Politik überdenkt Hermesdeckung: Kein Risiko-Puffer mehr für Türkei-Geschäfte?

von Sandra Pfister, LL.M. (University of Sydney)

26.07.2017

2/2: Deckungsvolumen für Exporte in Türkei sinkt

Deutschland ist laut Gesellschaft der Bundesrepublik für Außenwirtschaft und Standortmarketing wichtigster Abnehmer türkischer Produkte und nach China mit einer Quote von 25 Prozent aller Importe zweitgrößter Lieferant der Türkei. Für deutsche Ausfuhren liegt die Türkei als Handelspartner hingegen nur auf Platz 15.

Allerdings belegte die Türkei bis 2015 mit einem Deckungsvolumen von gut zwei Milliarden Euro jährlich stets einen der vorderen Plätze in der Rangliste der Hermesdeckungen. Diese kamen mehrheitlich kleinen und mittleren Unternehmen zugute. 2016 hingegen war das Deckungsvolumen auf 1,2 Milliarden Euro rückläufig.

Als Grund für die Zurückhaltung nennen Unternehmen eben jenes, von Außenminister Gabriel angesprochene mangelnde Vertrauen in das Rechtswesen und die politische Stabilität der Türkei und die damit verbundene Angst vor Enteignungen oder dem Bruch staatlicher Zusagen.

Mögliche Einstellung der Hermesdeckungen für die Türkei

Als Bestandteil der deutschen Ausfuhrförderungspolitik ist die Frage der Förderungsfähigkeit von Exporten ausschlaggebend. Insoweit weist das im Bereich der Hermesdeckungen für Grundsatzfragen zuständige BMWi in den von ihm herausgegebenen Produktinformationen ausdrücklich darauf hin, dass nicht jedes Exportgeschäft förderungsfähig ist. Insbesondere findet die Förderungswürdigkeit und damit die Indeckungnahme von Risiken dort ihre Grenze, wo dem Geschäft wichtige Interessen der Bundesrepublik Deutschland entgegenstehen. Dabei können sich Einschränkungen der Förderungsfähigkeit aus dem Bestellerland (hier also der Türkei) ergeben. Weitere Gesichtspunkte sind die Verletzung von Menschenrechten, Korruption, aber auch Umweltaspekte oder die beteiligten Vertragsparteien.

Eine Einstellung der Hermesdeckungen für die Türkei würde allerdings nicht rückwirkend für bereits in Deckung genommene Ausfuhren gelten. Hier gelten unverändert die mit dem Exporteur vereinbarten allgemeinen Bedingungen für Leistungsdeckungen für Exportkreditgarantien der Bundesrepublik. Und unter diesen endet die Zahlungspflicht des Bundes grundsätzlich erst, wenn und auch nur soweit die versicherte Forderung erfüllt ist. Der Bund wird für einmal gewährte Hermesdeckungen nur vor Leistungserfüllung frei, wenn der Exporteur wesentliche Pflichten aus dem Vertragsverhältnis mit dem Bund verletzt, beispielsweise falsche Angaben gemacht hat oder aber vereinbarte Sicherheiten nicht wirksam bestellt hat.

Einstellung der Hemesabdeckungen würde Tendenz verstärken

Die Einstellung der Hermesdeckungen für (neuen) Ausfuhren in die Türkei würde mit Sicherheit dazu beitragen, dass die Bereitschaft der Exporteure sich im türkischen Markt zu engagieren und in die Türkei zu liefern weiter rückläufig sein wird. Denn das erhöhte politische Risiko wird – sofern die Hermesdeckungen denn überhaupt der Überprüfung der Bundesregierung standhalten – zu höheren Prämien führen.

Zudem spiegelt sich das erhöhte Risiko natürlich auch in erhöhten Ausfallwahrscheinlichkeiten wider. Und auch wenn die Hermesdeckungen Exporteure vor Verlusten durch ausbleibende Zahlungen schützen - der Selbstbehalt von fünf bis 15 Prozent bliebe vom Exporteur zu tragen und würde die Gewinn- und Verlustrechung sowie die Bilanz belasten.

Der Deutsche Industrie- und Handelskammertag rechnet mit einem Rückgang des Handelsvolumens mit der Türkei um zehn Prozent im laufenden Jahr. Inwieweit sich durch diesen Rückgang gerade für kleine und mittlere Unternehmen wesentliche Nachteile ergeben können, bleibt vor dem Hintergrund der für die deutsche Konjunktur insgesamt kaum erwarteten Auswirkungen abzuwarten.

Die Autorin Sandra Pfister ist Rechtsanwältin und Partnerin bei Bryan Cave LLP in Hamburg. Sie ist auf deutsche und internationale Unternehmens- und strukturierte Finanzierungstransaktionen spezialisiert und berät Banken, institutionelle Investoren und Unternehmen im Zusammenhang mit Akquisitions-, Projekt- und Immobilienfinanzierungen sowie deren Restrukturierung, aber auch im Bereich Exportkredit- und Handelsfinanzierungen. Neben ihrer Erfahrung im Bereich Bank- und Finanzrecht, bilden internationale debt und equity capital markets-Transaktionen einen weiteren Schwerpunkt ihrer Beratung.

Zitiervorschlag

Sandra Pfister, LL.M. (University of Sydney), Politik überdenkt Hermesdeckung: Kein Risiko-Puffer mehr für Türkei-Geschäfte? . In: Legal Tribune Online, 26.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23629/ (abgerufen am: 19.04.2024 )

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