Die DSGVO wird wichtige Rechtsgrundlagen der Meinungsfreiheit verdrängen und könnte den Freiraum von PR und Öffentlichkeitsarbeit erheblich einschränken. Davon wären auch PR-Abteilungen in Kanzleien betroffen, meint Jan Mönikes.
Seit die Beschränkungen für anwaltliche Werbung gelockert wurden, spielen auch Anwälte auf der gesamten Klaviatur moderner PR und Öffentlichkeitsarbeit. Eine attraktiv gestaltete Kanzleiwebsite mit Bildern von Partnern und Mitarbeitern, Artikel und Aufnahmen von öffentlichen Veranstaltungen mit Mandanten oder auch Tweets - etwa mit Links zu rechtspolitischen Meinungsbeiträgen - dürften heute selbstverständlich sein.
Doch egal, wie viel Mühe und Sorgfalt eine Kanzlei für ihren öffentlichen Auftritt verwendet: "Presse" oder "journalistisch-redaktionelles" Medium im Sinne der Landespressegesetze oder des Rundfunkstaatsvertrages wird eine Anwaltskanzlei weder sein wollen, noch wird ihr publizistisches Bemühen je als "Unternehmenspresse" gelten. Denn dafür fehlt es an der notwendigen redaktionellen Autonomie (BVerwG, Beschl. v. 29.10.2015, Az.: 1 B 32.15, Rn. 2 ff.).
Selbst wenn die Kolleginnen und Kollegen, die in den Kanzleien für die öffentliche Kommunikation zuständig sind, einen Presseausweis besitzen sollten, dürfte ihre Tätigkeit für ihren Arbeitgeber nicht mehr und nicht weniger als Public Relations oder sogar "nur" als schlichtes Marketing und Werbung zu qualifizieren sein.
Keine berufsständischen Privilegien für Kanzlei-PR
Das neue Bundesdatenschutzgesetz (BDSG neu) sieht für Berufsgeheimnisträger zwar bestimmte Einschränkungen der ab 25. Mai geltenden Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) vor, um etwa das Mandatsgeheimnis auch gegenüber von Datenspeicherung betroffenen gegnerischen Mandanten und sogar der "unabhängigen" Datenschutzaufsichtsbehörde zu bewahren. Vergleichbare Beschränkungen des Datenschutzrechts für die PR dieser Berufsgruppe gibt es aber nicht.
Man wird Öffentlichkeitsarbeit und Marketing zwar grundsätzlich als ein "berechtigtes Interesse" im Sinne des Art. 6 Abs. 1 f) DSGVO qualifizieren können – doch nicht jede (insbesondere werbende) Publikation im Internet, die personenbeziehbare Daten wie Abbildungen von Personen enthält, wird man datenschutzrechtlich als "erforderlich" ansehen. Ein "überwiegendes Interesse" gegenüber dem generellen "Verbot mit Erlaubnisvorbehalt" der Abgebildeten wird man oft nicht subsumieren können. Unter Geltung der DSGVO wäre die Meinung also nicht mehr frei, sondern bedarf einer Rechtfertigung.
Das aber stellt sich in der Praxis, gerade bei Personenabbildungen, als echtes Problem dar: Denn dass bei der Verbreitung von Bildaufnahmen im Internet die Persönlichkeitsrechte des Abgebildeten zu beachten sind, ist natürlich auch bei bisheriger Rechtslage aufgrund des Kunsturhebergesetzes (KUG) klar. Doch bislang ging das KUG dem BDSG als "lex specialis" vor.
Ein Vorrang, der gegenüber der DSGVO jedoch ab dem 25. Mai 2018 nicht mehr gelten kann, wenn nicht der nationale Gesetzgeber etwa mit Hilfe der Öffnungsklausel des Art. 85 "das Recht auf den Schutz personenbezogener Daten gemäß dieser Verordnung mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit […] in Einklang" bringt.
Öffnungsklausel könnte Meinungsfreiheit und PR sichern
Mit dieser Öffnungsklausel hat der EU-Gesetzgeber den Nationalstaaten ausdrücklich die Möglichkeit geben wollen, den Widerspruch zwischen der in Deutschland aufgrund Art. 5 GG sehr weiten Kommunikationsfreiheit und dem restriktiven Prinzip des generellen "Verbots mit Erlaubnisvorbehalt" des EU-Datenschutzes durch Vorschriften aufzulösen, die der jeweiligen Rechtstradition im Äußerungsrecht eines Mitgliedsstaates entspricht. Der EU-Datenschutz soll die gesellschaftlich notwendige und sozialadäquate öffentliche Kommunikation nicht einschränken – vor allem soll Datenschutz nicht als Instrument der Freiheitsbeschränkung im legitimen "Meinungskampf" missbraucht werden.
Insoweit steht dem deutschen Gesetzgeber also das rechtliche Instrumentarium längst zur Verfügung, mit dem er sowohl im nicht-journalistischen Bereich der PR und Öffentlichkeitsarbeit wie auch im journalistischen Kontext, also bei Presse- und Rundfunk und ähnlichen Medien, für Rechtssicherheit sorgen und die Meinungsfreiheit mindestens in ihrem jetzigen Bestand sichern könnte. Nur: Geschehen ist dies bislang leider nicht.
Bundesregierung untätig, Bundesländer nur auf Presse und Rundfunk fokussiert
Soweit bislang bekannt, planen die Bundesländer - die für die Medienregulierung zuständige Ebene- lediglich Anpassungen für Presse- und Rundfunk und ähnliche Medien. Da am Begriff des "Presseunternehmens" keine Änderungen vorgesehen sind, löst selbst die EU-rechtlich gebotene, sehr weite Auslegung des Begriffs "Journalismus" nicht die praktischen Probleme, mit denen PR und Öffentlichkeitsarbeit von öffentlichen und nicht-öffentlichen Stellen konfrontiert werden, wenn sie der uneingeschränkten Geltung der DSGVO unterworfen sind.
Diese Herausforderungen aber können dann so groß werden, dass es selbst für versierte Juristen in Kanzleien kaum möglich sein dürfte, rechtssicher PR wie heute noch möglich zu betreiben.
Denn: Wegen des Wegfalls der bisher geltenden Erlaubnis, Nachrichten aus öffentlichen, allgemein zugänglichen Quellen wie Medien und dem Internet frei verarbeiten zu dürfen, leben selbst erledigt geglaubte Diskussionen - etwa um die Rechtmäßigkeit einer Verlinkung zu Inhalten Dritter oder gar die Weiterverbreitung einer Personenabbildung aus der Presse durch einen "Re-Tweet" - im Kontext von PR wieder auf.
Erlaubnistatbestände reichen für PR und Öffentlichkeitsarbeit nicht aus
Selbst vorhandene Einwilligungen von Kanzleimitarbeitern, wonach bislang meist Abbildungen auch nach ihrem Ausscheiden weiterverwendet werden konnten, "wackeln", weil seinerzeit (rechtlich zutreffend) die Belehrung fehlte, dass diese Einwilligung jederzeit frei widerruflich ist. Die Lösung wäre, von der einseitigen Einwilligung zum zweiseitigen Vertrag zu wechseln. Dies verbietet sich jedoch immer dann, wenn Abbildungen den Anspruch haben wollen, reale Ereignisse zu dokumentieren.
Anders als in anderen EU-Staaten wurde hierzulande bislang offenbar kaum erkannt und darüber diskutiert, dass die Erlaubnistatbestände, die in der DSGVO vorgesehen sind, für die meisten Konstellationen im Zusammenhang mit PR und professioneller Öffentlichkeitsarbeit nicht ausreichen können. Im Gegenteil schlägt das Bundesministerium für Justiz und Verbraucherschutz (BMJV) im Entwurf für eine Anpassung des KUG sogar explizit die Festschreibung der Subsidiarität gegenüber der DSGVO vor. Für alle Bereiche, die nicht durch andere Normen entsprechend Art. 85 DSGVO von der Geltung entsprechender Beschränkungen freigestellt würden – wie es beispielsweise im 21. Rundfunkänderungsstaatsvertrag für Rundfunk und verwandte Dienste vorgesehen ist – hätte das fatale Folgen.
Wird Datenschutz zur bürokratischen Belastung?
Aber selbst Verfechter eines restriktiven Datenschutzes in ganz Europa sollten sich darüber besser nicht freuen. Auch wenn es vielleicht gar nicht beabsichtigt ist: Verbleibt es bei der unzureichenden gesetzgeberischen Aktivität, droht dieses Meinungsfreiheit und Datenschutz in einen Widerspruch zu treiben, den der Gesetzgeber auf europäischer Ebene gerade zu vermeiden suchte.
Denn wird Datenschutzrecht nicht als Instrument empfunden, das die Freiheit und die freie Entfaltung der Persönlichkeit gegenüber Bedrohungen durch Staat und Unternehmen sichert, sondern nur als eine bürokratische Belastung, die ausgerechnet diese individuellen Freiheiten stärker einschränkt, als sie ihnen zu nutzen vermag, dann wird sich die Kritik schnell nicht gegen konkrete Normen oder einen untätigen Gesetzgeber wenden, sondern gegen das Schutzziel selbst: Gegen einen wirksamen und harmonisierten Datenschutz in ganz Europa. Beschädigt würden damit am Ende beide, und ein weiteres Projekt der EU, das politisch ihre Vertiefung beabsichtigt hat, wäre leicht zu diskreditieren.
Von daher können sich eigentlich nur alle wünschen, wenn es insbesondere die fachkundigen Juristen und Befürworter eines starken Datenschutzes selbst wären, gerade auch bei den Datenschutzaufsichtsbehörden und bei den politischen Protagonisten dieser Datenschutzreform, die sich an die Seite derjenigen stellten, die dafür streiten, die Presse- und Meinungsfreiheit einschließlich der Möglichkeit (anwaltlicher) Öffentlichkeitsarbeit und PR zu erhalten.
Denn nur gemeinsam kann es gelingen, den Schutz personenbezogener Daten mit dem Recht auf freie Meinungsäußerung und Informationsfreiheit in einen angemessenen Ausgleich zu bringen.
Jan Mönikes ist auf IT- und Medienrecht spezialisierter Rechtsanwalt und Partner von Schalast Rechtsanwälte in Berlin. Er ist als externer Datenschutzbeauftragter für Unternehmen und Verbände tätig und ehrenamtlich u.a. als Vicepresident des German Chapter der Internetsociety ISOC.de e.V. und politisch in der SPD aktiv. Als Medienrechtler und Justitiar des deutschen (BdP) und des europäischen (EACD) Pressesprecherverbandes berät er Pressestellen im öffentlichen und nicht-öffentlichen Sektor.
Datenschutz und Anwaltsmarketing: . In: Legal Tribune Online, 19.03.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/27593 (abgerufen am: 06.12.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag