Geschenke sollen den Spiegel-Informationen zufolge nur zu einem sehr geringen Teil versteuert worden sein. Zudem sollen die Töchter bei der Angabe ihrer Einkünfte gegenüber dem Finanzamt "stark untertrieben" haben. Auch für Geldgeschenke der Töchter an ihre Mutter, die Ex-Frau von Engelhorn, sei keine Schenkungsteuer gezahlt worden.

"Erschwerte Sachverhaltsermittlung"

Ins Rollen kamen die Ermittlungen durch den Ankauf einer CD mit Bankdaten aus der Schweiz. Im Oktober 2013 führten Steuerfahnder und Staatsanwälte aus Augsburg, ausgestattet mit Haftbefehlen wegen Verdachts auf Steuerhinterziehung, in München, Starnberg, Hamburg, Berlin und in Reichling bei Landsberg Razzien durch. Die beiden Engelhorn-Töchter wurden verhaftet, und wegen des Verdachts auf Beihilfe zur Steuerhinterziehung kam auch Pöllath in Haft. Er soll als langjähriger Finanzverwalter der Engelhorns viele Transaktionen durchgeführt haben, Presseberichten zufolge handelte er mit einer Generalvollmacht der Familie.

Zudem soll er, wie Steuerfahnder und Staatsanwälte jetzt in beschlagnahmten Unterlagen herausfanden, Umsatzsteuer hinterzogen haben. Zu den Beschuldigten gehört laut der Augsburger Allgemeinen auch ein 45-jähriger Partner der Kanzlei, deren Münchner Räume ebenfalls durchsucht worden waren. Auf LTO-Anfrage wollte sich die Kanzlei nicht dazu äußern.

Die Augsburger Steuerfahnder errechneten Forderungen von mindestens 440 Millionen Euro inklusive Zinsen. Allerdings gestalteten sich die Ermittlungen mühsam, denn das Vermögen Engelhorns ist auf ein komplexes System aus Trusts und Beteiligungen in Europa und Mittelamerika verteilt. Es liege ein "Fall der erschwerten Sachverhaltsvermittlung vor", musste das Finanzamt einräumen. Viele der Vorwürfe sollen zudem strafrechtlich verjährt sein.

Nachzahlungen von 145 Millionen

Im Mai 2015 haben Curt Engelhorns Anwälte laut Spiegel das Angebot gemacht, dass ihr Mandant eine hohe Summe an Steuern nachzahlen wolle. Das Landesamt für Steuern, das den Finanzämtern übergeordnet ist, machte daraufhin einen Vorschlag: Man gebe sich mit dem Zugeständnis zufrieden, jede Tochter habe rund 100 Millionen Euro erhalten, also weit weniger als die 440 Millionen Euro, welche die Fahnder errechnet hatten.

Kurz vor Weihnachten wurden dann vier "tatsächliche Verständigungen" niedergeschrieben. Die Bedingungen: Niemand muss ins Gefängnis, dafür gestehen die beiden Töchter, noch vor 2003 jeweils 108 Millionen Euro erhalten zu haben und dem Fiskus Schenkungsteuer inklusive Zinsen von je 56,9 Millionen zu schulden. Hinzu kommen weitere Millionenbeträge aus nicht angemeldeten Kapitalerträgen und weiteren Schenkungen, so dass sich die Steuernachzahlungen auf insgesamt fast 145 Millionen Euro belaufen.

Wie der Spiegel schreibt, scheute der Freistaat Bayern offenbar eine gerichtliche Auseinandersetzung mit der vermögenden Familie. Man habe Prozesskosten in zweistelliger Millionenhöhe befürchtet.

In dieser Woche haben die Töchter Strafbefehle erhalten, ihre Geldstrafe beläuft sich auf jeweils 70 Tagessätze zu 3.000 Euro. Zugleich wurde die erste Rate der Nachzahlungen von jeweils 50 Millionen Euro fällig. Anwalt Pöllath erhält laut Spiegel einen Strafbefehl wegen nicht gezahlter Umsatzsteuer.

Zitiervorschlag

Anja Hall, Deal nach Steuerhinterziehung: . In: Legal Tribune Online, 29.01.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18297 (abgerufen am: 07.11.2024 )

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