"Mächtigen Nachholbedarf" attestiert eine neue Studie den großen Wirtschaftskanzleien in Sachen digitale Kommunikation. Vorbildlich sind Baker McKenzie, Hogan Lovells und DLA Piper. Sie führen das Ranking der besten digitalen Netzwerker an.
Das Beratungsunternehmen Education Gateway wollte wissen, wie die renommiertesten deutschen Wirtschaftskanzleien das Internet und soziale Netzwerke zu ihrer Außendarstellung nutzen. Es analysierte die Präsenz der Law Firms auf LinkedIn, Twitter, YouTube und Facebook und untersuchte außerdem die Kanzlei-Homepages, Blogs, Webinare und Livestreamings sowie Online-Learning-Angebote der Kanzleien.
Berücksichtigt wurden dabei quantitative Faktoren – etwa Follower-Anzahl und Beitragsaktivität - sowie qualitative Kriterien wie die Breite der abgedeckten Themen und deren Einbindung in ein Gesamtkonzept. Die einzelnen Ergebnisse führten die Studienautoren in einem "Digital Networking Index" zusammen.
"Hätte man Kanzlei-Vertretern noch vor kurzem die Frage gestellt, ob man auf Facebook, Twitter oder YouTube vertreten sei, hätte man ungläubige Blicke geerntet. Das hat sich grundlegend geändert", sagt Christian Sellmann, Geschäftsführer der Education Gateway. "Gleichwohl stehen wir hier noch eher am Anfang der Entwicklung. Die Kanzleien haben hier mächtig Nachholbedarf." Insbesondere internationale Law Firms sind in dem Feld schon gut unterwegs, während die rein deutschen Sozietäten zu den Nachzüglern gehören.
Internationale Kanzleien führen das Ranking an
Das Gesamtranking der besten digitalen Netzwerker unter den Law Firms führt ein Quintett aus Baker McKenzie (787 Indexpunkte), Hogan Lovells (737), DLA Piper (715), Linklaters (702) und Allen & Overy (653) an. Es folgt ein Mittelfeld aus internationalen Kanzleien wie White & Case, Bird & Bird und K&L Gates, dem aber auch Sozietäten angehören, die sich selbst wohl eher nicht als Mittelfeldspieler bezeichnen würden, etwa die Magic-Circle-Kanzleien Freshfields und Clifford Chance. Als "internationale Nachzügler" bezeichnet Sellmann unter anderem Greenberg Traurig (Rang 19) oder Milbank.
"Wir freuen uns sehr, dass unser Einsatz in Sachen Social Media Anklang findet", sagt Barbara Gruber, Head of Media Relations Germany des Erstplatzierten Baker McKenzie. "Medienvertreter sind ebenfalls viel auf digitalen Plattformen unterwegs und wir wollen mit unseren Initiativen - Blogs, Twitter, LinkedIn, Facebook etc. - mitten im Geschehen sein." Auf den sozialen Netzwerken erreiche die Sozietät eine breite Spanne von Interessierten, insbesondere auch die nächste Generation der Anwälte. So könne man auf Neuigkeiten schnell eingehen, fügt sie hinzu.
Deutsche Kanzleien unter "ferner liefen"
Deutsche Sozietäten sind in dem Index weit abgeschlagen: Lediglich CMS erreicht mit 477 Punkten den 18. Rang und agiert damit auf Augenhöhe mit den internationalen Sozietäten. Als zweitbeste deutsche Kanzlei folgt Noerr mit 277 Punkten auf dem 25. Platz. Kanzleien wie Beiten Burkhardt (Rang 26, 214 Punkte), Heuking (Rang 32, 119 Punkte), Redeker (Rang 37, 91 Punkte) und Gleiss Lutz (Rang 38, 83 Punkte) bilden ein Mittelfeld.
Zu den deutschen "Nachzüglern", wie Sellmann es ausdrückt, gehören vorwiegend mittelständisch geprägte Kanzleien wie Aulinger, Görg oder GSK Stockmann. Doch auch Hengeler Mueller, wohl eine der renommiertesten Kanzleien hierzulande, ist im Bereich des digitalen Networkings weit abgeschlagen. Sie erreicht mit 47 Indexpunkten bloß den 43. Rang. Das Schlusslicht bildet Orth Kluth auf Rang 50 mit nur sieben Indexpunkten.
Das sind Werte, die engagiert twitternde Einzelanwälte oder kleine Kanzleien mit informativen Blogs oder Youtube-Clips mühelos toppen. Sie waren allerdings nicht Gegenstand der Untersuchung, die sich mit jenen 50 Wirtschaftskanzleien beschäftigt, die der Juve Verlag in seinem Handbuch Wirtschaftskanzleien als die deutschlandweit führenden auflistet. "Wir wollten wissen, wie sich die im Markt erfolgreichsten Law Firms auf dem Feld des digitalen Networkings schlagen", begründet Sellmann die Auswahl. "Das heißt keineswegs, dass sie dort auch die besten sind - wie prominente Beispiele wie das von Christian Solmecke zeigen." Der Kölner Medienrechtler betreibt mit seiner Kanzlei einen äußerst erfolgreichen Youtube-Kanal mit mehr als 160.000 Abonnenten.
Baker hat die meisten Follower, Greenberg Traurig ist am aktivsten
Die meisten Follower in den untersuchten sozialen Netzwerken LinkedIn, Twitter, Facebook und Youtube hat Baker McKenzie (140.000 Follower). Auf den Plätzen 2 und 3 folgen DLA Piper (121.000) und Allen & Overy (110.000).
Mit insgesamt 610 verfassten Beiträgen in allen sozialen Netzwerken hat Greenberg Traurig in der Kategorie "Beitragsaktivität" die Nase vorn. Dentons folgt mit 572 Beiträgen auf Platz 2, Norton Rose mit 434 Beiträgen auf Platz 3. CMS, die aktivste deutsche Kanzlei, verfasste dagegen nur 141 Beiträge.
"Wir nutzen Social Media, um ein aktuelles und vollständiges Bild von Greenberg Traurig in der Öffentlichkeit aufzubauen und um Themen zu setzen, aber auch um Thementrends zu identifizieren", erläutert Susanne Krüger, Director Business Development & Corporate Communications der Kanzlei in Deutschland, die Kommunikationsstrategie. "Damit erreichen wir neben Mandanten und Bewerbern, die sich stets umfassend informieren, vor allem Journalisten, die Social Media Kommunikation intensiv verfolgen."
…aber wie wichtig ist das?
Studienautor Christian Sellmann findet, dass digitales Networking den Kanzleien "ungeahnte Möglichkeiten" bietet: Sie könnten "flächendeckend Themen setzen, kontinuierlich mit Mandanten außerhalb der Mandatsarbeit kommunizieren und zugleich ihre Interessen kontinuierlich monitoren", meint er.
Nicht alle Kanzleivertreter teilen diese Euphorie. Komplexe Sachverhalte, wie sie typisch seien für das Geschäft von Wirtschaftskanzleien, ließen sich nur schwer in einen 140-Zeichen-Tweet pressen, wendet etwa der Kommunikationsverantwortliche einer großen Kanzlei ein. Auch erscheint es ihm fraglich, ob sich Facebook, Twitter oder Youtube wirklich dazu eignen, neue Mandanten zu gewinnen, die zur Zielgruppe der Law Firms gehören.
Es dürfte tatsächlich schwierig sein, den Erfolg des digitalen Netzwerkens zu messen: Wird der General Counsel eines großen Unternehmens eine Kanzlei wegen ihres gelungenen Facebook-Auftritts mandatieren? Und warum sollte die Kommunikation mit bestehenden Mandanten durch soziale Netzwerke oder Livestreamings intensiviert werden, wenn die Anwälte auch einfach zum Telefonhörer greifen können? Sind aufwändig produzierte Youtube-Clips ihr Geld wert? Locken sie Bewerber an? Tauchen die Kanzleien öfter in der Presse auf, nur weil sie eifrig twittern?
Education Gateway jedenfalls will den Digital Networking Index in Zunkunft halbjährlich erstellen. Vielleicht fühlt sich die ein oder andere Kanzlei angespornt, ihren Ranking-Platz zu verbessern.
Anja Hall, Digitale Kommunikation: . In: Legal Tribune Online, 14.09.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/24531 (abgerufen am: 04.10.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag