Die DSW, zwei Anwaltskanzleien und das Legal-Tech-Unternehmen Myright haben sich zusammengetan, um es geschädigten Aktionären zu ermöglichen, Konzerne wie Volkswagen ohne Kostenrisiko zu verklagen.
Es ist eine ungewöhnliche Allianz, die sich formiert hat: Myright, die Kanzleien Hausfeld und Nieding + Barth sowie die Deutsche Schutzvereinigung für Wertpapierbesitz (DSW) wollen Aktionären dabei helfen, Schadensersatzansprüche gegen VW nach dem Dieselskandal durchzusetzen. Als Finanzierer stehen Fonds des Investmentmanagers Fortress bereit.
Nach einem Provisionsmodell, das die Beteiligten entwickelt haben, können Geschädigte ihre Daten und die notwendigen Unterlagen über die Myright-Plattform eingeben bzw. hochladen. Man wolle die Rechte der Aktionäre zunächst außergerichtlich durchsetzen. Sollte das nicht gelingen, werde man bis Jahresende, vertreten durch die Kanzleien Nieding + Barth sowie Hausfeld, Klage erheben, heißt es bei Myright. Die Ansprüche der Kleinanleger lasse man sich treuhänderisch abtreten und fasse sie in einer "Sammelklage" zusammen.
Bekommt der Anleger Geld, erhebt Myright eine Gebühr auf die erstrittenen Summen. "Ansonsten hat der Anleger keine eigenen Kosten oder Risiken zu tragen", sagt Sven Bode, Geschäftsführer der Financialright GmbH, die Myright betreibt.
Ungleichgewicht zwischen Klägern und Unternehmen
Hintergrund der Initiative ist nach Angaben der Beteiligten, dass viele Geschädigte das Kostenrisiko einer Klage scheuen würden. Zudem stünden den Klägern bei Kapitalmarktrechtsverfahren in der Regel große Rechtsabteilungen und Wirtschaftskanzleien gegenüber.
Mit dem nun lancierten Modell setze man "dem oft bestehenden Ungleichgewicht zwischen Unternehmen auf der einen und geschädigten Anlegern auf der anderen Seite etwas entgegen, das die Möglichkeiten der betroffenen Anleger, sich juristisch zu wehren, nachhaltig verbessert", sagt DSW-Hauptgeschäftsführer Marc Tüngler.
Für Myright und Hausfeld ist die Zusammenarbeit mit DSW und Nieding + Barth ein Schritt in ein neues Geschäftsfeld. Bislang standen vor allem Käufer von Diesel-Pkw im Fokus der Kooperation des Verbraucherschutzportals und des deutschen Ablegers der renommierten US-Kanzlei.
Hausfeld-Anwalt kritisiert Prozess-Strategie von VW
Christopher Rother, Managing Partner von Hausfeld in Berlin, hatte Volkswagen jüngst vorgeworfen, dass der Konzern bewusst auf Vergleiche mit Dieselkunden setze, um eine abschließende gerichtliche Klärung der Frage, ob VW als Hersteller schadenersatzpflichtig sei, zu verhindern. VW vergleiche sich erst in der Berufungsinstanz, bevor das jeweilige Gericht die Chance habe, eine Entscheidung zu fällen, sagt Rother. Der Jurist bezeichnet dies als "sehr kluge Prozessstrategie", die weitgehend aufgegangen sei.
Nach Einschätzung des Hausfeld-Anwalts würde es Volkswagen selbst dann nur etwa 500 Millionen Euro kosten, wenn es in allen Fällen in Deutschland zu einem Vergleich gekommen wäre. Müsste Volkswagen dagegen sämtliche Kunden mit Betrugsdieseln wie in den USA entschädigen, dann wäre das bei einem durchschnittlichen Streitwert von 25.000 Euro "wirtschaftlich nicht zu stemmen", glaubt Rother. Mit dieser Einschätzung steht er nicht allein: Auch der frühere VW-Konzernchef Matthias Müller hatte seinerzeit argumentiert, Entschädigungen wie im US-Maßstab würden Volkswagen ruinieren.
Der Autobauer stellt indes klar, dass die Zahl der Vergleiche gemessen an der Gesamtzahl der Verfahren gering sei. Ob sich der Konzern für einen außergerichtlichen Vergleich entscheide, sei von wirtschaftlichen Gesichtspunkten und jedem Einzelfall abhängig.
Mehr als 23.100 Verfahren anhängig, nur zwei beim BGH
Insgesamt sind in Deutschland rund 23.100 Verfahren von Autobesitzern, die einen manipulierten Diesel aus der VW-Gruppe fahren, anhängig. Rund 6.000 Urteile in Sachen Diesel gibt es bisher - nach Angaben aus Konzernkreisen überwiegend ohne Erfolg für die Kunden. Die bislang erst elf Urteile an Oberlandesgerichten (OLG) fielen demnach allesamt im Sinne des Herstellers oder seiner Händler aus. Darüber hinaus gebe es zahlreiche Zurückweisungsbeschlüsse von OLG, auch diese in der "überwiegenden Mehrheit" zugunsten von Volkswagen.
Lediglich ein Verfahren ist derzeit beim Bundesgerichtshof (BGH) zur Revision anhängig (Az. VIII ZR 78/18), verhandelt wird voraussichtlich erst 2019. Auch wenn in diesem Fall wegen der Vielzahl an unterschiedlichen Fragen im Dieselskandal kein Grundsatzurteil zu erwarten ist, wird die Rechtsprechung des BGH die Linie vorgeben für alle Urteile mit ähnlich gelagerten Fällen. Hier verlangt der Fahrer eines Skoda von seinem Autohändler eine Preisminderung von 20 Prozent. Das Dieselauto hatte beim Kauf 2013 eine illegale Abschalteinrichtung, inzwischen wurde die Software jedoch aktualisiert. Der Kläger behauptet, ihm seien dadurch technische Nachteile entstanden.
In einem zweiten Diesel-Fall, mit dem sich der BGH befassen wird, hat der Kläger eine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt.
Insgesamt ist die Gesamtzahl der Verfahren relativ gering. Weltweit geht es in dem im September 2015 in den USA aufgeflogenen Diesel-Abgasskandal um rund elf Millionen Autos, in Deutschland sind es über 2,2 Millionen Wagen. Allein hierzulande sind über 97 Prozent der betroffenen Fahrzeuge bereits per Software-Update umgerüstet. Europaweit sind es knapp 78 Prozent oder 6,3 Millionen Autos.
ah/LTO-Redaktion
mit Material von dpa
Aktionärsklagen im Dieselskandal: . In: Legal Tribune Online, 03.09.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/30709 (abgerufen am: 03.12.2024 )
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